Kandidaten für Berlin:"Das wird bis zum Wahltag vergessen sein"

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Hier klatschen Sebastian Roloff und Florian Post (3. und 4. von links) noch einträchtig nebeneinander. Viel zu jubeln gab es aber schon bei der Bundestagswahl-Party der SPD 2017 nicht, wie die Gesichter von Marietta Eder, Bernhard Goodwin, OB Dieter Reiter und Stadtchefin Claudia Tausend (v.l.) zeigen. (Foto: Robert Haas)

Die überraschende Niederlage von Florian Post bei der Aufstellung der Oberbayern-Liste für den Bundestag sorgt für Frust bei den Parteimitgliedern im Norden der Stadt. Im Wahlkreis des Herausforderers Sebastian Roloff herrscht dagegen Zufriedenheit.

Von Heiner Effern und Anna Hoben

Nach dem überraschenden Sieg des Bundestagskandidaten Sebastian Roloff über den Abgeordneten Florian Post an der Spitze der Oberbayern-Liste ist die Münchner SPD-Basis gespalten. "Ich finde es ungeheuerlich, was da abgegangen ist", sagt etwa Felix Lang, Ortsvereinsvorsitzender in der Maxvorstadt. Im Münchner Süden dagegen freut man sich über den Sieg von Roloff. Es sei eine "Chance", Themen nach Berlin zu bringen, die im Münchner Süden wichtig sind, sagt Markus Lutz, Ortsvereinsvorsitzender in Sendling und Chef des dortigen Bezirksausschusses. Post selbst will sich am Mittwoch oder Donnerstag zu seinen weiteren Plänen äußern. Das teilte am Montag Alt-OB Christian Ude mit, der Post wie schon 2017 im Wahlkampf unterstützt.

Der 38 Jahre alte Roloff hatte auf dem Oberbayern-Parteitag am Samstag Post, den amtierenden Abgeordneten aus dem Münchner Norden, mit einem wohl vorbereiteten, aber strikt geheim gehaltenen Angriff deutlich geschlagen. Mit 41 zu 28 Stimmen wählten ihn die Delegierten an die Spitze der Liste; damit wird er im Herbst aller Voraussicht nach erstmals in den Bundestag einziehen. Post, 39, droht dort nun nach acht Jahren das Aus. Allerdings muss dafür auch die Bayern-SPD dieser Reihenfolge bei der Aufstellung ihrer Liste am kommenden Wochenende folgen.

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Es spreche nichts dagegen, dass ein Kandidat um eine Position kämpft, sagt Felix Lang, aber der Stil sei nicht in Ordnung gewesen. Lang führt den Ortsverein, in dem auch Post beheimatet ist. Er findet: Roloff hätte seine Kandidatur um Platz eins ankündigen sollen. Die SPD in Bayern bewege sich um die sieben Prozent, "und mit solchen Aktionen kommen wir davon nicht weg".

Florian Post sei neben seiner Arbeit im Bundestag auch ein "sehr treues Ortsvereinsmitglied", nah an der Basis und nicht abgehoben. Post setze sich als Abgeordneter "durchaus mit einer eigenen Meinung stark für seinen Wahlkreis ein", sagt Mathias Kowoll, Ortsvereinsvorsitzender Milbertshofen-Am Hart. Man hätte sich gewünscht, dass er einen guten Listenplatz bekommt. Nun hoffe er, dass Post an seiner Kandidatur festhält und im September das Direktmandat holt - "ich seh' das nicht als aussichtslos".

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Der Kampf um die Kandidatur für den Spitzenplatz sei aber eine "normale Geschichte" gewesen; bei so etwas kämpfe jeder mit harten Bandagen. Dass die Münchner SPD dadurch Schaden davonträgt, glaubt er nicht: "Das wird bis zum Wahltag vergessen sein."

Roloff sei ins Risiko gegangen, weil er vor vier Jahren einen sehr schlechten Listenplatz bekommen habe, sagt der Sendlinger Lutz. Dass ein Kandidat versucht, besser abzuschneiden, dafür müsse man Verständnis haben. Es habe ihn überrascht, dass es geklappt hat, "das hätte auch schief gehen können". Aus Sicht des Südens sei es jedoch "wichtig, dass wir auch mal einen Vertreter im Bundestag haben". Klar habe der Münchner Vorstand eine Vorstellung, und manchmal liege man da "anders als die Basis". Darüber müsse man im Vorstand sprechen, "ein Gesichtsverlust ist das aber nicht".

Ähnlich sieht das auch Benedikt Kopera, der den Ortsverein Obergiesing führt, in dem Roloff Mitglied ist. Roloff sei im Münchner Süden im Oktober fast einstimmig nominiert worden, "ich bin überzeugt, dass er ein sehr guter Abgeordneter wäre". Dass es bei einer demokratischen Wahl mehr als einen Kandidaten gibt, sei "vielleicht nicht alltäglich in der SPD, aber es kommt auch vor".

Mit zwei Spitzenplätzen auf der oberbayerischen Liste habe die Münchner SPD "voraussichtlich ihr Ziel erreicht, wieder gleich stark in der Bundestagsfraktion vertreten zu sein", sagte Bürgermeisterin Verena Dietl, die auch stellvertretende Vorsitzende der Münchner SPD ist. Sie gratuliere Claudia Tausend und Roloff - und bedauere, dass Post, mit dem sie immer gut und vertrauensvoll zusammengearbeitet habe, nicht gewählt wurde.

Doch die beiden guten Plätze alleine werden wohl nicht das Hauptthema sein auf der Sitzung des SPD-Vorstands am Montagabend. Roloff hatte dessen eindeutiges Votum für Post als Spitzenmann bewusst übergangen, ihn mit seinen Plänen überrascht und damit in ganz Oberbayern blamiert.

© SZ vom 09.03.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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