Münchner Spaziergang:Auf stillen Pfaden durch die Altstadt

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Die Viscardigasse ist auch als Drückebergergasse bekannt. (Foto: Catherina Hess)

Langsam bevölkern wieder viele Menschen die Innenstadt - doch zu gewissen Stunden lässt sie sich in einer ganz besonderen Stimmung erleben, vor allem in den kleinen Gassen.

Kolumne von Thomas Anlauf

Es ist an der Zeit, sich ein wenig unsichtbar zu machen. Nun, da die Münchner wieder die Wohnungen verlassen und sich in die Fußgängerzonen der Altstadt stürzen, sind die Schleichwege durch die Häuser wunderbare kleine Fluchten vor den Menschenmassen. Da ist nicht nur das bekannte Drückebergergassl hinter der Feldherrnhalle, wie die Münchner die Viscardigasse noch heute bezeichnen. Zwischen Residenz- und Theatinerstraße gibt es eine ganze Reihe von Passagen, die kaum ein Auswärtiger kennt. Das Preysing Palais nebenan ist ein vornehmer Durchschlupf mit schmiedeeisernen Verzierungen und stimmungsvollen Lampen an der Decke. Hier residieren neben Ärzten aller Fachrichtungen auch Anwälte.

Wem das zu nobel ist, muss einfach nur ein wenig weiter in Richtung Rathaus schlendern. Durch die kleine Altenhofstraße hindurch und schon taucht das ehemaligen Falkenhaus an der Burgstraße auf. Der urige mittelalterliche Durchgang bringt den Stadtschleicher hinunter in Rufweite des Hofbräuhauses. Fast schon ein wenig wehmütig denkt man an die Horden von Bayernfans, die in Vor-Corona-Zeiten bei Heimspielen rund ums Platzl torkelten und irgendwas in die Menge grölten. Aber nein, die Altstadt ist schöner ohne Massen, geradezu ehrwürdig. Wie drüben, auf der anderen Seite der Weinstraße. Dort geht es durch die Passage am Dom, wo am Seiteneingang des Cafés Wörners noch der Zettel hängt: "Liebe Gäste, ab 19. März schließen wir unsere Cafés, für wohl vorerst 14 Tage!" Am Durchgang von der Thiereckstraße zum Dom standen bis vor acht Wochen noch die Stehtrinker mit ihren Halben auf dem Trottoir und prosteten sich zu.

Auf der Rückseite der Kaufingerstraße stehen nur leere Tische und Stühle im Regen vor dem Dom. Es ist eine Ewigkeit her, dass der Kellner im Augustiner den Stammgästen zurief: "Bis in drei Wochen!" Mehr als zwei Monate später leuchtet wieder ein Licht aus dem Wirtshaus. Und drüben in der Guglhupf-Passage stellt der Hausmeister draußen die Tische und Stühle auf. Noch ein Wochenende, dann sind auch die stillen Pfade durch die Altstadt wieder laut. Bis dahin: Noch schnell eine Runde durch die Häuser laufen und so tun, als könne man sich ein wenig unsichtbar machen beim einsamen Bummel in der Großstadt.

© SZ vom 15.05.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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