Münchner Spaziergang:Rund um den Wurstautomaten

Volkstheater München - Baustelle samt Wurstautomat

Im Schlachthof-Viertel lässt sich einiges entdecken - und manches bestaunen

Kolumne von Andreas Schubert

Auch in der Messerschleiferei Trapp im Viehhof kommt man an den Corona-Schutzmaßnahmen nicht vorbei. Kunden müssen erst klingeln, bevor sie in den Laden dürfen, sie müssen eine Maske tragen, wie überall halt. Trotzdem kommt man sich ein bisschen vor wie ein Ganove, wenn man vermummt ein 20 Zentimeter langes Messer aus der Tasche zieht. Ansonsten hat man gerade im Viehhof und im gegenüberliegenden Schlachthofgelände das Gefühl, dass hier alles wie gehabt seinen Gang geht. Gegenüber der Schleiferei werkeln die Bauarbeiter am neuen Volkstheater - einem Mordstrumm von Gebäude, das nächstes Jahr fertig sein soll. Aktuell werden die Wandverkleidungen angebracht. Es sind mit Ziegel verkleidete Blöcke, die den Backsteinlook der benachbarten historischen Bauten imitieren sollen. Zusammen mit dem Baulärm tragen die Kühlanlagen der Metzgerei Gaßner zum Soundtrack des Geländes bei, während gegenüber immer irgendeiner mehr oder minder versiert seine künstlerischen Ambitionen mit der Spraydose auslebt. Der Lastwagenfahrer, der gerade seinen Viehwaggon an der Waschanlage säubert, hat dafür keinen Blick.

Wer vom Dreimühlenviertel Richtung Zenetti- oder Tumblingerstraße will, kürzt gerne durch das Viehhofgelände ab, es sei denn, das Kommunalreferat hat sich mal wieder den Spaß gemacht, den Durchgang zur Thalkirchner Straße zu verriegeln, was von Zeit zu Zeit vorkommt. Die Mischung aus Subkultur, entstehender Kultur und Markthallenflair machen das Areal einzigartig. Dazu tragen auch die hier angesiedelten Feinkosthändler Monti und Papazof samt angeschlossenen Lokalen bei, der Fischgroßhändler Moby Dick, die Münchner Suppenküche und nicht zuletzt Metzger Gaßner mit seinem Laden, seinem Marktstüberl und seit einiger Zeit auch mit seinem Fleisch- und Wurst-Automaten. Als die Corona-Krise hierzulande vor allem eine Klopapier-Krise war, gab es auch solches - Metzgerhumor vom Feinsten. Da passt es ganz gut, dass nur ein paar Meter weiter das Haus des Humors in die alte Viehhofbank einziehen soll.

Wenn demnächst die Lokale wieder öffnen dürfen, wird es im Schlachthofviertel wieder ein bisschen so sein wie früher. Es ist schön, dem Viertel beim Erwachen zuzusehen. Auch wenn es nie komplett geschlafen hat.

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