Oktoberfest-Ersatz:Jetzt dürfen sie endlich arbeiten - und dann vertreibt der Regen die Kundschaft

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Fast wie die Wiesn, aber ohne Bierzelte voller Aerosole: Der "Sommer in der Stadt" soll Schaustellern und Publikum über die Oktoberfest-Absage hinweghelfen. (Foto: Sebastian Gabriel)

Die Wiesn fällt aus, dafür soll der "Sommer in der Stadt" den Schaustellern Einnahmen bringen. Fehlt nur der Sommer.

Von Franz Kotteder, München

Es ist ja schon verblüffend, welche Ruhe Schausteller manchmal ausstrahlen können. "Klar, der erste Blick am Morgen geht zum Himmel", sagt Peter Bausch, der Vorsitzende der Münchner Vereinigung der Marktkaufleute und Schausteller, "das Wetter ist für uns natürlich ganz entscheidend". Und da ist der Sommer in der Stadt in diesem Jahr alles andere als eine Freude, besonders für den "Sommer in der Stadt".

So heißt auch die Veranstaltungsreihe des Münchner Wirtschaftsreferats, mit dem Schaustellern und Marktkaufleuten wenigstens ein bisschen Arbeit gegeben wird, wenn die Wiesn schon das zweite Mal in Folge ausfallen muss. Auf der Theresienwiese, auf dem Königsplatz und im Olympiapark durften sie in diesem Jahr ihre Attraktionen aufbauen. Peter Bausch hat normalerweise ein aufregendes Fahrgeschäft mit dem Namen Top Spin, das rentiert sich aber beim "Sommer in der Stadt" nicht, deshalb ist er auf dem Königsplatz mit einem "Prosecco-Stüberl" nebst Wirtsgarten vertreten, das beim Christkindlmarkt auf wundersame Weise wieder zum "Punsch-Stüberl" mutieren wird. So denn alles gut geht. Aber Bausch nimmt's wie fast alle seine Kollegen, nämlich so, wie es kommt. Es gilt die berühmte Devise von Karl Valentin: "Ich freue mich, wenn es regnet, denn wenn ich mich nicht freue, regnet es auch."

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Nun ja, "freuen" ist dann vielleicht doch ein bisschen viel gesagt. Yvonne Heckl, die Sprecherin der Veranstaltungsgesellschaft der Münchner Schausteller (VMS), erlebt den "Sommer in der Stadt" vor allem in ihrem Bürocontainer auf der Theresienwiese mit. Dort, im Nordteil des Areals, sind immerhin 54 Fahrgeschäfte, Buden und kleine Biergärten aufgestellt. "Das Wetter ist natürlich eine Katastrophe", sagt sie, "aber wir sind ja schon froh, dass wir überhaupt wieder mal arbeiten können". Bei schönem Wetter lässt sich seit Beginn Ende Juli alles bestens an, wenn dann aber der beinahe schon alltägliche Regenguss einsetzt, leeren sich die drei Sommer-Areale schnell wieder. "Aber damit müssen wir Schausteller seit jeher halt leben."

Zwei Wochen noch läuft der "Sommer in der Stadt", dann ist leider schon Schluss, weil die Autoausstellung IAA Mobility auch auf dem Königsplatz aufgebaut werden soll und die Schausteller dafür weichen müssen. Der "Sommer in der Stadt" ist also nicht nur deutlich verregneter als 2020, sondern auch deutlich kürzer. Im vergangenen Jahr konnte verlängert werden, insgesamt war man so auf 70 Tage gekommen.

Doch auch das zeitlich eingeschränkte Angebot wird gut angenommen an diesem zweiten Wochenende. Der Königsplatz ist zwar nicht opulent bestückt im Vergleich zur Theresienwiese, hat aber neben dem "Prosecco-Stüberl" doch auch einige Attraktionen. Vorneweg natürlich das große Riesenrad, einen Bratwurststand mit ganz hervorragenden fränkischen Bratwürsten, die der Metzger Otto Heckl in seiner mobilen Metzgerei täglich frisch herstellt, und dann noch drei Fahrgeschäfte für Kinder neben einigen weiteren Verkaufsbuden. Die Kinder genießen es. Geht man am kleinen Kettenflieger vorbei, hört man lautes Jauchzen und fröhliches Geschrei, als wäre er voll besetzt - dabei sitzen gerade mal vier Kinder drin. Eine Beobachtung, die man auch an den anderen beiden Standplätzen machen kann.

Peter Bausch sagt, das Publikum sei ein bisschen anders als sonst auf Volksfesten: "Ich habe den Eindruck, dass viele Leute aus der Nachbarschaft, aus der Maxvorstadt, da sind." Auch solche, die vorher noch nie zu einem Volksfest gegangen sind. Man merkt das zum Beispiel daran, dass man beim Kinderkarussell gefragt wird, wie das denn sei, mit dem Bezahlen, ob da im Wagen kassiert werde?

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(Foto: Sebastian Gabriel)

Auch wenn die Fahrgeschäfte auf dem Königsplatz nur mit ein paar Fahrgästen besetzt sind: ...

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(Foto: Sebastian Gabriel)

... Das Kreischen und Jauchzen hört sich nach voller Bude an.

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(Foto: Sebastian Gabriel)

Graffiti-Künstler Loomit hat am Wochenende im Auftrag der Stadt ein Monumentalgemälde gestaltet, das mit König Ludwig I. und dem Paulaner-Festzelt etwas Wiesnstimmung verbreiten soll.

Auch auf der Theresienwiese findet sich ein besonderes Publikum ein: vorwiegend Familien mit kleinen Kindern und sehr viele Teenager. Die Stimmung ist sehr friedlich, aber trotzdem auch ausgelassen. Bei der Jugend ist die Freude, dass man endlich mal wieder was machen kann, fast mit Händen zu greifen. Manche greifen sich auch einfach nur einen der zahlreich herumstehenden "Sommer in der Stadt"-Liegestühle, fläzen sich hinein und schauen den anderen zu, wie sie vom Breakdance oder dem Flip Flop in der Luft herumgewirbelt werden. In den Sonnenstunden des Tages ist das Gelände locker gefüllt, wie an einem eher durchschnittlichen Wochentag mittags auf der Wiesn. Was gänzlich fehlt: Festzelte. Und deshalb auch grölende, sturzbetrunkene Jungmänner, bestenfalls unter weiblicher Aufsicht, die durch die Schaustellerstraßen ziehen und damit angeben wollen, was sie sich in ihrem Zustand noch alles so zutrauen. Es gibt aber praktisch niemanden, der sie hier tatsächlich vermisst.

Auch der Graffiti-Künstler Loomit hat sie einfach weggelassen auf seinem Monumentalgemälde, das er im Auftrag der Stadt an diesem Wochenende südwestlich des Schaustellergeländes am Oktoberfestbetriebshof anfertigte. "Ein Traum ist das hier", sagt er, "der pure Luxus! Eine so große Wand, mit freier Sicht drauf, auch aus 200 Metern Entfernung noch." Die Aktion ist zwar begrenzt bis zum 22. August, dann ist der "Sommer in der Stadt" zu Ende, und auch das Graffito muss wieder abgebaut werden. Bis dahin aber verbreitet es etwas Wiesnstimmung, Loomit hat sich vorbereitet und die Volksfesthistorie in sein Panorama eingebaut. König Ludwig I. und seine Therese, Schwanthalers Bavaria, den legendären Steyrer Hans, eine Geisterbahn, die Steilwand-Kitty, das Zentrallandwirtschaftsfest und das Paulanerzelt, auch die Gedenkstele an das Attentat von 1980 freilich - alles verwoben in den großen Schriftzug "Sommer in der Stadt". Und auch an die Selfie-Fotografen hat er gedacht: Links ums Eck hat er noch eine fliegende Lederhose und ein schwebendes Dirndl hingesprayt. "Von da aus", sagt er, "hat man auch noch die Fahrgeschäfte und das Gelände im Bild, wenn man ein Selfie macht".

Zwei Wochen hat man jetzt noch Zeit dafür, dann werden Panorama und Fahrgeschäfte schon wieder abgebaut. Der "Sommer in der Stadt" ist dann für 2021 vorbei, und - bei aller Liebe - man hofft doch sehr, dass 2022 nicht noch einer folgen muss.

© SZ vom 09.08.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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