Illegale Einreisen:Wie Münchner Staatsanwälte gegen Schleuser kämpfen

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Beamte der Bundespolizei greifen Flüchtlinge auf, die in einem Lieferwagen nach Deutschland eingeschleust wurden. (Foto: dpa)

Eine neue Einheit kümmert sich bei der Behörde um die wachsende Zahl von Verstößen gegen Einreisebestimmungen und Aufenthaltsregeln. Die meisten Verfahren können schnell eingestellt werden - doch einige schwere Fälle beschäftigen die Justiz lange.

Von Joachim Mölter

Seit die Corona-Beschränkungen gefallen sind und das Reisen wieder leichter ist, ist auch die Zahl von illegalen Einreisen und Einschleusungen nach Deutschland gestiegen. Rund 9500 Verfahren mit diesem Hintergrund hat allein die Staatsanwaltschaft München I 2023 eingeleitet, etwa viertausend mehr als im Jahr davor. Diese Zahlen nannte der Leitende Oberstaatsanwalt Hans Kornprobst, als er diese Woche eine neue Einheit seiner Behörde vorstellte: Die Fachabteilung XIX kümmert sich seit Dezember um Ausländerstrafsachen im weitesten Sinn; geleitet wird sie seit Kurzem vom Oberstaatsanwalt Florian Schlosser.

Der 54-Jährige betont, dass es in seiner Abteilung nicht um Ausländerrecht und Abschiebungen gehe, sondern um Verstöße gegen Einreise- und Aufenthaltsbestimmungen, gegen Asyl- oder Passregeln. "Ein Bereich mit wahnsinnig vielen Sondergesetzen", erklärt Schlosser, mit "Vorschriften, die in vielen verschiedenen Gesetzen versteckt sind". Gerade kam eins dazu, am 27. Februar: ein "Rückführungsverbesserungsgesetz". Das verschärft insbesondere Strafen für Schleusungstaten.

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Um auf die zunehmende Masse von Verfahren reagieren zu können, wurde ein Team zusammengestellt, in dem diverse Kompetenzen gebündelt sind. Neben Schlosser sind vier Staatsanwälte mit nichts anderem beschäftigt; drei weitere arbeiten zumindest teilweise mit.

"Viele Verfahren enden relativ geräuschlos, weil keine Straftat vorliegt oder nur eine geringfügige", erklärt Kornprobst; mehrere tausend würden praktisch sofort eingestellt. "Fluchtbedingte illegale Einreisen" wie aus der Ukraine seien beispielsweise straflos, erläutert der Behördenchef. Gleichwohl müssten alle Personen erst mal erfasst werden, auch wenn abzusehen sei, dass Verfahren eingestellt würden, etwa wenn Asyl beantragt werde. "Die Zahl der aufwendigen Verfahren ist relativ gering", sagt Kornprobst.

Die können sich mitunter länger als ein Jahr hinziehen, wie im Fall eines türkischen Schleusers, der seit Ende Januar in Stadelheim in Untersuchungshaft sitzt. Auf dessen Spur war die Polizei im September 2022 durch den Hinweis eines Anwohners gekommen. Der hatte Verdacht geschöpft, als ein Ehepaar mit vier Kindern auf einem Parkplatz in Kreuth am Tegernsee von einem silbernen Nissan mit italienischem Kennzeichen in einen schwarzen Mercedes mit deutschem Nummernschild umstieg.

Nachdem der Nissan im Oktober 2022 zweimal im Grenzgebiet zwischen Garmisch und Mittenwald kontrolliert wurde, meldete der Fahrer den Wagen um und besorgte sich ein neues Kennzeichen. Und obwohl der Mercedes-Besitzer vom Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch machte, fanden die Beamten den eingeschleusten Familienvater und verhörten ihn.

Zwischen 8000 und 16 000 Euro liegt der Tarif

Wie der ermittelnde Staatsanwalt Maximilian Heindl berichtete, habe der Mann seinen Schleuser anhand von vorgelegten Fotos identifiziert. Im November 2023 erließ das Amtsgericht München einen internationalen Haftbefehl, kurz vor Weihnachten wurde der Türke in Italien festgenommen, Ende Januar nach Deutschland überstellt. Sein Mobiltelefon wird noch ausgewertet, um an Hintermänner zu kommen.

Bei denen landet ja in der Regel der größte Teil des Geldes, das fürs Einschleusen bezahlt wird; zwischen 8000 und 16 000 Euro sei der Tarif, weiß man bei der Staatsanwaltschaft, fällig nach Ablieferung im Zielland. Der Transporteur bekommt davon nur einen geringen Teil ab.

Ein türkischer Lkw-Fahrer ging sogar ganz leer aus, und weil er zudem noch verprügelt wurde, nachdem er im September 2022 zwischen einer Ladung Kautschukschläuchen auch Menschen über die Grenze gebracht hatte, packte er vor Gericht aus. Obwohl der Mann wegen des "Einschleusens von Ausländern mittels lebensgefährdender Behandlung" angeklagt war, sei er mit einer Bewährungsstrafe davongekommen, schilderte der zuständige Staatsanwalt Carlos Dastis.

Auch in diesem Fall hatte ein aufmerksamer Passant die Polizei verständigt, als er sah, dass auf einem Parkplatz bei Ottobrunn reihenweise Menschen aus einem Laster kletterten. 37 Personen, überwiegend Syrer, wurden bei der Fahndung noch erwischt; bis zu 54 könnten es gewesen sein, schätzt Dastis. Die Vernehmungen ergaben, dass die Menschen stundenlang unangeschnallt auf der Ladung gelegen waren, nichts zu essen oder trinken und kaum Luft bekommen hatten. Deshalb hätten einige am Ende der Fahrt auch auf den Chauffeur eingeschlagen und ihm das Nasenbein gebrochen.

Auch wenn die Staatsanwaltschaft München I jetzt ein besonderes Auge auf kriminelle Schleuser wirft: Manchmal kommt sie trotzdem nicht an die Hintermänner. Syrien ist eines der wenigen Länder, mit dem Deutschland kein Rechtshilfeabkommen hat.

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