Aufmunternde Tradition:Die Schäffler tanzen Corona weg

Lesezeit: 2 min

Zuletzt gab es das 2019 zu sehen: die Schäffler bei ihrem Tanz auf dem Marienplatz. (Foto: Sebastian Gabriel)

Eigentlich gibt es den traditionellen Auftritt der Fassmacher nur alle sieben Jahre - wegen Corona und wegen des Krieges legen sie im Mai eine Extraschicht ein.

Von Stephan Handel

Eigentlich wären erst 2026 sieben Jahre vorüber gewesen - das ist der Turnus, indem die Münchner Schäffler ihren Tanz aufführen. Weil aber Pandemie ist und Krieg, hat der "Fachverein der Schäffler Münchens" entschieden, mit der Tradition zu brechen und schon 2022 wieder aufzutreten. "Wir tanzen gegen Corona und den Krieg", sagt Wilhelm Schmid, der Vorsitzende des Vereins. "Wir wollen den Menschen Mut machen."

Allerdings wird die Zwischensaison deutlich kürzer als die üblichen Auftritte: Nicht ungefähr einen Monat, von Januar bis Faschingsdienstag, sondern gerade mal vier Tage wollen die Schäffler unterwegs sein. Los geht's am 5. Mai vor der Staatskanzlei am Franz-Josef-Strauß-Ring. Am 7. Mai um 10.30 Uhr treten sie am Marienplatz auf. Dazwischen liegen sechs bis acht Auftritte am Tag, bis die Truppe am 8. Mai abends vor ihrer Herberge, dem Augustiner in der Neuhauser Straße, zum letzten Mal tanzt.

Newsletter abonnieren
:München heute

Neues aus München, Freizeit-Tipps und alles, was die Stadt bewegt im kostenlosen Newsletter - von Sonntag bis Freitag. Kostenlos anmelden.

Aus 20 Tänzern besteht die Partie, dazu kommen ein Fähnrich, zwei Kasperl und ein Reifenschwinger. Der Schäfflertanz entstand der Legende nach während der Pest-Epidemie von 1517. In einer Chronik heißt es: "Es starben Tausende dahin. Alles schwebte in furchtbarer Todesangst; außer den Totengräbern und Pesträucherern wurde niemand auf der Straße gesehen; die Landleute getrauten sich nicht in die Stadt und es trat großer Mangel an Lebensmitteln ein. Das Elend hatte die höchste Stufe erreicht und selbst nach dem Verschwinden der Pest wagte sich lange Zeit niemand aus dem Hause, aller Verkehr stockte."

In dieser deprimierenden Situation hatte ein Mann, dessen Name nicht überliefert ist, die Idee, dem Elend etwas entgegenzusetzen, ein lustiges Schauspiel. Dieser Mann war Schäffler, also Fassmacher, er überzeugte seine Zunftgenossen von dem Plan. Auch die Metzger machten mit, so entstand der ebenfalls bis heute existierende Metzgersprung, bei dem die freigesprochenen Lehrlinge in den Fischbrunnen am Marienplatz springen - heute aus Gaudi, damals um zu demonstrieren, dass die Luft und das Wasser rein sind.

Ein Problem gibt es vielleicht noch: die Kostüme

Die Idee erreichte ihr Ziel. In der Chronik heißt es weiter: "Während die von der Pest verschonten bleich und abgemagert, vom Elend zusammengekauert in peinlicher Furcht noch immer in verschlossenen Stuben saßen, erscholl eines Tages auf einmal fröhliche Musik in den Straßen. Alles eilte an die schon lange nicht mehr geöffneten Fenster und siehe da, die Schäffler zogen in aufgeputzten Scharen nach dem Marktplatze, wo sie mit grünbelaubten Reifen einen Rundtanz aufführten und die ,Gretl mit der Butten' - an deren Stelle später die ,Hanswursten' traten - ergötzte Alt und Jung mit ihren Späßen. Alles strömte aus den halb ausgestorbenen Häusern dem Zuge nach und lachte herzlich."

Der Schäfflertanz ist also durchaus eine weltliche Angelegenheit, im Gegensatz etwa zum Passionsspiel von Oberammergau, das auf einem Pestgelübde beruht. Warum die Schäffler alle sieben Jahre tanzen, ist nicht ganz klar, mögliche Erklärungen gibt es auf schäfflertanz.com. Der Rhythmus wurde aber immer wieder mal durchbrochen, so etwa bei den Olympischen Spielen 1972, als die Schäffler bei der Eröffnungsfeier tanzten. Wilhelm Schmid, der Vereinsvorsitzende, hat jetzt nur noch eine Sorge: Die traditionellen Kostüme sind eigentlich für die Faschingszeit gemacht, also für den Winter. Dieses Jahr aber wird im Frühsommer getanzt. "Hoffentlich wird's im Mai nicht zu warm", sagt Schmid.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusFotoalbum David Garrett
:"Manchmal wusste ich nicht mehr, wo ich war"

Der erfolgreiche Geiger zeigt sehr persönliche Fotos und erzählt, wie es war, nie mit auf Klassenfahrt zu dürfen, vom Stress völlig erschöpft zu sein - und wer ihm unerwartet zu einer Stradivari verhalf.

Protokolle von: Christine Mortag

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: