Einzelhandel:"Es war die schlimmste Zeit, seit es unser Geschäft gibt"

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Das Ruffinihaus erstrahlt in neuem Glanz, doch die Läden haben Probleme. (Foto: Florian Peljak)

Während der Sanierung des Ruffinihauses mussten die Händler ausziehen, als sie endlich zurückkehren durften, kam die Corona-Krise. Nach extrem schwierigen Jahren hoffen die Inhaber nun endlich auf bessere Geschäfte.

Von Christian Rost

Manche sind schon seit Jahrzehnten hier, das Fotogeschäft Kellner sogar seit bald 80 Jahren. Und doch fühlt es sich an wie ein Neuanfang - der momentan allerdings nicht die besten Perspektiven bietet. Die Betreiber der 14 Läden, die während der Sanierung des Ruffinihauses am Rindermarkt ausziehen mussten, kehren an ihren angestammten Platz zurück oder haben schon wieder geöffnet. In den kommenden Wochen sollen die letzten Arbeiten im Obergeschoss erledigt werden, dann verschwinden auch die Baucontainer und das Gerüst an der Ostseite des Gebäudes.

Maler bringen gerade an der Fassade die Namen der Geschäfte an, wo sich vormals das Antiquariat und der Tabak- und Zeitschriftenladen befanden. Von Ende August an wird sich das Ruffinihaus rundum frisch renoviert präsentieren, und die Läden mit ihrem typischen Flair werden wieder zum Blickfang für die Kunden. Das hofft jedenfalls Michael Riedl von Herrenbekleidung Hillenbrand. "Du wirst schnell vergessen", sagt der Verkäufer ein wenig resigniert mit Blick auf die vergangenen Monate, die nicht nur wegen Corona den Händlern im Haus in Erinnerung bleiben werden. Christina Hofmann, Inhaberin von Foto Kellner, kann das nur bestätigen: "Es war die schlimmste Zeit, seit es unser Geschäft gibt."

Christina Hofmann und Astrid Achtzehn von Foto Kellner. (Foto: Florian Peljak)

Eigentümerin des Gebäudes ist die Stadt, geplant hat es Gabriel von Seidl. Es wurde von 1903 bis 1905 nach den Plänen des Architekten errichtet und gehört zu einer Gruppe von drei Häusern, die nach dem Salzkaufmann Johann Baptista Ruffini benannt sind. Seit jeher sind im Ruffinihaus kleine Handwerker und Geschäfte untergebracht, die Stadt verlangt - und das ist das Besondere - trotz der exorbitant guten Lage zwischen Sendlinger Straße und Marienplatz nur moderate Mieten und Pachten. Schon deshalb kehren von den 14 Läden, die vorübergehend ausquartiert werden mussten und teils am Jakobsplatz oder anderswo untergebracht waren, fast alle wieder zurück. Nur der Juwelier Opel hat die Rückkehroption nicht gezogen, und der antiquarische Buchladen Shakespeare & Co wird von einem neuen Betreiber übernommen.

Durch die Bauarbeiten, die fast 35 Millionen Euro kosteten, sind zusätzliche Gewerbeflächen in dem Komplex entstanden, acht weitere Mieter können einziehen. Im Obergeschoss sind auch künftig Büros der Stadtverwaltung untergebracht. Ein Laden bleibt Kulturellem vorbehalten. Als Pop-up-Store wird er in Kooperation mit dem Kompetenzteam Kultur- und Kreativwirtschaft bespielt und vielleicht für einen kleinen Impuls sorgen, den die Ruffini-Händler momentan so dringend brauchen.

Modeverkäufer Riedl liebt seinen Arbeitsplatz direkt an der Ecke zum Rindermarkt, der mittags bei Sonnenschein als Pausenhof für die Angestellten aus den umliegenden Büros dient. Trotz seiner 64 Jahre denkt er längst nicht ans Aufhören. Wobei die vergangenen 20 Monate schon hart gewesen seien, wie er einräumt. Das Ausweichquartier im Rosental war "blöd gelegen", etwas versteckt und im Dunst der vorbeifahrenden Linienbusse. Nur die Stammkunden verirrten sich dorthin, die Laufkundschaft, geschweige denn konsumfreudige Touristen, die sich als Souvenir einen Trachtenjanker mit nach Hause nehmen, blieben aus. "Es lief nicht besonders gut", sagt Riedl. Als dann Ende 2019 der Umzug zurück ins Ruffinhaus anstand, erfüllte sich zunächst die Hoffnung auf Besserung, das Geschäft zog wieder an. Doch dann kam mit Corona der Lockdown - und von dem Virusschock hat sich der Handel noch längst nicht erholt.

Michael Riedl von Herrenbekleidung Hillenbrand. (Foto: Florian Peljak)

Auch Christina Hofmann erging es nicht besser. Sie versuchte mit noch zwei von zuvor vier Angestellten während der zweijährigen Renovierungszeit im Ersatzgeschäft am Jakobsplatz über die Runden zu kommen. "Ich war zunächst froh, dass wir überhaupt einen Laden dort bekommen haben. Aber dann war es ganz fad", wie Hofmann es beschreibt. Leute, die ein Passfoto brauchten, kamen vorbei, aber auf den Postkarten und Mitbringseln, die sich normalerweise gut verkaufen, blieb sie sitzen. "20 Prozent vom Umsatz im Ruffinihaus" habe sie gemacht, sagt die Geschäftsfrau. "Es wäre besser gewesen, wir hätten in dieser Zeit gleich ganz zugesperrt." Zurück am angestammten Platz läuft es, seit die Angst vor Corona umgeht, nicht viel besser. Auch Hofmann vermisst die Touristen, und dass das Oktoberfest in diesem Jahr ausfällt, sei wirtschaftlich "eine Katastrophe".

Wie andere Händler im Ruffinhaus auch, bemühte sich Christina Hofmann um staatliche Unterstützung in der Krise. Der Zuschuss blieb ihr verwehrt. Ein Kriterium für die Soforthilfe des Bundes ist, dass der Umsatz eines Gewerbetreibenden in den Monaten April und Mai 2020 um mindestens 60 Prozent im Vergleich zu den Vorjahresmonaten eingebrochen sein muss. Wolfgang Fischer von der Münchner Händlervereinigung City-Partner sagt dazu: "Wegen dieser Vorgabe bleiben alle kleinen und mittleren Unternehmen, die bereits 2019 unverschuldet erhebliche Umsatzrückgänge verzeichnen mussten, außen vor."

Die inhabergeführten Geschäfte aus dem Ruffinihaus hätten in ihren Ausweichquartieren, zum Beispiel an der Nordseite des Stadtmuseums, schon 2019 Umsatzrückgänge von bis zu 80 Prozent verkraften müssen, so Fischer. Er fordert deshalb, die Richtlinien für die Corona-Hilfen umgehend nachzubessern und Härtefälle zu berücksichtigen. Christina Hofmann hat deshalb zwei Mal an die Stadt geschrieben, die die Soforthilfe-Anträge bearbeitet, und um Verständnis für ihre Situation geworben. Aus dem Büro von Oberbürgermeister Dieter Reiter erhielt sie die Antwort, dass dies doch nicht sein könne und man volles Verständnis für ihr Problem habe. "Man hat mich sogar ermuntert, den Antrag nochmals zu stellen", so Hofmann. Das tat sie auch - und hat seitdem nichts mehr von der Sache gehört.

Gennaro Sabino von der Segafredo-Bar. (Foto: Florian Peljak)

Um die Ecke, im Café im Ruffinihaus, zieht derweil das Geschäft langsam wieder an. Noch stehen die Baucontainer direkt neben der Freifläche mit den kleinen Tischen und versperren den Blick Richtung Marienplatz. In der Sanierungsphase hatte das Segafredo komplett geschlossen. Personalleiter Luca Gazzo verbrachte die Zwangspause in seiner Heimatstadt Verona. Er ist froh, wieder hier zu sein, seit 17 Jahren kennt man ihn als einen der Baristi an der Theke. Während des Gesprächs mit Gazzo sind nur wenige Plätze mit Gästen besetzt. Auch im Café ist zu spüren, dass die Normalität noch auf sich warten lässt. Der Umsatz sei um die Hälfte eingebrochen im Vergleich zur Zeit vor der Sanierung, sagt der Italiener. Wann es besser werde, wann Corona verschwinde, lasse sich nicht sagen. Aber, gibt er sich optimistisch, "die Baustelle neben uns wird Ende des Monats nicht mehr da sein". Das ist in solch schwierigen Zeiten doch immerhin ein Lichtblick.

© SZ vom 10.08.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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