Wer den Namen "Dallmayr" hört, denkt an Kaffee. Das dürfte vor allem außerhalb von München so sein, fern vom gleichnamigen Delikatessengeschäft in der Dienerstraße im Herzen der Stadt. Tatsächlich ist das Geschäft mit den gerösteten Bohnen heute ein Hauptstandbein von Dallmayr. Mittlerweile gehören zum Geschäft aber auch ein Restaurant, ein Cateringservice und der Betrieb von Kaffee- und Snackautomaten auf der ganzen Welt.
Ganz anders war das im Jahr 1900. Damals bestand das das heutige Imperium Dallmayr nur aus dem Geschäft, das damals schon an der Stelle stand, an der es heute noch zu finden ist.
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Zu kaufen gab es "Colonialwaren, Thee und Cigaretten" sowie "Delikatessen, Weine und Spirituosen". Das beschreibt Lisa Graf in ihrem historischen Roman "Dallmayr - Der Traum vom schönen Leben". Im Zentrum des Buchs: Therese Randlkofer, die den Laden nach dem Tod ihres Mannes leitet. Als Frau - zu damaligen Zeiten war das eine Sensation. Und es war die Inspiration für Grafs Buch.
"Ich habe mich gefragt: Was ist das für eine Frau, wie hat die das geschafft?", erzählt die Autorin. Sie begann zu recherchieren: Vier Monate lang durchforstete sie Bibliotheken und das Stadtarchiv, fündig wurde sie in Büchern, alten Tagebüchern, Fotos, Bewerbungsunterlagen und in einer Familienchronik.
Daraus entspann sie die Geschichte, die ihren Weg auch in die Spiegel-Bestsellerliste fand. Es geht darin um feinsten Parmaschinken, um Kapern in Buttersoße, um Pralinen, deren Kakao und Nüsse man "in der Nase, auf den Lippen, der Zunge und überall gleichzeitig roch, schmeckte und sie sogar auf der Haut spürte (...)".
Auch die kleinen und großen Dramen der Familie Randlkofer finden Platz im Buch. Ein uneheliches Kind etwa, oder ein Schwager, der so gar nicht damit klar kommt, dass Randlkofer statt ihm sich selbst an die Spitze des florierenden Unternehmens gesetzt hat. Beim Lesen taucht man ein in das München rund um das Jahr 1900, in der Pferdekutschen über die Maximiliansstraße fahren, Frauen weite Kleider tragen und Männer Zylinder und in der eine Zugfahrt in die Oberpfalz einer halben Weltreise gleicht.
Die historischen Eckdaten stimmen dabei. Alois Dallmayr, Namensgeber des Geschäfts, hat 1895 tatsächlich an die Familie Randlkofer verkauft, die Witwe Therese übernommen. Aber nicht alles, was Graf schildert, entspricht der Realität. "Viele Personen sind vollkommen fiktiv", sagt Graf: Eine Geschichte müsse schließlich an den Figuren darin erzählt werden. Ihr sei klar gewesen, dass in dem Roman junge Leute vorkommen müssen und nicht nur Menschen aus der bürgerlichen Schicht.
Und obwohl sich mancher Abschnitt so liest, dass man am liebsten direkt in den Laden eilen und ein paar Köstlichkeiten kaufen würde, hat Dallmayr das Buch nicht in Auftrag gegeben und Graf keinerlei Werbedeal unterzeichnet. Man habe die Firma von Anfang an über das Buch informiert und auch eine gemeinsame Marketingkampagne vorgeschlagen, erzählt sie - aber Dallmayr habe kein Interesse gehabt.
Sie selbst will mit dem Buch auch die Möglichkeiten aufzeigen, die junge Frauen damals ergreifen konnten, außer jung zu heiraten und einen Haushalt zu führen - "wenige, aber ein paar waren es doch". Fasziniert sei sie von der Entwicklung des Geschäfts, das immer einen Schritt voraus gewesen sei: So plante Randlkofer, den Laden zu erweitern, ein Schritt in Richtung Kaufhäuser, wo man sich auf einer großen Verkaufsfläche inspirieren lassen könne. Die Schwierigkeit beim Schreiben? "Nicht zu dozieren", sagt die Autorin, obwohl man so viele Einzelheiten wisse.
Den nächsten Roman hat Graf derweil schon in petto. Der handelt davon, wie es dem traditionellen Feinkostgeschäft zu Beginn des 20. Jahrhunderts ergeht: erst großer Glanz, dann der Erste Weltkrieg, der für den Laden fast den Ruin bedeutet hätte, so viel verrät Graf. Der dritte Band soll dann mit der kompletten Zerstörung des Hauses im Jahr 1945 enden. "Darin kann man einiges an Münchner Zeitgeschichte verweben - das gehört dazu", sagt die Autorin.
Lisa Graf: "Dallmayr - Der Traum vom schönen Leben", Penguin-Verlag, 2021, 640 Seiten, 15 Euro.