Restaurant 1804:Feines aus dem Englischen Garten

Lesezeit: 3 min

Im 1804 wird auf Sterne-Niveau gekocht, etwa das Kalbsbries mit Lauch und Apfel. (Foto: Robert Haas)

Das Restaurant 1804 in der Hirschau überzeugt mit regionaler Küche auf hohem Niveau. Viele Zutaten bauen die Wirte sogar selbst an.

Von Pep Rooney

In der Hirschau, die die Wirtsfamilie Hagn-Spendler 2013 übernommen hat, sind vergangenen Herbst neue Zeiten angebrochen. Spanferkelhaxen und Leberkäs gibt es in dem Restaurant nicht mehr, nur noch im Biergarten. Die neuen Betreiber sind nun Lukas Spendler, Sohn von Wiesnwirtin Stephanie Spendler und Enkel von Alt-Wiesnwirt Wiggerl Hagn, und sein Spezl Daniel Egger. Als Küchenchef haben sie Lukas Adebahr gewinnen können. Der hat schon im Tantris, im Werneckhof und im Restaurant Herzog gearbeitet. Seine Erfahrung als Gourmet-Koch setzt er nun zusammen mit Sous-Chef Carsten Meyer, der unter anderem bei Bobby Bräuer im Esszimmer der BMW-Welt gearbeitet hat, auch konsequent im 1804 um.

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Das Restaurant heißt übrigens so, weil der Name Hirschau seit 1804 auf den Stadtkarten eingetragen ist. Mit der Namensgebung schlagen die neuen Wirte also den Bogen zur Vergangenheit, während die Küche sich topmodern und auf Sterneniveau präsentiert. Ebenfalls eine Reminiszenz sind die Familienbilder, die an den Wänden des stylisch umgestalteten, aber trotzdem gemütlichen Gastraumes hängen. Die Terrasse draußen ist mit Oliven- und Zitronenbäumchen eher mediterran gestaltet, die gepolsterten Bänke vermitteln eine Lounge-Atmosphäre mitten im Englischen Garten.

Der Innenraum des Restaurants ist stylisch umgestaltet, aber gemütlich. (Foto: Robert Haas)

Das Konzept der Küche nennt sich "Farm to Table". Der Begriff steht für saisonale, frische und regionale Zutaten, einiges kommt im 1804 sogar direkt aus dem eigenen Garten in der Hirschau. Und bei unseren Besuchen schmeckte man diese Frische den Zutaten auch an.

Man kann im 1804 entweder à la carte bestellen oder der Einfachheit respektive des Genusses halber das Sieben-Gänge-Menü zu 155 Euro ordern - was bei uns der Fall war. Für Vegetarier haben die Wirte fünf fleischfreie Gänge zu 95 Euro auf die Karte gesetzt.

Wie in den meisten Gourmet-Lokalen ist die Speisekarte im Telegrammstil gehalten. Da steht dann nur Seeforelle, Erbse und grüner Chili (Einzelpreis 27 Euro), statt "Forellenfilet mit Nori-Crunch an Minzvinaigrette und kunstvolle Variationen aus Erbsen samt Buchenpilz", oder so ähnlich. Küchen wie diese halten sich bewusst die Option offen, die Kombination der einzelnen Zutaten zu variieren. Dass man wie so oft bei den Erklärungen des Personals nicht richtig mitkommt, spielt bei aller Köstlichkeit keine Rolle. Der zweite Gang, eine Tomatenvariation mit Saiblingskaviar, Blüten, einem Tupfer Zabaione und einem erfrischenden Sud (18) an Pumpernickelerde (vulgo: in Fett oder Öl gebackene Brotbrösel) passt mit seiner Ausgewogenheit an Schärfe und Säure wunderbar in einen heißen Sommer. Wie köstlich und fein Innereien schmecken können, bewies das Kalbsbries (28) mit Trüffeljus, einer Apfelcreme und - als kulinarischer Gag - einem winzigen Kalbsherz-Chip. Weil Innereien trotzdem nicht jedermanns Sache sind, genoss die Begleitung stattdessen das Frühlingsgemüse (18), das ebenfalls ein kleines Kunstwerk voller Überraschungen war. In der Mitte ein mit Roter Bete überzogenes Eigelb, drumherum ein "Ring" aus frischen und fermentierten Gemüseminiaturen und Ziegenkäsewürfelchen.

Auch an Vegetarier wird gedacht, zum Beispiel gibt es dieses Frühlingsgemüse mit Eigelb und Ziegenkäse. (Foto: Robert Haas)

Nach einer längeren Wartezeit, während der wir locker auf eine Mass in den benachbarten Biergarten gehen oder ein Verdauungsschläfchen hätten halten können, kam dann ein Stück zartes Wammerl (23), angerichtet mit Mini-Pfifferlingen und Sellerie-Variationen, verfeinert mit Liebstöckel. Die konfierte und sehr saftige Gockelbrust (36) kam mit einem würzigen Hendljus, kleinen Kartöffelchen, Spitzkohl, ein paar Tupferchen Spitzpaprika und essbaren Blüten: köstlich. Der "Maibock" (42) - kurzgebratener Rehrücken - mit Mairübe - ein Gedicht, der Clou: ein winziges Stückchen geschmorte Rehschulter, aus der vermutlich auch die Soße hergestellt war. Überhaupt die Soßen: Kräftig, perfekt abgeschmeckt, besser geht's eigentlich nicht.

Auch die Desserts, einmal fermentierte Heidelbeeren mit Lorbeereis, Lorbeeröl und Joghurt-Schaum (14) und die Erdbeer-Nachspeis mit Erdbeer-Sorbet, Erdbeer-Spiegel, Pistazien-Eis und und einem Vanille-Kringel (15) überzeugten restlos.

Was die Küche ihren Gästen bietet, ist so aufwendig, abwechslungsreich und liebevoll zubereitet, dass sie ihren Preis wert ist. Aus der mit dem Sachverstand kundiger Sommeliers zusammengestellten Weinkarte wählten wir als Begleiter einen 2018er Chardonnay aus der Bourgogne von Guy Amiot et Fils (70) - ein junger, cremiger Tropfen, der im Prinzip zu allen Gängen passte.

Der Service ist charmant und kompetent, nur die Wartezeiten zwischen den Gängen sind manchmal recht lang. (Foto: Robert Haas)

Der Service war kompetent und überaus charmant. Wenn man am 1804 überhaupt etwas auszusetzen hat, dann war es bei unserem zweiten Besuch die lange Wartezeit zwischen den Gängen, die durchschnittlich fast eine halbe Stunde betrug. Dazu kommt auf der Terrasse die Dauerberieselung mit Fahrstuhl-Pop, die es eigentlich überhaupt nicht braucht. Sei's drum: Das Restaurant-Team schlägt ein neues, spannendes Kapitel in der Münchner Gastronomie auf, das wir uns bei Gelegenheit gerne wieder gönnen.

1804 , Adresse: Gyßlingstraße 15, 80805 München, Öffnungszeiten: Mittwoch bis Samstag 18 bis 0 Uhr, Telefon: 089/36090490 , info@die-hirschau.de

Die SZ-Kostprobe

Die Restaurant-Kritik "Kostprobe" der Süddeutschen Zeitung hat eine lange Tradition: Seit 1975 erscheint sie wöchentlich im Lokalteil, seit einigen Jahren auch Online und mit einer Bewertungsskala. Etwa ein Dutzend kulinarisch bewanderter Redakteurinnen und Redakteure aus sämtlichen Ressorts - von München, Wissen bis zur Politik - schreiben im Wechsel über die Gastronomie in der Stadt. Die Auswahl ist unendlich, die bayerische Wirtschaft kommt genauso dran wie das griechische Fischlokal, die amerikanische Fastfood-Kette, der besondere Bratwurststand oder das mit Sternen dekorierte Gourmetlokal. Das Besondere an der SZ-Kostprobe: Die Autorinnen und Autoren schreiben unter Pseudonym, oft ist dies kulinarisch angehaucht. Sie gehen unerkannt etwa zwei- bis dreimal in das zu testende Lokal, je nachdem wie lange das von der Redaktion vorgegebene Budget reicht. Eiserne Grundregeln: hundert Tage Schonfrist, bis sich die Küche eines neuen Lokals eingearbeitet hat. Und: Nie bei der Arbeit als Restaurantkritiker erwischen lassen - um unbefangen Speis und Trank, Service und Atmosphäre beschreiben zu können.

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