Kommentar zur Radspur an der Brudermühlstraße:Längst überfällig

Früher hat sich München zur Radl-Hauptstadt erklärt. Doch die Defizite im Streckennetz sind nach wie vor erstaunlich

Von Thomas Kronewiter

Es mag nur ein kleiner Abschnitt auf einer für Autos wie für Radfahrer gleichermaßen wichtigen Verkehrsachse sein. Gleichwohl ist der Radweg am Mittleren Ring nach der Tunnelausfahrt Brudermühlstraße in doppelter Hinsicht ein problematisches Nadelöhr: zum einen für den gewünschten Ausbau des Radverkehrsnetzes, das seine Netz-Qualität nur erreichen kann, wenn keine Lücken offen gelassen werden. Zum anderen buchstäblich, wenn man selbst dort radelt und erfährt, wie eng und problematisch es sein kann, links einen schweren Lastwagen und rechts eine turmhohe Betonmauer zu haben. Da reicht ein Verreißen des Lenkers oder ein plötzliches Ausweichen eines PS-starken Fahrzeugs, dass es tatsächlich zum Unfall kommt.

Insofern ist der Vorstoß aus Sendling, diese Gefahrensituation zu entschärfen, so überfällig wie zielführend. Die ansässigen Lokalpolitiker machen von ihrer Ortskenntnis und den in der Gemeindeordnung vorgesehenen Mitwirkungsrechten zu Recht Gebrauch. Wundern muss man sich nur, dass die auf den Radwege-Ausbau längst fokussierte Stadtgesellschaft das Problem in diesem Abschnitt des Mittleren Rings nicht längst erkannt und beseitigt hat.

Insofern darf man sich von der im April vom Stadtrat beschlossenen Integration der Meldeplattform Radverkehr in den MVV-Radroutenplaner noch einiges an Hinweisen erwarten, waren doch schon bislang verwaltungsübergreifend jährlich bis zu 750 Meldungen pro Jahr aus der Bürgerschaft zu bearbeiten. Mag sich München auch selbst längst zur Radl-Hauptstadt erklärt haben, so zeigt die tägliche Praxis, welche Defizite nach wie vor bestehen. Dabei verlaufen die Konfliktlinien keineswegs eindimensional zwischen Auto- und Radfahrern bloß im Kampf um den knappen öffentlichen Raum - sondern zwischen allen Verkehrsteilnehmern.

© SZ vom 17.06.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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Radspur an der Brudermühlstraße
:Ohne Ausweg

Nur 1,60 Meter breit, links der brausende Verkehr, rechts eine hohe Betonwand: Die Radspur am Mittleren Ring an der Tunnelausfahrt Brudermühlstraße ist gefährlich. Viertelpolitiker dringen auf eine Alternativroute

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