Prozess:Eine Tat, drei Versionen

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Ein 40-jähriger Mann ist wegen versuchten Totschlags angeklagt, aus Eifersucht soll er seinen Rivalen bewusstlos geprügelt haben. Der Tatverdächtige aber sagt, er habe rein gar nichts getan.

Von Susi Wimmer

Hakan T. ist aufgesprungen und turnt vor der Richterbank umher. Er simuliert Faustschläge in die Luft, Tritte, ruft dazu "bäm, bäm", geht zu Boden und versichert am Ende, er habe an jenem Abend selbst rein gar nichts getan, nur zwei Watschn verteilt, "das weiß ich und Gott". Die Staatsanwaltschaft allerdings meint, nach ihren Ermittlungen etwas ganz anderes zu wissen: Hakan T. soll aus Eifersucht den neuen Mann seiner Ex-Freundin so niedergeprügelt- und getreten haben, dass dieser bewusstlos wurde und Krampfanfälle erlitt.

Vor der zweiten Schwurgerichtskammer am Landgericht München I ist der 40 Jahre alte Hakan T. angeklagt wegen versuchten Totschlags. Neben ihm sitzt Nicolae L., wie T. in der Gastronomie tätig. Sie sollen beide in der Nacht auf den 18. Mai 2019 am Sendlinger Tor auf den Rivalen von T. sowie dessen Begleiter eingeprügelt haben. Damals waren die beiden Männer noch befreundet - das dürfte sich nach ihren Aussagen vor Gericht wohl erledigt haben. Denn sie schieben sich gegenseitig die Schuld in die Turnschuhe, erzählen unterschiedliche Versionen vom Tatabend, die aber wiederum beide nichts mit der Anklageschrift von Staatsanwältin Melanie Moorloher zu tun haben.

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Die Staatsanwaltschaft kommt zu dem Schluss, dass Hakan T. und Nicolae L. nachts um drei Uhr zufällig am U-Bahnabgang Sendlinger Tor auf Jana G., die Ex-Freundin von T., trafen, die mit einem neuen Mann, Matthias P., und dessen Kumpel Max L. ( Namen geändert) unterwegs war. Die Freunde sollen sofort mit Fäusten auf Matthias P. eingeschlagen haben, bis dieser zu Boden ging. Dann sollen sie ihn mit Fußtritten gegen den Oberkörper und den Kopf verletzt haben. Als Max L. seinem Freund zu Hilfe kommen wollte, soll es ihm nicht besser ergangen sein: Auch er wurde niedergeschlagen und zumindest einmal getreten. Matthias P. konnte sich aufrichten, in Richtung Hauptfeuerwache davonlaufen und gleichzeitig den Notruf wählen. Hakan T. soll ihm gefolgt sein. Währenddessen sprangen Max L. und Jana G. in ein Taxi und wollten dem flüchtenden Freund nachfahren.

Vor dem "Hotel am Sendlinger Tor" am Oberanger soll das Taxi Hakan T. eingeholt haben. Laut Anklage riss er die Tür des Wagens auf und schlug Jana G. mehrfach mit der flachen Hand ins Gesicht, bis sie ihn wegtreten und die Tür schließen konnte. Wenige Minuten später soll Hakan T. seinen Rivalen eingeholt haben. Am Roßmarkt war Matthias P. wohl infolge der vorangegangenen Attacke zusammengebrochen. Hakan T. soll dem am Boden Liegenden erneut zwei wuchtige Tritte gegen den Kopf versetzt haben. "Er nahm den Tod des Geschädigten zumindest billigend in Kauf", formuliert es die Staatsanwaltschaft. Zwei mittlerweile eingetroffene Streifenbeamte konnten Hakan T. wegziehen und von weiteren Tritten abhalten.

"Ich hatte Liebeskummer, Schmerzen", jammert Hakan T. immer wieder, bis Richter Norbert Riedmann murrt: "Ja, des wiss' ma jetzt schon." Noch am Morgen seien er und seine Freundin aus dem Bett aufgestanden; sie sagte, dass sie sich trennen wolle. "Aber das hat sie schon öfter gesagt", meint Hakan T. Im Laufe des Tages sei aber dann noch eine SMS gekommen, dass Jana G. nun ihre Sachen aus der Wohnung geholt habe. In seinem Schmerz habe er sich gegen Mitternacht mit Nicolae L. am Fischbrunnen verabredet, dort, wo sich nach Dienstschluss viele Kellner und Gastrobeschäftigte treffen würden. Anschließend ging es in ein Lokal am Sendlinger Tor. Gegen drei Uhr dann das Zusammentreffen.

Matthias P. sei zuerst auf Nicolae L. losgegangen, er, Hakan T., habe nur schlichten wollen. Dann habe er Matthias P. festgehalten - und sein Freund Nicolae L. habe zugeschlagen. Matthias P. sei dann weggerannt, "mit 25 bis 30 Stundenkilometern, das hab ich ganz genau gesehen". Er habe seine Ex-Freundin im Taxi nie geohrfeigt. Und als er zum Roßmarkt kam, habe er helfen wollen und mit der Schuhspitze den am Boden liegenden Matthias P. angestupst und "steh auf, steh auf" gerufen. "Wenn ich einen töten will", sagt der Angeklagte, "ich war beim Militär."

Die Version von Nicolae L. klingt anders: "Ich habe niemanden geschlagen", behauptet er. Hakan T. habe mit der Gruppe um seine Ex gestritten, es habe eine Schubserei gegeben. Er sei nach zwei Faustschlägen gestürzt, habe einen Tritt in die Rippen bekommen und sei dann mit dem Taxi nach Hause gefahren. "Bruder", ruft Haken T. laut, "wie ist es passiert, sag es!" Vielleicht können die Geschädigten und die Zeugen am Freitag mehr dazu sagen, wie es wirklich passiert ist.

© SZ vom 24.07.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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