Prozess in München:"Wenn er sich bewegt hätte, hätte ich abgedrückt"

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Ein 45-Jähriger bedrohte nachts in einem Fürstenrieder Park zwei Polizisten mit einer Schreckschusswaffe. Nun muss ein Gericht entscheiden, ob er in eine Psychiatrie muss.

Von Susi Wimmer

Cornelia P. hatte den Finger bereits am Abzug, die Waffe auf den Mann gerichtet, der ihr gegenüberstand und ebenfalls mit einer Pistole auf sie zielte. "Es gibt viele Kollegen, die da sofort abdrücken", erzählt die Polizistin. Aber ihr Bauchgefühl sagte: "Nein, der wird nicht schießen." Dieser Intuition verdankt Robert L. sein Leben. Er hatte im Juli vergangenen Jahres nachts in einem Park in Fürstenried zwei Polizisten mit einer Schreckschusswaffe bedroht. Nun muss er sich vor dem Landgericht München I verantworten. Die Staatsanwaltschaft fordert die Unterbringung in einer Psychiatrie, weil sie den 45-Jährigen für gemeingefährlich hält.

Was Robert L. am Abend des 3. Juli mit der Waffe bezweckte, blieb am ersten Verhandlungstag unklar. Der gebürtige Pole wirkt zurückgenommen, spricht so leise, dass ihn die Dolmetscherin durch die Plastiktrennscheibe hindurch kaum versteht. Er leidet seit geraumer Zeit unter psychischen Problemen, muss Medikamente einnehmen, ist schon einmal wegen eines Gewaltdeliktes verurteilt worden und lebt in einem Wohnheim für Obdachlose.

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An besagtem Abend habe er etwa sechs Bier getrunken und drei Milligramm Lorazepam eingenommen, ein Medikament, das beruhigen und Ängste lösen soll. Aber die Panikattacken, sagt L. vor Gericht, seien so extrem gewesen, dass er die 110 gewählt habe. Er wollte, "dass ein Notarzt kommt". Er sei aus seinem Zimmer hinaus in einen benachbarten Park gerannt, im Holster eine Schreckschusswaffe, die er zuvor funktionsuntüchtig gemacht habe. Damit habe er die Polizisten bedroht, damit sie "aggressiv reagieren und mich im Krankenwagen mitnehmen".

Als die beiden Uniformierten an der Scherzerstraße eintrafen, hatten sie allerdings von ihrer Einsatzzentrale eine andere Information erhalten: Dass L. angekündigt habe, sich zu erschießen, oder sich erschießen zu lassen, wenn die Polizei komme. Auch der Beamtin und ihrem Kollegen sagte er, dass er nicht mehr leben wolle. L. habe auf einer Parkbank gesessen, man habe ihm gesagt, er solle die Hände auf die Oberschenkel legen.

"Dann stand er auf, griff nach rechts, ich sah ein Holster, er zog eine Pistole", erzählt Polizistin Cornelia P. Sie sei sofort zurückgewichen und habe ihre Dienstwaffe gezogen. In dem Park sei es dunkel gewesen, nur schwaches Licht von einer Straßenlaterne in der Ferne. Ob die Pistole echt war, sei nicht erkennbar gewesen. L. habe eher apathisch gewirkt, sagt die Polizistin. "Wenn er sich bewegt hätte, hätte ich abgedrückt." So aber konnte ihr Kollege dem Mann die Waffe entreißen. Anschließend brachte sie ihn zu Boden. "Er fiel mit dem Gesicht voran auf den Schotterboden, ohne sich abzufangen."

"Er wollte sich töten lassen", sagt kurz darauf ein Kripo-Beamter, dem Robert L. "als Risikoproband zugewiesen" worden war. Der Polizist überprüfte seit 2017, ob L. sich an die gerichtlichen Auflagen hält, beispielsweise sich von Alkohol und Drogen fernhält. Dass L. "so extrem akute Probleme" habe, sei ihm nicht bewusst gewesen. Als er L. nach dem Vorfall in der Psychiatrie besuchte, habe er ihm seine Absicht gestanden. Christina Keil, die Anwältin von Robert L., will erreichen, dass der Antrag auf Unterbringung in einer Psychiatrie zur Bewährung ausgesetzt wird. Das wird die neunte Kammer am Donnerstag entscheiden.

© SZ vom 21.07.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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