Prozess in München:Strapazen einer Reise

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Statt tagsüber landete das Paar erst nachts in Marsa Alam. (Foto: Mauritius Images)

Weil das Flugzeug nach Ägypten rund elf Stunden verspätet startete, fordert ein Ehepaar Schadenersatz in Höhe von 800 Euro. Das Gericht lehnt die Klage ab.

Von Andreas Salch

Zugegeben, es gibt bestimmt attraktivere Abflugzeiten für Urlaubsflieger: Statt wie geplant um 13.30 Uhr, konnte ein Ehepaar aus Nürnberg, das bei einem Münchner Reiseveranstalter eine 15-tägige Pauschalreise in den ägyptischen Ferienort Marsa Alam am Roten Meer gebucht hatte, am 2. Oktober 2018 erst um 22.15 Uhr in den Urlaub starten - und erst tags darauf, morgens um 6 Uhr, endlich im Hotel einchecken. Weil die Fluggesellschaft, die ursprünglich für den Flug vorgesehen war, gut zwei Wochen vor dem Abreisetermin des Ehepaars pleite gegangen war, musste eine andere Airline einspringen. Für die zu erwartenden Unannehmlichkeiten hatte der Reiseveranstalter den Eheleuten 100 Euro überwiesen. Doch damit wollte sich der Mann nicht zufrieden geben und verklagte das Unternehmen in einem Zivilverfahren vor dem Amtsgericht München auf Schadenersatz in Höhe von 800 Euro.

Die strapaziöse Anreise habe bei seiner Frau zudem zu einem Kreislaufversagen geführt, sodass sich der Hotelarzt drei Tage lang um sie habe kümmern müssen, behauptete der Ehemann vor Gericht. Dem Reiseveranstalter warf er vor, dieser habe eine Fluglinie ausgewählt, "die sich bekanntermaßen bereits in Schwierigkeiten befunden" habe.

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Das wiederum wollte das Reiseunternehmen so nicht hinnehmen und verwies darauf, dass es für die Insolvenz der Fluggesellschaft nicht einzustehen habe. Darüber hinaus, so die Beklagte, müsse sie nicht dafür Sorge tragen, "dass Ansprüche aus der Fluggastrechteverordnung gegen die befördernde Fluggesellschaft durchsetzbar" seien. Für die Flugverzögerung haftet zwar der Reiseveranstalter. Jedoch seien, so das beklagte Unternehmen, "die ersten vier Stunden als bloße Unannehmlichkeit im Rahmen des Massentourismus entschädigungslos hinzunehmen". Erst von der "fünften Verzögerungsstunde" an komme eine Minderung in Betracht, im vorliegenden Fall also "allenfalls für sechs Stunden". Dem Kläger stehe somit im Grunde genommen nur ein Betrag in Höhe von 50,16 Euro zu. Dass die Frau des Klägers wegen der strapaziösen Anreise Kreislaufprobleme bekommen habe, sei als "unwahrscheinlich zu bestreiten", so die Beklagte.

Die zuständige Richterin gab dem Münchner Reiseveranstalter recht. Der Minderungsanspruch durch die Flugverschiebung sei durch die vorgerichtliche Regulierung in Höhe von 100 Euro "hinreichend ausgeglichen". Überdies sei "nicht ersichtlich", dass das Unternehmen schon vor der Buchung der Flugreise nach Marsa Alam "Kenntnis von der Insolvenz der Fluggesellschaft" hatte. Abgesehen davon müsse der Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens "nicht zwingend zu einer Einstellung des Flugbetriebes führen".

Und im Hinblick auf die Kreislaufprobleme der Frau des Klägers stellte die Richterin fest, dass der "individuelle Gesundheitszustand des Reisenden" nicht Gegenstand des abgeschlossenen Reisevertrags sei. Das Urteil des Amtsgerichts München (Az. 158 C 23585/20) ist noch nicht rechtskräftig.

© SZ vom 27.04.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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