Kritik:Interessante Rarität

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Kevin John Edusei dirigiert im Prinzregententheater ein spannendes Programm der Münchner Symphoniker.

Von Michael Stallknecht, München

Den Münchner Symphonikern gelingt es immer wieder, klassische Publikumszugpferde sinnvoll mit interessanten Raritäten zu kombinieren. Zu Letzteren darf man sicher das Klavierkonzert von Hermann Levi rechnen, der von 1872 bis 1896 die Münchner Staats-, damals noch Hofoper als Generalmusikdirektor prägte und sich der Musikgeschichte als Uraufführungsdirigent von Wagners "Parsifal" in Bayreuth eingeschrieben hat. Kaum bekannt dagegen ist Levi als Komponist, weil er in einem Akt der Selbstkritik fast alle eigenen Werke vernichtet hat. Darunter auch das mit 20 Jahren geschriebene a-Moll-Klavierkonzert op. 1, das erst 2008 aus den wiedergefundenen Orchesterstimmen rekonstruiert werden konnte.

Dabei lohnt eine Begegnung mit dem Werk noch heute, wie die Symphoniker unter Kevin John Edusei im Prinzregententheater zeigen: Stürmisch mit elegischen Einschüben kommt der Kopfsatz daher, als wunderzartes Traumgebilde der zweite, während der letzte zwischen koboldhaftem Spuken und fast operettenhafter Melodienseligkeit vagiert. Stilistisch müsste man wohl von einer "Spätklassik" sprechen, in der tradierte Harmonik und Anlage sich mit einem romantisch aufwallenden Klavierpart vereinen. Schade darum, dass Bernd Glemser sich sauber, aber allzu handfest durch das anspruchsvolle Passagenwerk buchstabiert. Welchen Klangzauber dieser Pianist entfalten kann, erfährt man so erst bei der Zugabe mit Sergej Rachmaninows Prélude op. 32 Nr. 12.

Dass Edusei das Klavierkonzert mit Johannes Brahms' "Variationen über ein Thema von Joseph Haydn" kombiniert, erscheint nicht nur stimmig, weil Levi und Brahms befreundet waren. Sondern weil Edusei auch dieses Werk ganz aus einem klassizistischen Geist dirigiert und, leicht und zart in der zurückhaltenden Dynamik, mit Einschnitten zwischen den Variationen konzis auf den Punkt bringt. Das gelingt ihm, nach einiger Unentschiedenheit zu Beginn, im zweiten Teil auch bei Béla Bartóks "Konzert für Orchester". Besonders dem zentralen langsamen Satz verleiht Edusei hier große Intensität, ohne das formale Ganze aus dem Blick zu verlieren.

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