Preise der Landeshauptstadt:Die Oscars Münchens

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Moses Wolff (rechts) und Ko Bylanzky haben für ihren bairischen Mundart-Slam "Wer ko, der ko" den "Innovationspreis Volkskultur" erhalten. (Foto: Christian Endt)

Die Stadt vergibt sage und schreibe 82 Preise und Auszeichnungen, gut die Hälfte davon erhalten Kulturschaffende. Viele Gewinner können sich über Geld freuen, manche eher über Aufmerksamkeit - und ungewöhnliche Skulpturen.

Von Thomas Becker

Zu beneiden war Emil Walde nicht. Sein Job: eine Skulptur für einen Preis gestalten, über dessen Gewinner es in der Laudatio heißt:

"Angeregt durch ein in anderem Kontext vorhandenes Format erkannten sie die Chance, durch Verbindung zweier aktueller regionaler Strömungen einen Mehrwert zu schaffen. Im Mundart-Slam bereichern sich die beiden Bewegungen wechselseitig. Es entsteht ein modern-urbaner Raum zur Präsentation und aktiven Anwendung der bairischen Sprache - oder besser Sprachen. In diesem Raum wird das literarische Potenzial des Dialekts sowie die vielseitigen Ausdrucksmöglichkeiten, die er bietet, unmittelbar aufgezeigt."

Na servus, wird sich Metallbildhauer Walde gedacht haben, bevor er sich an die Arbeit machte. Heraus kam ein bierflaschenhoher Glaskubus mit Innenleben, dazu später mehr. Bekommen haben den "Innovationspreis Volkskultur" unlängst Moses Wolff und Ko Bylanzky aus den Händen von Bürgermeisterin Katrin Habenschaden (Grüne) und Kulturreferent Anton Biebl als Vertreter der Stadt, die quer durch sämtliche Referatsbereiche sage und schreibe 82 Preise und Auszeichnungen verleiht. Respekt.

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Die Stadt verleiht allein 44 Preise im Namen der Kultur

Darunter sind ein paar bekannte wie Geschwister-Scholl-, Georg-Elser- oder Dieter-Hildebrandt-Preis, aber auch viele, von denen man eher selten hört. Der Erasmus-Grasser-Preis würdigt die Ausbildung in Betrieben, "Bei Anruf Licht" belohnt Münchner, die defekte Straßenlampen oder Ampeln melden, der Phönix-Preis geht an Münchner Unternehmer mit Migrationshintergrund. Der Anita-Augspurg-Preis soll die Gleichberechtigung von Frauen fördern, "München leuchtet" das Ehrenamt - und einen Übersetzerpreis, dotiert mit 10 000 Euro, gibt es ebenfalls.

"Jeder Preis sucht unerbittlich seinen Träger", hat Gerhard Polt einst gesagt. Und er muss es wissen, hat er doch einen entsprechenden Magneten eingebaut, der ihm zu einigermaßen unfassbaren 37 Auszeichnungen verhalf, darunter so lustig klingende wie den Ybbser Spaßvogel, die Morenhovener Lupe oder den Göttinger Elch, aber natürlich auch ein paar von der Stadt München: 1975 gab's den Kulturförderpreis, fünf Jahre später den Ernst-Hoferichter-Preis, im Jahr darauf die Ludwig-Thoma-Medaille und 2019 den Kulturellen Ehrenpreis der Landeshauptstadt.

Der "Innovationspreis Volkskultur": Der Glaskubus symbolisiere Schutz, die Fäden die Vielfältigkeit der Volkskultur. (Foto: Kulturreferat)

So weit sind Moses Wolff und Ko Bylanzky noch nicht. Beide wurden bereits mit dem Schwabinger Kunstpreis ausgezeichnet, aber auch den Preis für ihren bairischen Mundart-Slam "Wer ko, der ko", den sie seit vier Jahren im Hofspielhaus veranstalten, nehmen sie natürlich gern mit, auch wenn er undotiert ist. "Klar hätten wir uns gerade in diesen Corona-Zeiten gefreut, wenn es dotiert gewesen wäre", sagt Wolff, "aber dafür bekommt man gutes Feedback - und Aufmerksamkeit." Die nächsten Vorstellungen seien "schon wieder ganz gut ausreserviert". Corona-Hilfe aus dem Kulturreferat sozusagen.

Allein 44 Preise werden in München im Namen der Kultur verliehen. Das Direktorium, das direkt dem Oberbürgermeister untersteht, belegt mit zehn Auszeichnungen abgeschlagen Platz zwei, knapp vor den Referaten für Bildung und Sport sowie Stadtplanung und Bauordnung. Das Referat für Arbeit und Wirtschaft verteilt immerhin noch fünf Preise. Das inzwischen aufgeteilte Referat für Gesundheit und Umwelt musste sich bisher mit nur zwei Preisen bescheiden und die auch nur im jährlichen Wechsel.

Aber zurück zur Kultur, dem Platzhirschen im städtischen Preiswesen: Von den 44 Auszeichnungen sind 34 dotiert, davon gibt es 13 jährlich (Kostenpunkt insgesamt 196 000 Euro), elf gibt es alle zwei Jahre (178 000 Euro) und zehn alle drei Jahre (100 000 Euro). Für Bürgermeisterin Habenschaden bildet die regelrechte Flut an Preisen "die Vielfalt der Stadt" ab: "Es sind viele Förderpreise darunter und da ist jeder Künstler sicher froh über 5000 Euro auf dem Konto. Das bedeutet ja auch einen gesicherten Freiraum." Was die Zahl der Auszeichnungen angeht, gebe es zudem eine gewisse Dynamik. "Da werden eher noch weitere Preise hinzukommen", verspricht die Grünen-Politikerin, "und wegkommen tut eh nix."

Der "Innovationspreis Volkskultur" darf nicht mit der "Ehrenmedaille für Verdienste um die Volkskultur" kollidieren

Bis so ein Preis beim Träger ankommt, ist einiges an Arbeit nötig. Bei der Preisverleihung im Hofspielhaus erklären die Germanistin Luzia Huber und der studierte Archäologe Magnus Kaindl das Prozedere am Beispiel des seit 2012 verliehenen "Innovationspreis Volkskultur": Die entsprechende Abteilung des Kulturreferats macht sich Gedanken und schlägt mögliche Preisträger vor, die in diesem Fall nicht mit dem Träger der "Ehrenmedaille für Verdienste um die Volkskultur in München" kollidieren dürfen. Diese Vorschläge werden dann bis Juli im Stadtrat vom Ältestenrat abgesegnet. Eine Jury muss auch noch bestellt werden, sodass von September bis November an der Laudatio und weiteren Textvorlagen für die Lobredner gearbeitet werden kann. Nur gut, dass die Vergabekriterien schon vorab festgezurrt sind: "Ausschlaggebend ist, dass die geehrten Personen oder Gruppen in außergewöhnlich innovativer Weise Traditionen lebendig gestalten und weiterentwickeln und damit auch deutlich machen, wie immaterielle Werte zeitgemäß weitergetragen werden können."

In weiser Voraussicht hat man in der Burgstraße, wo der Bereich Volkskultur des Kulturreferats seinen Sitz hat, auch folgenden Satz formuliert: "Dabei sind es häufig gerade Quereinsteiger der Szene, die kreative Ideen und Konzepte zur Weitergabe kulturellen Brauchtums entwickeln." Auf Moses Wolff und Ko Bylanzky trifft dies vollumfänglich zu. Da die Preisträger Ende November verhindert waren, gab es den Innovationspreis 2021 heuer ausnahmsweise erst 2022 und nicht wie sonst im Alten Rathaus, sondern im Theater. Was natürlich deren Leiterin Christiane Brammer immens freute: So oft hat sie eine Bürgermeisterin samt Kulturreferenten ja auch nicht im Publikum sitzen.

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Dass sich zwei Mann einen Preis teilen müssen, macht den Gewinnern herzlich wenig aus, meint Wolff: "Den nimmt der Ko mit heim, ich kann ihn nach meiner Schulteroperation eh gerade nicht so gut tragen. Es ist ja schon ein Unikat geworden." Wohl wahr: Emil Walde hat sein in Kooperation mit der Städtischen Berufsschule für Metallbau und Technisches Zeichnen entwickeltes Werk "Endoge" genannt, von endogen: "im Inneren erzeugt". In Preisverleihungsprosa klingt das so: "Das ist bezeichnend für eine Verbindung, die Traditionen nicht zerstört, sondern aufgreift und erweitert. Die Verflechtung der traditionellen Stadtfarben mit bunten Farbfäden repräsentiert die Vielfältigkeit der Volkskultur. Der Glaskubus symbolisiert Wertschätzung und Schutz, der das Innenleben jedoch nicht hermetisch vor äußeren Einflüssen verschließt."

Preisträger Wolff fühlt sich von der Farbgebung her eher an das Cover des Pink-Floyd-Albums "The Dark Side of the Moon" erinnert: "So einen Preis zu gestalten, stelle ich mir ja als total lustigen, kreativen Prozess vor." Irgendwann wird man vielleicht erfahren, ob es wirklich so lustig war. Spätestens dann, wenn der heute 30-jährige Emil Walde mal von der Stadt mit einem dieser Kunstpreise geehrt wird und eine schicke Laudatio bekommt.

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