Popkultur in München:"Lasst es uns gemeinsam zum Wachsen bringen"

Lesezeit: 4 min

"Es geht doch darum, das Beste aus der Stadt herauszuholen", sagt Musikerin Diana Goldberg (hier beim Reeperbahnfestival in Hamburg). Sie möchte, dass München eine Pop-Metropole wird. (Foto: Stephan Gaumann)

Die Förderung steigt, doch Bands fühlen sich von der Stadt München immer noch zu wenig wertgeschätzt und wünschen sich eine Vision. Wie sieht es aus, das Zukunftsbild von Pop-München? Der Versuch einer Klärung.

Von Michael Bremmer

Am Ende hatte die Musikerin Diana Goldberg die Visitenkarte einer Politikerin in der Tasche. Und eine Einladung zum Kaffeetrinken. Immerhin. Dabei wären ihr Antworten vermutlich lieber gewesen. Mitte November haben sich im Feierwerk an zwei Tagen bei der Popkonferenz "Listen to Munich" 650 Menschen getroffen, um sich Gedanken über den Musikstandort München zu machen. Menschen aus Politik und Stadtverwaltung, Musikerinnen und Musiker, Veranstalter. Und in einer der vielen Diskussionsrunden hat die Electro-Pop-Musikerin Goldberg zwei wichtige Fragen gestellt: Wie wichtig ist der Stadt München Popmusik? Und gibt es eine Vision, wo sich die Stadt in Zukunft im Bereich Popularkultur sieht?

Ja, Popmusik sei wichtig, lautete die Antwort der Lokalpolitikerinnen und Lokalpolitiker. Aber konkrete Antworten gab es nicht außer dem Hinweis, dass die Stadt München sich bemühe, ausreichend Proberäume für Bands zur Verfügung zu stellen. Aber reicht das? Und wie sieht es aus, das Zukunftsbild von Pop-München? Der Versuch einer Klärung.

Gastgeber der Popkonferenz war die Fachstelle Pop vom Feierwerk. Sie wird vom Kulturreferat gefördert und ist Anlaufstelle zur Förderung, Vernetzung und Interessenvertretung der popkulturellen Szenen in München. Bereits im Vorfeld der Konferenz haben Julia Viechtl, Leiterin der Fachstelle, und ihr Team eine Umfrage bei Münchner Musikerinnen gestartet. Sie wollten wissen, ob sich die Musikszene genügend wertgeschätzt fühlt von der Stadt?

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Die Antworten waren eindeutig. "Die kleine Vorab-Umfrage hat bestätigt, was wir aus unzähligen Gesprächen mit Akteurinnen und Akteuren, die diese Stadt prägen, schon erfahren haben: Sie finden grundsätzlich, dass die Münchner Musikszene von der Stadt noch mehr unterstützt und damit wertgeschätzt werden sollte", sagt Viechtl. Die Umfrage war anonym, eine Musikerin oder ein Musiker erklärte: "Allein die wenige Förderung, die die Stadt bisher geleistet hat, bringt so viel zum Blühen. Stellt Euch vor, was passiert, wenn da noch mehr geht." In einer weiteren Antwort wurde die Förderung von Pop verglichen mit anderen Musiksparten als "wenig" bezeichnet.

Aber stimmt das überhaupt? Im Grußwort zur Popkonferenz hat Kulturreferent Anton Biebl geschrieben, dass "längst die Gewichtungen in unseren Budgets so austariert" seien, "dass damit ein weiter Kulturbegriff abgebildet wird". Klingt nach einer Angleichung, aber konkrete Zahlen sind nicht so einfach zu bekommen. Das liege daran, sagt das Kulturreferat, dass Begriffsgrenzen fließend seien und ganz verschiedene Teilbudgets berührt sein können. Es gebe also nicht "einen Topf für Popkultur", sondern zahlreiche Förderaspekte, die entscheidend seien für eine Unterstützung wichtiger Projekte, die sich nicht selbst tragen können. Auch fördere das Referat für Arbeit und Wirtschaft sowie das Jugendkulturwerk im Bereich Pop.

"Je nachdem, wie man Popkultur definiert, kommt ein signifikanter Anteil am Budget zusammen"

Der Kulturetat 2023 wird laut Kulturreferat voraussichtlich bei rund 270 Millionen Euro liegen. Davon fließt der größte prozentuale Anteil, rund 54 Millionen Euro (und damit 23 Prozent des Kulturetats), in die Förderung der freien Szenen - und damit auch in die Popkultur. "Je nachdem, wie man Popkultur definiert, kommt ein signifikanter Anteil am Budget zusammen", erklärt Jennifer Becker, Referatssprecherin. Aber: Natürlich ist die freie Szene weit mehr als nur Pop. Der übrige Etat - also deutlich mehr als 70 Prozent - ist für die städtischen Kultureinrichtungen wie etwa die Stadtbibliothek, die Kammerspiele, die Münchner Philharmoniker.

Immer stilvoll: Die "Kytes" wissen sich auch zu benehmen, manchmal. (Foto: Daniel Nguyen)

Bei der Fachstelle Pop schätzt man die Wertschätzung der Politik und Verwaltung und verweist auf "spürbare Fortschritte". Die Mittel der freien Szene im Kulturreferat "wurden während der Pandemie nicht gekürzt, sondern sogar noch ausgebaut", erklärt Viechtl. Zuletzt wurde im Kulturausschuss der Stadt beschlossen, dass die Fachstelle Pop ein Konzept von Mikroförderungen ausarbeiten soll: 50 000 Euro werden dafür zur Verfügung gestellt, auch soll die Fachstelle um eine Stelle erweitert werden. Transparent ausgeschrieben werden Pop-Stipendien, hinzukommen Programmförderungen, Proberaum- und Veranstaltungszuschüsse - das summiert sich.

Trotzdem mangele es an Wertschätzung seitens der Stadt, sagen zumindest Musiker. Auf die Frage, welchen Stellenwert Popkultur im Stadtrat habe, kreuzten bei der Umfrage der Fachstelle Pop 60 Prozent "niedrigen Stellenwert" an, 30 Prozent sahen keinen hohen Stellenwert.

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Wie kommt das? Und was könnte helfen? Eine Vision vielleicht, wie es Diana Goldberg gefordert hatte? In anderen Städten ist man hier weiter. In Zürich hat man sich etwa Gedanken gemacht, wie die Stadt 2035 aussehen soll - verankert wurde dort: "Die Stadt Zürich schätzt ihre Bedeutung als attraktives kulturelles Ausgehzentrum mit großräumiger Ausstrahlung rund um die Uhr." Und Berlin hat sich 2012 die Aufgabe gesetzt, die Hauptstadt als Musikstandort zu entwickeln und eine "musikfreundliche Stadt" zu werden - daraus entstand ein Jahr später die bundesweit einzigartige Einrichtung "Musicboard".

"Menschen trauen sich nicht mehr, etwas auf die Beine zu stellen"

Und in München? "Die Szene hat eine Vision", sagt David Süß, früher Chef vom Elektro-Club Harry Klein, heute Stadtrat der Grünen. "Aber hat die Politik eine Vision? Die Verwaltung? Nein." Aber immerhin, sagt er, habe man mittlerweile verstanden, der Popszene zuzuhören, um eine Vision entwickeln zu können. "Uns ist bisher keine politisch klar definierte, parteiübergreifende Vision bekannt", sagt auch Julia Viechtl. Dabei habe München definitiv das Potenzial dazu, "eine Popmusik-Metropole zu werden. Die Münchner Musikszene ist sehr groß, aktiv und vielseitig".

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Weit mehr als 1500 Bands dürfte es in München geben, Newcomer, aber auch welche, die über München hinaus strahlen, die Indie-Band Kytes etwa. Seit sieben Jahren existiert die Band, seitdem werden die Musiker immer wieder in Interviews gefragt, warum sie in München leben. "Seit sieben Jahren verteidige ich die Stadt", sagt Schlagzeuger Timothy Lush. "Und jetzt merke ich zum ersten Mal, dass ich umschwenke." Woran das liegt? "Menschen trauen sich nicht mehr, etwas auf die Beine zu stellen", sagt er. Und nach einer Pause: "Mich nervt das Image von München." Er fragt: Wie viele Bands schaffen den Sprung von München ins große Pop-Geschäft? Die Quote ist niedrig. Nächste Anwärterin könnte Amadea Ackermann alias Dilla sein, 2021 Pop-Hoffnung der Süddeutschen Zeitung. Noch im gleichen Jahr ist sie von München nach Berlin gezogen. "Hier geht die Inspiration niemals aus", sagt sie, in München sei nichts los, das Leben dort sei so langsam.

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Auch Diana Goldberg würde gerne das Image aufpolieren, München solle eine eigenständige Metropole der Popmusik werden, wie Los Angeles, Paris, London. "Es geht doch darum, das Beste aus der Stadt herauszuholen", sagt sie. "Aber will das die Stadt?" Goldberg hat gerade ein Pop-Stipendium, sie arbeitet hier in ihrem Tonstudio. Sie will nicht weg. München verändere sich gerade langsam, es gebe einen Aufbruch, sagt sie. "Lasst es uns gemeinsam zum Wachsen bringen."

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