Pop:Mehr Raum für die Szene

Pop: Eine von vielen Diskussionsrunden im Feierwerk bei "Listen To Munich".

Eine von vielen Diskussionsrunden im Feierwerk bei "Listen To Munich".

(Foto: Jascha Polenz)

Bei der Popkonferenz "Listen To Munich" im Feierwerk entwickeln Musiker, Clubbetreiber und Veranstalter gemeinsam Ideen für die Zukunft.

Von Dirk Wagner

"Alles, was entstanden ist, ist aus Jugendkultur entstanden", behauptete Klaus Joelsen vom Jugendkulturwerk München in einer Gesprächsrunde mit Münchner Stadträten über die hiesige Popkulturförderung. Nicht als Podiumsgast hatte er sich mit seiner Forderung nach einer prozess- statt ergebnis-orientierten Förderung von Jugendkultur in jene Gesprächsrunde im Feierwerk eingemischt. Joelsen war einer von vielen Besuchern der zweitägigen Popkonferenz "Listen To Munich", zu der die Fachstelle Pop am Wochenende ins Feierwerk geladen hatte.

Dass die hier gebotenen Gespräche über Pop allerdings so lebendig und mitreißend wie Popkonzerte selbst gerieten, war nicht nur den kompetenten Podiumsgästen zu danken, die die Fachstelle Pop in Zusammenarbeit mit anderen Mitwirkenden eingeladen hatte. Vielmehr waren es die vielen interessierten Besucher, die wie Joelsen als Experten in eigener Sache mit kulturpolitischen Forderungen und neugierigen Fragen die Talkrunden zu verschiedenen Pop-Themen anfeuerten. Das war von den Veranstaltenden auch so gewünscht, die darum weitere Mikrofone für die Einlassungen aus dem sogenannten Zuschauerbereich bereitgestellt hatten.

Musiker, Clubbetreiber, Veranstalter und sonstige Mitgestalter der Popkultur saßen in solchem Zuschauerbereich jedoch nicht den zumeist ebenso kompetenten Podiumsgästen gegenüber. Vielmehr einte alle hier Versammelten eine gemeinsame Sorge um die Popkultur, die trotz ihrer gesellschaftlichen Bedeutung noch immer nicht die gleiche Wertschätzung erfährt wie beispielsweise die sogenannte Hochkultur. Ohne damit die Bedeutung der städtischen Theater kleinreden zu wollen, wurde darum auch schon mal hinterfragt, warum jene Theater ein Vielfaches mehr an Fördergeldern bekommen als zum Beispiel das Feierwerk, das als Ort der Popkultur auch städtisch gefördert wird. Und das ist wohlgemerkt keine Neiddebatte, sondern der wiederholte Hinweis auf ein Unrechtsempfinden, das nicht zuletzt verstärkt wurde, als Corona-Maßnahmen die Spielstätten der Popkultur als gewerbliche Unternehmen mit Bordellen gleichstellten.

Nun wird die Popkultur ohnehin nicht der Kunst, sondern der Kultur- und Kreativwirtschaft zugeschrieben. Darum falle deren Förderung auch ins Ressort des Wirtschaftsministeriums, erklärte der ehemalige bayerische Staatsminister für Wissenschaft, Forschung und Kunst, Wolfgang Heubisch (FDP), in einer der vielen Talkrunden der Popkonferenz. Weil in Bayern allerdings die Kultur- und Kreativwirtschaft ein "Riesen-Wirtschaftsfaktor" sei, sei nicht einzusehen, warum diese vom Wirtschaftsministerium nicht ausreichend gefördert würde, sagte Heubisch: "Die Stadt München gehört zu den Spitzenstandorten der Kultur- und Kreativwirtschaft in Europa." Seinen Informationen nach sei "die Stadt München größer als London in dem Bereich. Und die Staatsoper bekommt ja auch die Unterstützung. Warum bekommt da nicht auch die freie Szene die Unterstützung?"

Besagte freie Szene ist es dagegen satt, bei Förderanträgen und sonstigen Unterstützungen immer wieder erfahren zu müssen, wer alles nicht für ihre Belange zuständig sei. Das wurde in verschiedenen Beiträgen betont. Wobei es laut einigen Clubbetreibern schon helfen könnte, wenn das kirchlich argumentierte Tanzverbot endlich fallen würde. Immerhin betrifft das neun stille Tage im Jahr, an denen jene Kulturveranstaltenden trotz der andernorts immer betonten Trennung von Staat und Religion Einnahmenverluste haben.

Es ging um Anregungen, nicht um Vorwürfe

In der Popkonferenz "Listen To Munich" wurden solche Einlassungen allerdings nicht als Vorwürfe formuliert, sondern als Anregungen, die sich nicht nur an anwesende Volksvertreter richteten. Vielmehr begriffen sich alle Anwesenden in der Popkonferenz als eine Gemeinschaft, die miteinander diskutierend vereint erkundete, wie die Popkultur gestärkt werden kann. Entsprechend begriffen sich hier auch die verschiedenen Akteure einer Münchner Popkultur nicht als Konkurrenz. Warum auch? Hotspots wie einst der Kunstpark Ost oder noch die innerstädtische Feierbanane zogen ja auch noch mehr Publikum an, als dort gleich mehrere Clubs in die jeweiligen Viertel lockten. Betont wurde auch in Überlegungen darüber, wie der öffentliche Raum zu gestalten sei, welche Mehrfachnutzungen von Räumen möglich sind oder wie Popkultur so gefördert werden kann, dass wirklich alle Menschen daran teilhaben können sollen, also ein gesellschaftspolitisches Verantwortungsbewusstsein der Kulturschaffenden. Darum ist Popförderung auch eine Stärkung der Demokratie.

Als zudem junge Menschen in der Kranhalle spätabends noch interessiert mit einer angereisten Mitarbeiterin der Leipziger Stadtverwaltung über die popkulturelle Nutzung von Freiflächen in Leipzig diskutierten, während nebenan bereits Konzerte die Konferenz ausklingen ließen, wurde einmal mehr deutlich, wie wichtig ihnen die Popkonferenz war, die Kulturreferent Anton Biebl nun auch auswerten lassen möchte.

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