Münchner Polizei:Kinderpornografie auf gehackten Facebook-Seiten

Lesezeit: 3 min

Über gehackte Facebook-Accounts verbreiten Kriminelle kinderpornografisches Material. (Foto: Dominic Lipinski/dpa)

Das neue Spezial-Kommissariat 17 bearbeiten derzeit 700 Fälle, in denen die Darstellung schweren sexuellen Missbrauchs im Netz verbreitet wurde. Vermehrt nutzen die Täter dafür fremde Accounts.

Von Martin Bernstein

Es sind Fälle schwersten Kindesmissbrauchs. Die Täter haben ihre Verbrechen mit Kameras dokumentiert - und verbreiten sie übers Internet. Immer häufiger bedienen sie sich dabei der Social-Media-Plattform Facebook. Münchner Ermittler stehen vor einem Rätsel: Was genau bezwecken Kriminelle, die sich für die Verbreitung der kinderpornografischen Dateien gehackter Accounts anderer Menschen bedienen? Erpressungsversuche sind bislang offenbar nicht bekannt geworden. Rund 700 Fälle der Verbreitung kinderpornografischer Schriften bearbeitet das neu geschaffene Kommissariat 17 im Münchner Polizeipräsidium derzeit.

"Hinter der zehntausendfachen Verbreitung steht immer der Schmerz eines Kindes", beschreibt Kriminalhauptkommissarin Sabine Lainer ihre Motivation - und die ihres derzeit 17-köpfigen Teams. Seit Juni leitet die 46-Jährige die Münchner Spezialtruppe, deren Aufgabe es ist, sexualisierte Gewalt gegen Kinder zu bekämpfen. Mit diesem Kommissariat habe München mindestens bayernweit ein Alleinstellungsmerkmal. Wie schon bei ihrer vorherigen Tätigkeit bei der Aufklärung von Vermisstenfällen geht es der erfahrenen Polizistin um den Schutz "der Schwächsten in der Gesellschaft". Und darum, die Täter zur Rechenschaft zu ziehen.

Kriminalhauptkommissarin Sabine Lainer leitet die Münchner Spezialtruppe, die gegen Kinderpornografie vorgeht. (Foto: Martin Bernstein)

Die Münchner Ermittler stehen dabei am Ende einer längeren Informationskette, die oft von den Vereinigten Staaten bis nach München reicht. Am Anfang steht die Meldung eines Plattformbetreibers - also etwa von Facebook oder Instagram - über einen verdächtigen Account, auf dem kinderpornografisches Material entdeckt wurde, an das staatlich geförderte gemeinnützige US-amerikanische National Center for Missing & Exploited Children (NCMEC). Dieses informiert das Bundeskriminalamt (BKA) über deutsche Accounts. Über das bayerische Landeskriminalamt (BLKA) erreichen Fälle, deren Accounts in München zu lokalisieren sind, dann die Ermittler vom K17.

Bei der Analyse der Meldungen fiel den Experten seit Frühjahr ein neues Phänomen auf. Zunehmend verschaffen sich bislang unbekannte Täter Zugang zu den Social-Media-Accounts von Münchnerinnen und Münchnern und verbreiteten über diese die Missbrauchsdarstellungen. Nach aktuellem Ermittlungsstand haben es die Täter besonders auf Accounts abgesehen, die etwa durch schwache oder mehrfach verwendete Passwörter nur unzureichend gegen Fremdzugriffe geschützt sind. "Es handelt sich dabei um ein überregionales Phänomen, das auch andere Teile Deutschlands betrifft", sagt Kriminalhauptkommissar Thomas Hiller, Lainers Stellvertreter. In allen in München lokalisierbaren Fällen beginnt das K17 zu ermitteln.

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Und das bedeutet: Die Beamten können zu einer Hausdurchsuchung um sechs Uhr morgens vor der Tür stehen. Und das auch bei dem, dessen Account gehackt wurde. Social-Media-Dienstleister wie Facebook informieren ihre Kunden über unberechtigte Fremdzugriffe und auch darüber, wenn auf einem Account kinderpornografisches Material entdeckt und gesperrt wurde. Der dringende Rat der Münchner Experten: "Nehmen Sie diese Hinweise ernst." Wenn sich der Verdacht ergebe, dass über den Account kinderpornografische Inhalte verbreitet worden sein könnten, müsse man sich sofort persönlich an die Polizei wenden und Anzeige erstatten. "Nur auf diesem Weg können Sie mögliche Ermittlungsmaßnahmen gegen Ihre Person verhindern." Keinesfalls dürfe man die Dateien an Dritte weiterleiten. In diesem Fall mache man sich eines Verbrechens strafbar, das mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr geahndet wird.

Der Anstieg der Fallzahlen ist erschreckend

Wegschauen ist jedenfalls keine Lösung. Wer nicht zur Polizei geht, wenn der eigene Facebook-Account von Hackern mit Kinderpornografie gefüllt wurde, der macht sich verdächtig. Dann rücken Lainer, Hiller und ihre Kollegen an, nehmen Computer und Festplatten mit. Und ermitteln. Unwissenheit oder Ignorieren schützen davor nicht - die Polizei kann schließlich nicht von vornherein ausschließen, dass sie es mit einem Mittäter zu tun hat.

Bereits 2020 wurde beim Kommissariat 15 eine Ermittlungsgruppe zur Bewältigung des gestiegenen Fallaufkommens eingerichtet. Im vergangenen Jahr sind im Sexualstrafrecht die Ermittlungsbefugnisse der Strafverfolgungsbehörden erweitert worden. Um den weiter steigenden Fallzahlen gerecht zu werden, hat das Polizeipräsidium München am 5. April das neue Kommissariat 17 geschaffen, das sich um die Bekämpfung sexualisierter Gewalt gegen Kinder kümmert. Der Anstieg der Fallzahlen im Bereich der Verbreitung pornografischer Schriften ist erschreckend - um 20 Prozent allein im vergangenen Jahr. Dabei handelte es sich laut Sicherheitsreport der Münchner Polizei mit 303 Fällen zu mehr als zwei Dritteln um Fälle von Kinderpornografie. An die Adresse der Täter gerichtet sagt Sabine Lainer: "Wir probieren, sie alle zu bekommen."

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