München:Schlag gegen falsche Polizisten - fünf Verdächtige in Haft

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Die echte Polizei ist in der Münchner Ettstraße untergebracht. (Foto: Stephan Rumpf)

Immer wieder gelingt es Betrügern, sich als Polizisten auszugeben. Nun hat die echte Polizei fünf mutmaßliche "Abholer" gefasst, die von den Opfern das Geld einkassierten. Bisher werden sie mit neun Fällen in Verbindung gebracht.

Von Joachim Mölter

In Bayern ist Ferien- und Urlaubszeit, der Kriminalhauptkommissar Hans-Peter Chloupek gehört zu den wenigen Menschen, die eine "arbeitsreiche, intensive Woche" hinter sich haben - aber auch eine "sehr erfolgreiche", wie er sagt. Die von ihm geleitete Arbeitsgruppe Phänomene innerhalb der Münchner Kripo hat in der vorigen Woche an nur zwei Tagen gleich fünf Personen festgenommen, die dem organisierten Verbrechen zuzurechnen sind.

Die Fünf werden einer Bande von Betrügern zugeordnet, die aus Callcentern in der Türkei heraus operiert haben. Ihre Masche: Sie geben sich am Telefon als Polizeibeamte aus und schwatzen hauptsächlich älteren Menschen ihre Wertsachen ab.

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Mit dem jüngsten Schlag ist die Zahl der seit Jahresbeginn von den hiesigen Ermittlern verhafteten Bandenmitgliedern auf 29 gestiegen; im gesamten Jahr 2020 waren es 16 gewesen. Von den 29 Festgenommenen sind die meisten sogenannte Abholer, die die Wertgegenstände entgegennehmen und sie umgehend weiterreichen an Kuriere, die sie dann gesammelt über die Grenze bringen und bei Hintermännern in Istanbul, Izmir oder Antalya abliefern.

"Nur die Spitze des Eisbergs"

Auch die nun Verhafteten, vier Frauen und ein Mann im Alter zwischen 17 und 58 Jahren, sind als Abholer für die Bande tätig gewesen. Sie besitzen deutsche und/oder türkische Staatsangehörigkeiten, wohnen in München, Nürnberg und im Landkreis Fürstenfeldbruck. Ihnen wird nach aktuellem Ermittlungsstand zur Last gelegt, zwischen Ende April und Anfang August an neun Taten in München, Nürnberg und Landshut beteiligt gewesen zu sein und dabei Senioren und Seniorinnen im Alter von jeweils mehr als 70 Jahren um insgesamt rund 90 000 Euro gebracht zu haben.

Das sei jedoch nur "die Spitze des Eisbergs", vermutete Chloupek bei einer Pressekonferenz am Dienstag; es gebe Hinweise auf weitere Taten, die noch ermittelt werden. Für den Oberstaatsanwalt Kai Gräber ist es "die hässlichste Fratze eines Vermögensdelikts", wenn alte Leute um ihre Ersparnisse gebracht werden.

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Aus den Auftritten von Geschädigten vor Gericht weiß er, dass die Täter nicht nur materiellen Schaden anrichten, sondern auch immateriellen. Die psychologischen Folgen bei den Opfern seien oft verheerend, erzählte er, "das reicht bis hin zu Suizidgedanken".

"Seid nicht so blöd und lasst euch ins Gefängnis stecken"

In der kriminellen Bandenhierarchie stehen die Abholer eher unten, sie sind sozusagen die Laufburschen, "aber ohne sie geht es nicht", sagt der Oberstaatsanwalt Gräber: "Die Hintermänner bewegen sich ja nicht aus der Türkei raus, aus Angst vor einer Auslieferung." Gräber nutzte die jüngsten Fahndungserfolge deshalb auch für "eine Warnung an Abholer und solche, die es werden wollen: Macht was anderes! Seid nicht so blöd und lasst euch ins Gefängnis stecken, während die Hinterleute bequem auf dem Sofa sitzen".

Und weiter: "Wir erwischen euch vielleicht nicht beim ersten Mal und vielleicht auch nicht beim dritten Mal, aber wenn, dann mit ganzer Härte." Hans-Peter Chloupek ergänzt dazu: "Wir können nahezu alle vollendeten Taten aufklären, nicht immer sofort, aber im Lauf der Zeit." Das belegen die aktuellen Beispiele, bei denen die ersten Taten ja bereits Ende April erfolgten.

Oberstaatsanwalt Gräber wies zwecks Abschreckung noch darauf hin, dass der Callcenterbetrug als Verbrechen geahndet wird, mit einer Mindeststrafe von einem Jahr und einer Höchststrafe von 15 Jahren bei mehreren Taten. Zwei im März verurteilte Abholer seien beispielsweise zu sechs- bzw. siebeneinviertel Jahren Haft verurteilt worden. Selbst der nun festgenommenen 17-Jährigen, für die das Jugendstrafrecht gilt, könnten drei, vier Jahre im Gefängnis drohen, glaubt Gräber.

Hans-Peter Chloupek führt die steigenden Erfolgszahlen auf die gute Zusammenarbeit verschiedener Dienststellen zurück. An den jüngsten Verhaftungen hatten jedenfalls auch Kollegen aus Nürnberg ihren Anteil. Und die Kooperation mit den türkischen Ermittlern laufe ebenfalls immer besser. "So langsam", findet der Oberstaatsanwalt Kai Gräber, "greifen die Mechanismen."

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