Referentenwahl im Stadtrat:Erste Frau an der Spitze der Münchner Sicherheitsbehörde

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Die neue Chefin des Kreisverwaltungsreferats: Hanna Sammüller-Gradl (Die Grünen). (Foto: Robert Haas)

Wo einst CSU-Hardliner wie Peter Gauweiler oder Hans-Peter Uhl regierten, hat nun die Grüne Hanna Sammüller-Gradl das Sagen. Ihr Aufstieg zur Chefin des Kreisverwaltungsreferats steht für eine historische Zäsur.

Von Heiner Effern

Erstmals in der Historie wird eine Frau für die Sicherheit in München verantwortlich sein. Und ebenso zum ersten Mal besetzen die Grünen die Spitze des dafür verantwortlichen Kreisverwaltungsreferats (KVR). Mit der Wahl von Hanna Sammüller-Gradl zur Referentin betrat der Stadtrat in seiner Vollversammlung im Fröttmaninger Showpalast am Mittwoch gleich zweimal Neuland. Die 38 Jahre alte Juristin folgt am 1. Juli 2022 Thomas Böhle (SPD), der in Ruhestand geht.

Zieht man den Bogen weiter, sieht man, wie sehr sich die politischen Verhältnisse in München verschoben haben: Die Grünen sind in einem Nervenzentrum der Stadt angekommen, in dem einst die CSU-Hardliner Peter Gauweiler und Hans-Peter Uhl die öffentliche Stimmung prägten. Oder wie es Sammüller-Gradl nach der Sitzung ausdrückte: Mit ihr sei das KVR "am anderen Ende der Skala" angekommen.

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Der Stadtrat wählte die Juristin mit 44 von 78 Stimmen, drei Mitglieder fehlten. Zumindest zwei Kollegen aus der Opposition müssen damit der Grünen ihre Stimme gegeben haben. Neben der Leitung der Kreisverwaltungsreferats wurden auch die Topjobs im Sozialreferat und im Personal- und Organisationsreferat für sechs Jahre neu vergeben.

Dabei kam zweimal die SPD zum Zug: Dorothee Schiwy, 49, wird Sozialreferentin bleiben und erhielt mit 46 Stimmen sogar vier mehr als die Koalition über Wahlberechtigte verfügte. Im Personalreferat wird Andreas Mickisch den CSU-Mann Alexander Dietrich ersetzen. Der 49 Jahre alte Jurist erhielt exakt die 42 Stimmen, über die Grüne und SPD in dieser Besetzung verfügten.

Steht künftig an der Spitze des Personalreferats: Andreas Mickisch (SPD). (Foto: Robert Haas)

Noch eine vierte Referentenstelle hatte der Stadtrat am Mittwoch vergeben wollen, ebenfalls mit Dienstbeginn zum 1. Juli. Doch die Regierung von Oberbayern entschied auf Intervention der CSU, dass die Position der Baureferentin hätte ausgeschrieben werden müssen. Die als Kandidatin von den Grünen nominierte Fraktionschefin Anna Hanusch hatte daraufhin ihre Bewerbung zurückgezogen.

Die Aufsichtsbehörde hatte auch die Kandidaturen von Sammüller-Gradl und Mickisch auf eine Ausschreibungspflicht hin geprüft, aber wegen derer einschlägigen Ausbildung und beruflichen Erfahrung in der Verwaltung die Ausnahme von der vorgeschriebenen Regel für rechtens erklärt.

Sammüller-Gradl zeigte sich am Mittwoch erleichtert, dass der politische Streit um die Besetzung der Referentenposten vorüber sei. Genaugenommen sei bei ihr die Spannung bereits am Dienstagnachmittag abgefallen, als die Nachricht der Regierung von Oberbayern eingetroffen sei. "Das war fast schon unwirklich", sagte sie. Der Kollege Mickisch und sie selbst hätten damit eine Art offizielles Gütesiegel erhalten, das auf diese Weise auch neu sei. Die Wiederwahl Schiwys zur Sozialreferentin war nie in Zweifel gestanden.

Für die sehr politische neue KVR-Chefin, einst bereits Stadtchefin der Münchner Grünen, ist nicht nur ihre Partei da angekommen, wo sie hinwollte, sondern auch sie selbst fühlt sich als die richtige Frau an der richtigen Position. Sie habe sich bewusst gegen eine politische und für eine verwaltungsjuristische Karriere entschieden, der Posten im KVR sei ein Traumjob: "Ich passe so gut in diese Reise, die das KVR gemacht hat."

"Ich kann Sicherheit": Die neue KVR-Chefin gibt sich selbstbewusst

Von Gauweiler und Uhl mit der klar konservativen Ausrichtung über Wilfried Blume-Beyerle und Thomas Böhle, die sich als schon liberalere Chefs einer sehr neutralen und ausführenden Behörde verstanden hätten, zu ihr selbst, die ganz bewusst liberale Politik machen will. "Das ist gesellschaftspolitisch etwas historisch Neues."

"Eine Zäsur" nannte ihre Parteifreundin und Bürgermeisterin Katrin Habenschaden die Wahl deshalb. Grünen-Fraktionschef Florian Roth hält sie schlicht für "die Idealbesetzung". Sammüller-Gradl ist mit dem SPD-Stadtrat Nick Gradl verheiratet, die beiden haben zwei Kinder.

Im Moment ist Hanna Sammüller-Gradl bei der Stadt Freising in einer ähnlichen Position tätig und sieht sich deshalb in der Lage, nicht nur den Service für die Bürgerinnen und Bürger noch zu verbessern, sondern auch für ein geordnetes öffentliches Leben zu sorgen. "Ich kann Sicherheit", sagte sie nach der Sitzung.

Auch die Koalitionspartner der Grünen glauben an ihre Qualitäten und hielten sich mit Vorschusslorbeeren nicht zurück. Sie kenne keine klügere und geeignetere Bewerberin für dieses Amt, sagte SPD-Fraktionschefin Anne Hübner schon vor der Wahl.

Als Sozialreferentin bestätigt: Dorothee Schiwy (SPD). (Foto: Florian Peljak)

Auch bei den zwei SPD-Kandidaten, die beide seit längerer Zeit in der Münchner Verwaltung tätig sind, standen die Partner in der Rathausregierung fest zusammen. Der Familienvater Mickisch arbeitete unter anderem für die beiden SPD-Oberbürgermeister Christian Ude und Dieter Reiter als Büroleiter. Im Februar 2017 wechselte er als stellvertretender Chef ins Kreisverwaltungsreferat.

"Es freut mich wahnsinnig, dass es geklappt hat", sagte Mickisch nach der Wahl zum Chef des Personalreferats. Am meisten reize ihn am künftigen Job, für die Arbeitsbedingungen der etwa 40000 städtischen Mitarbeiter verantwortlich zu sein. Strukturen zu schaffen und zu verändern, das liege ihm besonders.

Seine künftige Kollegin auf der Referentenbank, Dorothee Schiwy, bedankte sich nach der Wahl bei den Stadträtinnen und Stadträten. Sie hatte zuvor erklärt, welche Schwerpunkte sie in den kommenden sechs Jahren unter anderem setzen will: Kindern und Jugendlichen aus der Pandemie heraushelfen, trotz der Mieten allen ein angemessenes Wohnen in der Stadt ermöglichen und das soziale Angebot zu erhalten und noch leichter zugänglich zu machen.

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