Müllvermeidung:Münchner könnten 143 Millionen Einweg-Plastikflaschen einsparen - angeblich

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Plastik, so weit das Auge reicht: "Einwegflaschen drücken massiv auf die heimische Umweltbilanz", warnt die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten. (Foto: Sebastian Kahnert/dpa)
  • Laut der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten könnte München pro Jahr Millionen Einweg-Plastikflaschen einsparen.
  • Voraussetzung dafür sei jedoch, dass Hersteller die gesetzliche Mehrwegquote einhalten.

Von Bernhard Hiergeist

Versinkt Deutschland im Plastikmüll? Landesweit vermelden Medien: Flensburg könnte neun Millionen Plastikflaschen sparen, Hamburg sogar 180 Millionen, der Kreis Steinfurt in NRW 44, Rosenheim immerhin sechs. Und schließlich München: Pro Jahr könnten hier 143 Millionen Einweg-Plastikflaschen eingespart werden, "wenn Hersteller und Handel konsequent die gesetzliche Mehrwegquote einhielten", behauptet die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG), die unter anderem die Interessen der Beschäftigten in der Getränkeindustrie vertritt.

Die Gewerkschaft hat aus Zahlen des Umweltbundesamts berechnet, dass der Anteil wiederbefüllbarer Mehrwegflaschen bei Mineralwasser und Erfrischungsgetränken bei nur 33 Prozent gelegen habe, gesetzlich vorgeschrieben sind aber seit Anfang 2019 tatsächlich 70 Prozent. Die Differenz von 37 Prozent müssen die anderthalb Millionen Münchner in Form von Getränken in Einwegflaschen zu sich genommen haben. Bei einem geschätzten Verbrauch von 148 Litern Wasser und 116 Litern Erfrischungsgetränke pro Kopf und Jahr kommt die NGG auf 143 Millionen Liter - also 143 Millionen Ein-Liter-Plastikflaschen.

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Diese Zahlen passen jedoch nicht recht zusammen. Denn die gesetzliche Mehrweg-Quote von 70 Prozent bezieht sich auf die Hersteller. Deren Ziel soll es laut Gesetz sein, "einen Anteil von in Mehrweggetränkeverpackungen abgefüllten Getränken in Höhe von mindestens 70 Prozent zu erreichen". Das tun sie nicht. Die Quote ist in den vergangenen Jahren sogar gesunken. Die Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie weist darauf hin, dass die 70 Prozent mal übertroffen (etwa beim Alkohol), mal unterboten würden (etwa beim Wasser). Generell gebe es aber unter den Konsumenten eine "Präferenz für Einweggetränkeverpackungen". Aber wenn die Hersteller die Mehrweg-Quote unterbieten, sagt das nichts darüber aus, ob auch in den Läden nur 33 Prozent Mehrwegflaschen landen und ob die Münchner davon nur so wenig konsumieren.

Wie geht die Gesellschaft mit ihrem Müll um?

Die 143 Millionen haben also weniger konkrete als symbolische Aussagekraft. Die Frage lautet: Wie geht die Gesellschaft mit ihrem Müll um? Setzt sie auf die Aufbereitung von Einwegflaschen? Oder ist Wiederverwendung die Devise? Die NGG und einige Umweltverbände sprechen sich eindeutig für das Mehrweg-System aus. "Einwegflaschen drücken massiv auf die heimische Umweltbilanz", heißt es in einer Mitteilung der NGG. Das tun aber zum Beispiel auch Glasflaschen, wenn sie weit transportiert werden müssen. Auch lassen sich Einweg-PET-Flaschen inzwischen fast vollständig recyceln. Experten halten generell Mehrwegflaschen aus der Region für am umweltverträglichsten.

Ein anderes Argument der NGG lautet: Das Mehrweg-System könne dazu beitragen, das "Pfand-Chaos" in Super- und Getränkemärkten zu lindern. "Verbraucher klagen darüber, dass sie ihr Leergut häufig nur noch dort loswerden, wo sie es gekauft haben." Schuld am Chaos hätten demnach die Einwegflaschen, die man in einem Laden kauft und im anderen Laden dann nicht abgeben kann.

Ab 200 Quadratmetern Fläche muss ein Getränkehändler alle Pfandflaschen annehmen, das gilt zum Beispiel für viele Läden der Orterer-Gruppe, die 168 Getränkemärkte betreibt, viele davon in München und Umgebung. Für große Händler kann das auch ein Vorteil sein, wie Seniorchef Walter Orterer sagt. Pfand zu sortieren sei teuer und mache Arbeit, aber es sichere auch das Überleben. Orterer sagt: "Ich sehe kein Pfand-Chaos." Der Gesetzgeber verlange eine Kennzeichnung, ob Einweg oder Mehrweg. Und dann könne der Kunde am Preisschild erkennen, womit er es zu tun habe.

Die Sache mit dem Pfand - sie ist kompliziert. Orterer sagt: "Letzten Endes müssen wir Menschen uns Gedanken machen. Nicht, wie wir Müll verwerten, sondern wie wir ihn vermeiden." Zum Beispiel, auch da sind sich die meisten Experten einig: Wasser aus der Leitung trinken. Dann braucht es gar keine Flasche, egal ob Ein- oder Mehrweg.

© SZ vom 30.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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