Die Welt scheint eine friedliche zu sein, zumindest gemessen an der Zahl der Menschen, die zum traditionellen Ostermarsch am Samstag gekommen sind. Gerade mal 1800 waren es laut Veranstalter, dem Münchner Friedensbündnis; die Polizei schätzt, dass es 850 Teilnehmende waren. Aber natürlich lässt sich an der Zahl der Demonstrierenden schon lange nicht mehr der Zustand der Welt ablesen. Es müssten Millionen sein, die in Zeiten des Krieges für Frieden auf die Straße gehen.
Die Friedensdemo beginnt am Samstagvormittag auf dem Marienplatz. Brigitte Wolf von der Linksfraktion im Stadtrat sagt, dass es ihr von Jahr zu Jahr schwerer falle, die Friedensbewegten jedes Mal aufs Neue zu ermuntern, weiterzumachen. Der Unfrieden in der Welt sei einfach so gewaltig. Es seien ja nicht nur die medial präsenten Kriege in der Ukraine und in Gaza, es gebe noch viele weitere, fast vergessene. Die Angriffe der Türkei auf kurdische Gebiete nennt Wolf als Beispiel, Kriege in Afrika und Asien, und den Terror, wie kürzlich in Moskau.
Und in Deutschland? "Der Weg in die Kriegstüchtigkeit", sagt Wolf, "ist schon weit beschritten." Sie spielt auf eine Äußerung von Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) an, der für eine "Kriegstüchtigkeit" Deutschlands plädiert. Eine Forderung, die an diesem Tag immer wieder kritisiert wird. Wolf ruft alle Verantwortlichen dazu auf, generell Angriffe auf Nicht-Kombattanten, also Zivilisten, zu unterlassen. "Wir müssen uns der Entmenschlichung von Menschen widersetzen."
Maria Feckl vom Trägerkreis der Internationalen Münchner Friedenskonferenz beginnt ihre Rede mit dem Motto des Ostermarsches: "Waffenstillstand jetzt!" Sie bezieht das unter anderem auf den Gaza-Krieg und spricht beide Seiten des Konflikts an: "Wir verurteilen den schrecklichen Überfall der Hamas und des islamischen Dschihad vom 7. Oktober auf israelische und internationale Zivilistinnen und Zivilisten. Wir verurteilen das Morden, die Vergewaltigungen und die Geiselnahmen. Wir sind solidarisch mit den Opfern auf beiden Seiten." Sie fordert "die Beendigung des Terrors und des Leidens der Zivilbevölkerung in Gaza, den besetzten palästinensischen Gebieten sowie in Israel und die Freilassung aller Geiseln und politischen Gefangenen". Zugleich appelliert Feckl an die Bundesregierung: "Beendet die deutsche Beihilfe zu Kriegsverbrechen! Stoppt die Waffenlieferungen an Israel sofort!" Solange den Appellen des Bundeskanzlers und der Außenministerin keine Taten folgten, seien deren Worte "leer und wirkungslos".
Auch die lokale Politik kritisiert Maria Feckl, genauer: die Stadt München. Diese strich nämlich den Veranstaltern der Friedenskonferenz, die alljährlich parallel zur Sicherheitskonferenz stattfindet, den Zuschuss in Höhe von 6500 Euro. Dies sei eine Woche vor der Veranstaltung geschehen. Feckl nennt dies einen "Angriff auf die Meinungsfreiheit". Man werde weiter für Räume kämpfen, in denen "offene und kontroverse Diskussionen über Friedensperspektiven" möglich seien. Es müsse "auch über pazifistische und regierungskritische Friedensperspektiven" diskutiert werden. "Bei voreiliger und ausufernder moralischer Zensur überlassen wir den Debattenraum dem Rechtsextremismus."
Nach dem Zug der Demonstrierenden zum Gärtnerplatz und zurück ruft Linda Schneider von der Gewerkschaft Verdi zum "Kampf für Demokratie" auf, der ein "Kampf gegen Militarisierung" sei. Schneider lobt wie andere Redner Papst Franziskus für seinen Appell für einen Waffenstillstand in der Ukraine. Die weit verbreitete Ablehnung dieses Aufrufs in Politik und Medien sei "erschreckend". Zugleich lobt sie den SPD-Fraktionschef im Bundestag, Rolf Mützenich, für dessen ähnlichen Vorstoß. Und Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), der in der Ukraine-Politik vorsichtig sei, um Deutschland nicht in den Krieg hineinzuziehen.
Der ehemalige Bundeswehroffizier Jürgen Rose ruft zu Frieden und Abrüstung auf, indem er selbst verbal mächtig aufrüstet. Er lobt die Menschen, die gegen "maßlosen Aufrüstungswahnsinn" und "hysterische Kriegstreiberei" protestieren. Dazu gehöre Mut, weil diese Menschen oft als "Lumpenpazifisten" diffamiert würden "seitens zahlreicher politischer und journalistischer Claqueure des Krieges". Diese könnte man umgekehrt am treffendsten als "Schurkenbellizisten" titulieren.
Das prominenteste "Opfer" dieser "Kriegstreiber-Kanaille" sei Papst Franziskus, sagt Rose. "Äußerst vernünftig" sei dessen Aufruf zu Verhandlungen in der Ukraine, dies wäre das Gegenteil einer "feigen Kapitulation". Rose stimmt dem Papst zu: Verhandeln sei der Mut, das Land nicht in den Selbstmord zu führen. Die einzigen Gewinner eines Krieges seien die Waffenlieferanten. Rose verurteilt, dass der Pontifex wegen seines Appells "zur Zielscheibe der kriegsverrückten Schwertgläubigen" werde.
Heftig kritisiert Rose auch die Nato: Das "mächtigste und gewalttätigste Militärbündnis der Geschichte" sei die "größte Gefahr für den Weltfrieden". Es müsse "entsorgt werden", wo es hingehört: "auf den Schutthaufen der Geschichte". Die wenigen Ostermarschierer und -marschiererinnen, die nach drei Stunden noch auf dem Marienplatz stehen, applaudieren laut.