Prozess:Blut und ein Baby? "Ich habe kombiniert und bin zur Polizei"

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Die Frau soll ihr Kind in einem Gebüsch in Neuperlach bekommen und das Neugeborene dort liegen gelassen haben. (Foto: dpa)
  • Eine 27-Jährige soll in einem Münchner Vorgarten ein Kind zur Welt gebracht und es zurückgelassen haben. Sie ist wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit schwerer Misshandlung angeklagt.
  • In der Nacht vor der Geburt soll die Angeklagte Geschlechtsverkehr mit einem 47-Jährigen gehabt haben, der nun vor Gericht ausgesagt hat.
  • Er will zunächst nichts von der Schwangerschaft seiner Affäre bemerkt haben.

Von Susi Wimmer

Ein Mann aus München und eine Frau aus Gießen verabreden sich via Internetportal zu einem Date. Man geht in den Biergarten, isst und trinkt, dann heim zu ihm, es kommt zum Geschlechtsverkehr. Am nächsten Morgen reist die Frau überstürzt wieder ab. Dass die 27-jährige Araya S. ( Name geändert) schwanger war, dass sie in jener Nacht vermutlich im Vorgarten des Hauses ein Kind zur Welt gebracht und in einer Gartenhecke versteckt hat, davon will ihre 20 Jahre ältere Verabredung nichts bemerkt haben. "Ich hatte keine Ahnung", sagt der 47-jährige Journalist.

Bis der Mann vor der zweiten Strafkammer am Landgericht München I zur Aussage erscheint, vergeht eine halbe Stunde. Er muss überredet werden, er hat offenbar Angst vor der Öffentlichkeit. Dann schließlich kommt ein kräftiger Mann den Gang entlangmarschiert, über den Kopf eine schwarze Sturmhaube gezogen. Die behält er auch während der Verhandlung auf. Er will anonym bleiben, gleichwohl wurden sein Name und seine Adresse längst öffentlich bei der Anklageverlesung genannt.

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Der 47-Jährige ist nahezu taub und er erzählt etwas undeutlich, wie er die gehörlose Araya S. am 17. August 2018 vom U-Bahnhof Neuperlach-Süd abgeholt und mit ihr den Biergarten besucht habe. Gegen 1 Uhr sei man ins Bett gegangen. Auf die Frage von Richter Norbert Riedmann nach dem Geschlechtsverkehr, kommt es nur unwirsch zurück: "Was hat das mit dem Baby zu tun?" Der Sex, so sagt ihm der Vorsitzende, könnte die Geburt ausgelöst haben. Zwischen 4 und 5 Uhr brachte Araya S. einen Sohn zur Welt. Laut Rechtsmediziner Randolph Penning war die Geburt wohl recht kompliziert. Das würde die diversen Brüche bei dem Baby erklären.

Sie versteckte das Kind laut Anklage auf dem Boden in einer Hecke im Garten. "Gegen 5 oder 6 Uhr hat sie mich geweckt", erzählt der Zeuge. Sie sei sehr aufgeregt gewesen. Im Bad habe er auf dem Boden Blut entdeckt. Sie habe ihm erklärt, sie habe starke Blutungen und müsse zu ihrem vertrauten Arzt nach Frankfurt. "Sie wollte nicht in eine Klinik in München." So brachte er seine Bekanntschaft zurück zum Bahnhof, wo ihm aufgefallen sei, dass ihr Bauch schlanker erschien. Anschließend habe er noch einen Nass-Sauger gekauft, "damit sich das Blut nicht in den Badfugen festsetzt".

Beim Heimkommen sah der Journalist den Krankenwagen vor seinem Wohnblock in Neuperlach, dachte "was ist denn da los?" und "man soll sich nicht einmischen". Plötzlich habe die Polizei an der Türe geklingelt und etwas von einer Geburt erzählt. "Nicht bei mir", habe er geantwortet. Später habe er nachgedacht, "und das verbunden mit dem Blut und dem Baby". "Ich habe kombiniert und bin zur Polizei."

Wie und wo genau Araya S. ihr Baby zur Welt gebracht hat, ist unklar. Verteidiger Alexander Hauer erklärt, seine Mandantin werde sich bis auf weiteres nicht äußern. Die 27-Jährige ist wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit schwerer Misshandlung angeklagt. Staatsanwalt Laurent Lafleur geht davon aus, dass sich die Frau, die von ihrem Ehemann getrennt lebt, sich nicht mit einem zweiten Kind "belasten wollte". Der Prozess wird am kommenden Montag fortgesetzt.

© SZ vom 28.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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