Prozess wegen Nachverdichtung:"Jetzt ist da eine Mauer"

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Der Neubau im Innenhof der Herzogstraße 84 stört die Nachbarn - ist aber rechtens. (Foto: privat)

Die Richter halten einen umstrittenen Neubau in der Münchner Herzogstraße für rechtens. Eine "gewisse Verschattung und Bedrückung" sei der Gegend "immanent". Politiker und Anwohner dagegen kritisieren den "Nachverdichtungswahn" in Schwabing.

Von Ellen Draxel

Es ist eine ungewöhnliche Gerichtsverhandlung, die am Montagvormittag im Herzen Schwabings stattfindet. Die Richter des Bayerischen Verwaltungsgerichts, kurz zuvor angereist in einem vollbesetzten Van, stehen in der Sonne neben einem saftig grünen Rasen. Sie tagen diesmal nicht in einem Gerichtssaal, sondern direkt auf dem Baugrundstück.

Besonders ist aber auch der Fall, um den es an diesem Tag geht. Als Negativbeispiel hat das Bauvorhaben in den vergangenen Jahren wiederholt Schlagzeilen gemacht. Weil eine kleine Baum-Oase im Hof einem viergeschossigen Neubau weichen musste. Und weil statt bezahlbaren Wohnraums für Studenten teure Apartments entstanden sind.

Doch das Bayerische Verwaltungsgericht kommt zu dem Schluss: Der Neubau im Innenhof der Herzogstraße 84 ist rechtens. Weder seien die Interessen der unmittelbaren Nachbarn durch das Gebäude beeinträchtigt noch sei das Abstandsflächengesetz verletzt worden.

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Nicht nur Anlieger, auch Politiker aus Stadt, Land und Bund hatten hingegen fraktionsübergreifend den aus ihrer Sicht falschen "Nachverdichtungswahn" in dichtbesiedelten Gegenden wie dem westlichen Schwabing angeprangert. Kläger Martin Schwarz "stört" genau diese Nachverdichtung. Ihm und seinem Bruder Thomas Schwarz gehört ein zweistöckiges Haus an der Clemensstraße 79. "Bevor der Neubau errichtet wurde, haben wir auf einen grünen Hof mit viel Baumbestand geschaut", sagt der Schwabinger. "Jetzt ist da eine Mauer." Eine, die das Haus der Brüder Schwarz um 15 Meter überragt. "Der Bau wurde da reingepfercht", erklärt Anwalt Stephan Leitgeb, damit sei das Rücksichtnahmegebot verletzt worden. Weshalb die Brüder die Stadt München respektive die städtische Lokalbaukommission, die den Neubau 2019 genehmigt hatte, verklagten.

Inzwischen steht das Gebäude, das Gericht kann die verwinkelte Situation am Montag daher detailgenau in Augenschein nehmen. Besucht werden mehrere Innenhöfe, am Ende kommt die Kammer zum selben Ergebnis wie seinerzeit die Genehmigungsbehörde: Der Bau füge sich ein. "Die Rücksichtnahme ist vorgeprägt durch die umgebende Bebauung", begründet der Vorsitzende Richter Josef Beil die Entscheidung. Eine "gewisse Verschattung und Bedrückung" sei der Gegend "immanent". Zugleich stellt er fest, dass es rund um die Clemensstraße 79 so viel Luft und Licht wie sonst selten in Schwabing gebe.

Architekt Erich Jenewein vom Verein Urbanes Wohnen, der die Ecke sehr gut kennt - Urbanes Wohnen wurde 1982 für die Begrünung des (bis zum Neubau gemeinsamen) Hofes Apianstraße 8 und Herzogstraße 84 mit dem Frankfurter Baupreis ausgezeichnet - befürchtet durch die Gerichtsentscheidung nun städtebauliche Auswirkungen. Wenn dieser Bau akzeptiert werde, glaubt Jenewein, könnten auch die direkten Nachbarn ihre Gebäude auf bis zu vier Stockwerke erhöhen. Richter Beil hingegen beurteilt die Herzogstraße 84 nicht als Präzedenz-, sondern als "ganz gewöhnlichen Einzelfall". Und "nicht mal einen besonders aufregenden".

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