Urteil am Landgericht:Frau durch Kopfschuss getötet - Gericht spricht Ehemann frei

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Zwei Männer sind nach dem gewaltsamen Tod ihres Freundes und dessen Eltern angeklagt. (Foto: Sven Hoppe/dpa)

Srecko S. soll seine 20 Jahre jüngere Frau erschossen haben, weil sie sich von ihm getrennt hatte. Doch bei der Schwurgerichtskammer blieben Zweifel am Tatablauf: Wie kam etwa die Patrone in die Hand des Opfers?

Von Susi Wimmer

Srecko S., angeklagt wegen Mordes an seiner Ehefrau, ist ein freier Mann: Nach mehr als einem Jahr Verhandlung verurteilte die zweite Schwurgerichtskammer am Landgericht München I den 62-Jährigen lediglich wegen des unerlaubten Besitzes einer Schusswaffe. Die Staatsanwaltschaft hatte dem Mann vorgeworfen, seine 20 Jahre jüngere Frau, die sich von ihm getrennt hatte, mit einem aufgesetzten Kopfschuss regelrecht hingerichtet zu haben. Er selbst erklärte, der Schuss habe sich im Gerangel um die Waffe gelöst. "Das ist kein Freispruch mit Girlanden", sagte der Vorsitzende Richter Norbert Riedmann. Die Kammer sei zu 85 Prozent davon überzeugt, dass S. seine Frau getötet habe. "Aber es bleiben Zweifel." Die Staatsanwaltschaft hat bereits Revision eingelegt.

In dubio pro reo, so lautet der lateinische Grundsatz, wenn das Gericht einen Tathergang nicht komplett aufklären kann: im Zweifel für den Angeklagten. "Das ist unser Rechtssystem", sagte Verteidiger Benedikt Stehle nach dem Urteil. Im Februar 2021 hatte die Verhandlung gegen Srecko S. begonnen. Ein Prozess, der von Anfang an ungewöhnlich war. Denn die mutmaßliche Tat, die verhandelt wurde, ereignete sich bereits im August 2015 in der ehemals gemeinsamen Wohnung des Ehepaars in Haar.

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Srecko S. hatte gegenüber Ersthelfern und der Polizei stets angegeben, dass seine Frau sich habe töten wollen. Im Gerangel um die Selbstladepistole sei ein Schuss losgegangen und habe seine Frau in die linke Kopfseite über dem Ohr getroffen. Die älteste Tochter des Paares, damals 14 Jahre alt, die ihre tote Mutter im Schlafzimmer sah, rief später selbst die Mordkommission an, und teilte mit, sie habe Zweifel an der Version ihres Vaters. Er sei brutal gewesen, ihre Mutter sei nach der Trennung glücklich gewesen, sich endlich aus seinem Sklaventum befreit zu haben. Später revidierte sie diese Aussage.

Die fünf Kinder des Paares lebten vier Jahre mit dem Vater weiter in der Wohnung. Bis der Staatsanwaltschaft ein neues Gutachten vorlag. Demzufolge hatte die getötete Diana S. ( Name geändert) nur wenige Schmauchpartikel an der Hand, zu wenige, als dass ihre Hände sich bei der Schussabgabe in der Nähe der Waffe befunden haben könnten. Im Dezember 2019 wurde Srecko S. festgenommen und saß bis diesen Donnerstag in Untersuchungshaft. Etliche Anträge der Verteidigung, den Haftbefehl aufzuheben, schmetterte das Gericht aufgrund des dringenden Tatverdachts ab.

Wie kam die Patrone in die Hand des Opfers?

"Es befinden sich zwei Personen in einem Raum, am Ende ist eine tot", so hatte Staatsanwältin Johanna Heidrich ihr Plädoyer begonnen. Sie war überzeugt davon, dass S. die 36-Jährige getötet hatte, weil diese mit der ältesten Tochter nach Augsburg gezogen war. Ein Termin am Familiengericht stand bevor, die Frau wollte alle fünf Kinder zu sich nehmen. Am 3. August 2015 fuhr Srecko S. nach Augsburg und holte Diana S. und die Tochter nach Haar, weil man tags darauf einen Ausflug mit den Kindern plante. Im Schlafzimmer soll es laut S. zu einvernehmlichem Sex gekommen sein, die Waffe, die S. besaß, soll als Sexspielzeug verwendet worden sein. Er sagte, er sei auf die Toilette gegangen. Als er wieder kam, habe seine Frau die Waffe gegen sich gerichtet, er habe sie ihr entreißen wollen.

Diana S. soll am Boden gesessen sein, ihre rechte Hand, so sagte S., habe den Lauf umfasst. Er habe neben ihr gekniet und habe ihre Hand lösen wollen. Durch den aufgesetzten Kopfschuss war Diana S. sofort tot. In ihrer Faust fand sich eine Patrone. Die Verteidigung erklärte dies damit, dass die Patrone beim Auswurf in die Hand gelangt sein könnte. Staatsanwältin Heidrich kam zu dem Schluss, dass die Patrone nachträglich in die Faust der Frau geschoben wurde, um einen Suizid vorzutäuschen. Einer der Punkte, für die auch das Gericht keine Erklärung fand.

Srecko S. hatte sich nach der Tat ausführlich die Hände und das Gesicht gewaschen. An ihm fanden sich keine Schmauchspuren. Ebenso rätselhaft blieb die Sache mit dem Handy von Diana S. Sie hatte kurz zuvor einem anderen Mann Fotos von sich in Dessous geschickt. Kurz vor dem Schuss und nur eine Minute vor dem Notruf, also in der Zeit des mutmaßlichen Gerangels, wurde das Handy fünfmal eingeschaltet. Nach der Tat lag das Telefon zwei Stockwerke weiter unten in der Handtasche der bereits Toten. "Wir können vieles nicht klären", sagte der Richter. Die Kammer müsste sich von einem Geschehensablauf überzeugen, "das können wir nicht".

Zwei Ex-Frauen von Srecko S. hatten ihn im Zeugenstand als brutalen Schläger beschrieben. "Wäre ich geblieben, wäre ich tot", sagte eine von ihnen. Jetzt ist Srecko S. wieder frei.

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