Hochzeitsmesse:Ein schöner Popo reicht nicht

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Auf der Messe "Trau Dich!" gibt es Floristen und Fotografen, Mietlimousinenanbieter und Maßschneider - und Ratschläge, was für eine gute Ehe wirklich wichtig ist.

Von Julian Hans

Wo sind hier eigentlich die Männer? Man braucht heute zwar nicht mehr zwingend einen zum Heiraten, aber unter den Besuchern der Hochzeitsmesse "TrauDich!" muss man sie an diesem Wochenende schon sehr suchen. Der eine mit dem Ziegenbärtchen jedenfalls, der bei jeder Vorführung in der ersten Reihe vor dem Laufsteg sitzt und über das ganze Gesicht strahlt, der will gar nicht heiraten, beteuert er. Seine Begeisterung gilt seiner Tochter, die hat heute ihren ersten Auftritt als Brautmodenmodel.

Wenn es um den schönsten Tag im Leben geht, überlassen die Herren offensichtlich nach wie vor ihren Partnerinnen den Vortritt beziehungsweise die Arbeit mit der Vorbereitung. Oder das Vergnügen.

Es ist kurz vor 14 Uhr, als sich drei junge Frauen an der Bar eine Flasche Sekt und drei Gläser holen. Die Freundinnen haben sich eine Pause verdient. Seit vier Stunden sind sie auf den Beinen, haben sich jeden Stand auf der Messe im "MTC World of Fashion" an der Ingolstädter Straße angesehen: die Goldschmiede, die Maßschneider, die Tanzlehrer, Zauberer und Entertainer, die Fotografen, Floristen und Mietlimousinenvermieter. "Eigentlich alles, außer das Feuerwerk", sagt eine von ihnen.

Feuerwerk mag sie nicht. "Ihr Mann ist verkatert", sagt sie und zeigt auf ihre Freundin. "Und meinen interessiert das nicht. Der hat andere Qualitäten." Alle drei Frauen wollen im nächsten Jahr heiraten. Kennengelernt haben sie sich auch auf einer Hochzeit. Heiraten in Weiß? Das ist für sie nicht die Frage. Es kommt darauf an, herauszufinden, welches Weiß zu einem passt: das Cremeweiß? Das Perlmuttweiß? Weiß mit einem Hauch Rosa oder Pfirsich? Satinweiß? Eierschalenfarben? Champagner oder Elfenbein? Es gibt für jeden Typ das Richtige.

Zwei bärtige Models führen Anzüge vor. Als sie ganz vorne am Laufsteg ankommen, wackeln sie ein bisschen mit den Popos, die Zuschauerinnen klatschen.

Ein schöner Popo ist schön für den Moment. Wenn es um den Bund fürs Leben geht, zählen allerdings andere Dinge, davon ist Beate Wagner überzeugt. "Der Kopf muss zusammenpassen", sagt sie, "und die Ziele." Wagner hat ihren Stand ein Stockwerk über der Modenschau aufgebaut. Zusammen mit ihrem Mann Klaus-Jürgen führt sie freie Trauungen durch - "mit Warmup". Für Leute, die mit der Kirche nichts mehr anfangen können.

Paarcoachings haben sie auch im Programm: "Eine Ehe kann auch nach 30 Jahren noch glänzen und strahlen wie ein gepflegter Oldtimer", lautet ihr Versprechen. Ihre glänzt jetzt seit 34 Jahren, das wollen sie weitergeben. Beide haben auch noch richtige Berufe - Patentprüfer er und sie Beraterin im Gesundheitswesen. Hochzeiten und Coachings seien eher ein Hobby: "Uns treibt der Spaß an", sagt Beate Wagner.

Neben den Wagners steht Margaret Kleske. Sie hat ein Kartenspiel entwickelt, dass die Liebe frisch halten soll. Auf den Karten stehen kleine Aufgaben und Überraschungen: "Schreibe fünf Zettel mit schönen Botschaften für deinen Partner und verstecke diese an Orten, wo er sie in der kommenden Woche finden kann". Sie habe sich die Karten zusammen mit ihrem Mann während der Elternzeit ausgedacht, erzählt Kleske. Sieben Jahre sei es her, seit sie geheiratet habe, aber ganz sicher ist sie sich da nicht: "Ich hoffe, ich sage nichts Falsches, sonst killt mich mein Mann."

Dass das Geheimnis einer unvergesslichen Hochzeit nicht in der Wahl der Ringe liegt oder in der Zahl der Stockwerke der Torte, dass ahnt man spätestens, nachdem man sich einen halben Tag lang durch das Gewusel gedrängt hat. Wenn Brautsträuße, Einladungskarten, Fotoboxfotos und Tischdekos zu einem einzigen sanftrosa-cremefarbenen Strom verschwimmen, unterlegt mit einem steten Schlagergurgeln.

Dann bittet man am besten einen, der schon alles gesehen hat, um ein ehrliches Wort. Einen, der beim Morgengrauen mit dem voll bekleideten Bräutigam im Whirlpool saß, der die vollgespuckten Waschbecken kennt, die Betrunkene hinterlassen und das peinliche Schweigen im Saal, wenn der Brautvater sich entschlossen hat, den Sex in den Mittelpunkt seiner Rede zu stellen.

David Kottmaier hat schon auf Hunderten Hochzeiten gespielt. Zwei Gigs pro Woche hatte seine Band "Pianissimo" im vergangenen Jahr. Die Münchner haben alles drauf, was zum Thema passt: "Against all Odds", "Verdammt ich lieb Dich", "Rosegarden", "Tausendmal belogen" und natürlich den Zillertaler Hochzeitsmarsch. Konservativere Kunden bitten sie manchmal, "Highway to Hell" nicht zu spielen, normalerweise ein sehr beliebter Song besonders bei den alten Kumpels des Bräutigams. Die Freundinnen der Braut stürmen dafür bei "Männer sind Schweine" die Tanzfläche.

David Kottmaier hat mit seiner Band schon auf Hunderten Hochzeiten gespielt. (Foto: Sebastian Gabriel)

So sehr sich Hochzeitsfeiern in den Details unterscheiden, eine Grundregel hat der 27-jährige Sänger und Keyboarder inzwischen ausgemacht: "Je mehr Freunde, desto besser die Party." Familie will reden. Freunde wollen feiern.

Auf dem Weg zum Ausgang trifft man sie schließlich doch noch, die Männer, die sich auf die TrauDich! getraut haben. Sie sind alle an einem Stand kleben geblieben. Abwechselnd heben sie einen Rennwagenreifen an, wiegen den Kopf, schließen die Augen, heben den Reifen noch einmal an, lassen ihre Finger über seine glatte Oberfläche gleiten. Ihr ganzes Einfühlungsvermögen ist gefragt. Wer das Gewicht des Reifens richtig schätzt, kann zwei Tage mit einem Sportwagen gewinnen.

Den Trick hat sich eine Vermögensberatung ausgedacht, um die Besucher in ihre Vorträge zu locken: "Pfiffige Finanztipps für frisch Verheiratete." Da sitzen dann Frauen mit kugelrunden Bäuchen, ihre Partner haben fürsorglich die Arme um ihre Schultern gelegt. Auf einer Leinwand klettern Vermögenskurven aufwärts. Zum Glück hat Albert Einstein auch zu diesem Thema ein Zitat im Internet hinterlassen: "Die größte Kraft im Universum - von der Liebe einmal abgesehen - ist der Zinseszinseffekt", zitiert ein Vermögensberater den Physiker. Einstein hat das zwar nie so gesagt, aber es passt einfach sehr gut, um die Brücke vom Liebesglück zum finanziellen Glück zu schlagen.

Wann und wie oft man denn eigentlich die Steuerklasse wechseln dürfe, will ein Zuhörer wissen. "In dem Moment, wo ich die Pille weglasse, ändere ich die Steuerklasse", lautet der Rat. Sieh an, es ist viel einfacher als E=mc².

© SZ vom 28.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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