Ungewitter:Auf den Spuren von Patrick Süskind

Lesezeit: 3 min

Im Ungewitter könnte jeder Tisch ein Stammtisch sein. (Foto: Robert Haas)

Der eine oder andere Drink gehört beim Lokaltest dazu - aber was, wenn die Autorin zu tief ins Glas schaut? Im "Ungewitter" fühlt sie sich an das Ein-Personen-Stück "Der Kontrabaß" erinnert. Ein Drama in mehreren Schlucken.

Von Sarah Maderer

Die Bar Ungewitter am nördlichen Ende der Arcisstraße. Ein Radiohit wird gespielt, "Flowers" von Miley Cyrus. Schritte, die sich entfernen, wiederkommen. Eine Flasche wird geöffnet, der Barkeeper schenkt sich ein Bier ein.

Wieder eine Barkritik. Wie oft musste ich hören: Lässiger Job, beruflich trinken gehen. Arbeit ist es! Eine journalistische dazu. Wo sonst liegen Wirtschaft, Kultur und Gesellschaft so eng beieinander wie in der Gastronomie? Eben, nirgends. Man kommt sich ein bisschen vor wie Süskinds Kontrabassist, rechtfertigt Selbstverständliches und stößt mit sich selbst an. Da fällt mir ein, Süskind hat am 26. März Geburtstag. Und soll hier um die Ecke wohnen oder mal gewohnt haben. Aber das am Rande.

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"Dienstag Biertag, Trinke drei, zahle zwei", heißt es auf der Karte. Zum Glück bin ich nicht Mittwoch oder Donnerstag gekommen, da gilt Selbiges für Schnaps. Also bitte, ein Tegernseer Helles von Fass für 4,30 Euro. "Ob es wohl ein schlechtes Zeichen ist, wenn der Barkeeper Flaschenbier trinkt? Der weiß, wie die Zapfanlage ausschaut!", scherzt ein Gast am Tresen. "Nee Bro, ich mag einfach kein Tegernseer", kontert Barmann Yasin. Mit der Belegschaft ins Gespräch kommen, immer eine gute Idee für journalistisches Futter. In manchen Bars geht das schneller als in anderen. Hier auch.

Yasin ist schon genervt von der Frage nach der Bardame Charlotte. "Seit drei Jahren sind wir jetzt hier und die Leute denken immer noch, Charlotte hätte was zu sagen", lacht er und zapft das Zweite von Drei. 1996 hat die blonde Rheinländerin das Ungewitter eröffnet, stand mehr als 20 Jahre täglich hinter der Bar. Ihr Nachfolger ist Nguyen-Hai Duong, der auch den Pilsdoktor in der Leopoldstraße betreibt. Aber das am Rande. Charlotte komme ab und an noch vorbei, erzählt Yasin und geht vor die Tür, um mit ihr zu telefonieren. So wenig kann sie nicht zu sagen haben.

Die ehemalige Chefin Charlotte ist in der Bar noch allgegenwärtig. (Foto: Robert Haas)

Zwischendrin ein schneller Kurzer. Der Mexikaner (3 Euro), ein Shot aus Tomatensaft, Tabasco und einer klaren Spirituose wie Korn oder Wodka, sei selbstgemacht, sagt Yasin. Schmeckt auch so, angenehm scharf und wärmend. Halt, Notizen machen nicht vergessen! Schau'n Sie, keine Sekunde kann man den Stift aus der Hand legen. Wasser täte jetzt gut, oder Cola. Je 2,80 Euro für 0,4 Liter? Gib' beides, Yasin! Ach ja, Notizen: Retro-Jukebox neben Stehtischen aus Holzfässern und Tischplatten. Urige Nischentische aus Massivholz, jeder könnte ein Stammtisch sein. Die Wände voller Fotos, Charlotte ist immer noch allgegenwärtig.

Das Tegernseer Helle kommt vom Fass. (Foto: Robert Haas)
Kleine Anleitung zum ordentlichen Benehmen. (Foto: Robert Haas)

Drei von drei. Biertag geschuldet bleibt heute wenig Platz fürs restliche Sortiment wie Weine (je 4,20 Euro), Longdrinks, Spritz und Cocktails (je 6,90 Euro), alle ohne Schnickschnack und Überangebot. Außer bei Schnäpsen (je 3 Euro), da gibt's fast alles. Sogar flaschenweise verkaufen's das Teufelszeug! Die 0,7-Liter-Flasche Hochprozentiges ab 50 Euro, die Flasche Apfelkorn für 15,50 Euro, na gut' Nacht! Mit gediegenem Genuss hat das nicht mehr viel zu tun. Vielleicht hängen auch deswegen Schilder aus, man möge lautes Trommeln und Grölen doch bitte unterlassen. Das sind ja Gäste...

Wobei, das Publikum ist gemischt. Jungvolk und Stammgäste, von denen es manche namentlich mit Messingschild an den Bartresen geschafft haben. An ihren Platz darf man sich trotzdem setzen. "Manche gibt's nicht mehr, manche haben Hausverbot", erklärt Yasin. Und auch Schwabinger Herren vom geleckten Schlag verirren sich in eine Boazn wie das Ungewitter, wahrscheinlich um sich zu beweisen, dass der Grunge nicht allzu tief unter der Steppweste sitzt. Aufg'spritztes München!

Schluss, weg mit dem Drecksgriffel, ich brauch' frische Luft. Ein kleiner Spaziergang wird's richten. Vielleicht stolpere ich über Süskinds Klingelschild, weit kann's nicht sein. Ein kleines Prosit auf seinen Geburtstag, das wär's doch, so von Autor zu Autor. Die Geheimnistuerei, das verhuschte Image, ich kauf's ihm nicht ab. Der ist bestimmt am Feiern. Ich werd's rausfinden, ich gehe jetzt. Ich geh' jetzt zum Süskind und klingle. Sie können es ja morgen in der Zeitung lesen.

Ungewitter , Arcisstraße 62, 80799 München, Telefon: 089/2715196 , Öffnungszeiten: Dienstag 20 bis 3 Uhr, Mittwoch und Donnerstag 20 bis 4 Uhr, Freitag, Samstag und Feiertag 20 bis 5 Uhr.

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