Kultur:Süper, süper, süper

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Schauspieler Thomas Loibl mit der Geschäftsführerin des Piper Verlages Felicitas von Lovenberg. (Foto: Catherina Hess)

Von Pep Guardiola bis zu den Frauen Afghanistans: Beim Sommerfest am Salvatorplatz feiert die Kulturszene 25 Jahre Literaturhaus und erinnert an die großen Momente einer Institution, die Büchermenschen einfach lieben müssen.

Von Christian Mayer

Was für ein Glück, dieser Abend auf der Terrasse der Brasserie Oskar Maria. Der blaue Himmel über München leuchtet majestätisch, die frische Luft trägt die Aerosole fort. Bei diesem Fest, mit dem sich das Literaturhaus zum 25. Geburtstag selbst beschenkt, erlebt man eine Kulturszene in Bewegung und befreit wirkende Gäste wie Uwe Timm, Felicitas von Lovenberg, Julian Nida-Rümelin, Tilman Spengler, Wolfgang Heubisch, Edgar Selge, Franziska Walser, Dana von Suffrin und viele andere, die diesen Ort vor allem deshalb schätzen, weil zur gemeinsamen Leidenschaft, den Büchern, nicht nur das Lesen und Schreiben gehört, sondern auch ein starkes Mitteilungsbedürfnis. Und natürlich der Wunsch, gesehen und gehört zu werden, am besten bei einem Aperol Spritz und nostalgischen Marlene-Dietrich-Songs, gesungen von Antonia Dering.

Eigentlich sollte der Oberbürgermeister an diesem besonderen Geburtstag sprechen, aber der lässt sich entschuldigen. Katrin Habenschaden hat als Reiter-Vertreterin inzwischen Routine mit charmanten Festreden. Münchens zweite Bürgermeisterin erzählt, wie sich vor mehr als einem Vierteljahrhundert erhebliche Widerstände gegen die Gründung des Literaturhauses manifestierten. Auch in der Süddeutschen Zeitung wollten die Kritiker - ausschließlich männliche Kritiker, wie Habenschaden süffisant hervorhebt - überhaupt nicht einsehen, warum man so etwas braucht: ein Literaturhaus. Neue Theater, Konzerthallen, Einkaufszentren, Fußballstadien, okay. Aber wer braucht einen Ort, an dem es um Bücher geht und die Menschen, die sie schreiben? Und noch dazu in einer der besten Immobilien der Stadt?

"Heute ist das Literaturhaus einer der beliebtesten Kulturorte der Stadt", sagt Habenschaden, bei der man tatsächlich annehmen darf, dass Kultur für sie nicht nur Pflichtprogramm ist. Die Kritiker sind längst verstummt, 220 Kulturveranstaltungen im Jahr (allerdings vor der Pandemie) sprechen für sich, außerdem schaffe es die Chefin Tanja Graf mit ihrem 13-köpfigen Team immer wieder, das Publikum zu überraschen. Etwa mit liebevoll kuratierten Ausstellungen über Helmut Dietl, Oskar Maria Graf, Thomas Mann oder Gerhard Polt - im Herbst würdigt das Literaturhaus übrigens auch mal eine Frau: Dann geht es um Simone de Beauvoir und ihr epochales Werk "Das andere Geschlecht".

Die Kabarettistin und Autorin Claudia Pichler mit Münchens zweiter Bürgermeisterin Katrin Habenschaden. (Foto: Catherina Hess)

Die Hausherrin Tanja Graf wiederum kann auf einen Satz von Edgar Selge zurückgreifen: "Eine Stadt ohne Literaturhaus ist gar keine richtige Stadt", hat der Schauspieler kürzlich gesagt, dem mit seinem Buch "Hast du uns endlich gefunden" im vergangenen Jahr ein eindrucksvolles Debüt gelang. Tanja Graf erinnert in ihrer Rede an die wechselvolle Geschichte des Salvatorplatzes: Im 17. Jahrhundert ließ der Wittelsbacher Herzog Ferdinand Maria auf dem Grundstück eines ehemaligen Kornspeichers ein barockes Opernhaus errichten; Ende des 19. Jahrhundert entstand an gleicher Stelle das bekannte Palais im Renaissance-Stil, in dem bis in die Achtzigerjahre eine Mädchenschule untergebracht war. Diese historisch angelegte Verbindung von Bildung, Kultur und Glamour gefällt der Literaturhauschefin - "das ist ja auch unser Auftrag". Viel Applaus gibt es zudem für Reinhard Wittmann, Tanja Grafs Vorgänger, der das Literaturhaus von 1999 bis 2016 leitete. Wittmann nimmt an diesem Freitagabend zahlreiche Gratulationen entgegen, denn seit einigen Tagen steht fest, dass sein Herzensprojekt, das "Forum Humor", dank großzügiger Unterstützung des Bundes in Bernried gebaut werden kann.

Eher nachdenklich klingt die Verlegerin Elisabeth Sandmann: "Was sind das für Zeiten, in denen sich sogar Mitglieder des PEN an die Gurgel gehen?", fragt sie. Als Begegnungsstätte und als geschützter Raum sei das Literaturhaus daher umso wichtiger, etwa für Projekte wie "Writers in Exile", Schriftstellerinnen aus der Ukraine oder Lesungen, bei denen Frauen aus Afghanistan zu Wort kommen, die in ihrer Heimat zum Schweigen verdammt sind.

Politik trifft Literatur: Landtags-Vizepräsident Wolfgang Heubisch (links) mit Franziska Sperr, Johano Strasser, Edgar Selge, Franziska Walser und Nathalie Weidenfeld. (Foto: Catherina Hess)

Politik muss sein, aber die Gäste haben zugleich Gelegenheit, noch einmal die schönsten Anekdoten aus 25 Jahren Literaturhaus auszutauschen, die großen und kleinen Begegnungen mit Nobelpreisträgern, Dichterinnen, Essayisten. Der Schauspieler Thomas Loibl erinnert sich besonders lebhaft an den Sommerabend 2015 mit Pep Guardiola, der nicht nur ein Meisterstratege, sondern auch ein großer Literaturfreund ist und bei einer live übertragenen Lesung Werke seines katalanischen Lieblingsdichters Miquel Martí i Pol vortrug. Loibl und Guardiola beim lyrischen Doppelpass, das war für alle, die dabei waren, ein Fest - "wie er mir die letzten Sätze der Gedichte auf Katalanisch hingespielt hat, dass ich den Ball sofort aufnehmen konnte, einfach grandios", sagt Loibl.

"Süper, süper, süper", lautete damals Guardiolas Fazit. Kann man an diesem Abend so stehen lassen.

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