Kultur:14 Tipps für die Lange Nacht der Münchner Museen

Lesezeit: 5 min

Die Lange Nacht der Münchner Museen ist immer eine gute Gelegenheit, Kunst und Kultur von der Antike bis heute zu genießen. (Foto: Staatliche Antikensammlungen und Glyptothek München / Astrid Fendt)

Das Kult-Event hat die Corona-Pause überstanden. Ein Blick auf Neues und auf Allzeit-Klassiker der Münchner Museumsnacht.

Von Greta Hüllmann, Sofia Pavlu und Magdalena Zumbusch

"Alle runter vom Sofa, es gibt keine Ausreden." Glaubt man den Worten von Bayerns Kulturstaatsminister Markus Blume, gibt es am kommenden Samstag nichts Besseres zu tun, als während der Langen Museumsnacht Münchens Museen, Galerien und Kirchen zu besuchen. Zwischen 18 Uhr und 1 Uhr können Nachteulen unter dem Motto "Mehr Museum für alle" etwa 80 große und kleine Institutionen, Sonderausstellungen, Führungen und Konzerte entdecken.

Sudetendeutsches Museum, Jüdisches Museum, NS-Dokumentationszentrum

Erst vor zwei Jahren eröffnete das Sudetendeutsche Museum in München unweit vom Gasteig. (Foto: Stephan Rumpf)

Vor zwei Jahren eröffnete das Sudetendeutsche Museum in München. Die noch recht junge Institution widmet sich der Geschichte der Sudetendeutschen, also der deutschsprachigen Bevölkerung der böhmischen und mährischen Gebiete im heutigen Tschechien. Mithilfe von Lasern im Museum wird um 21, 22 und 23 Uhr die komplexe Geschichte der Sudetendeutschen erzählt, von deren Vertreibung, aber auch ihrer Rolle im Nationalsozialismus.

Zusätzlich zum farbenprächtigen Crashkurs ist die Sonderausstellung "Allerley Kunststück. Reliefintarsien aus Eger" zu sehen, die fein gearbeitete Holzreliefs zeigt. Neben dem Sudetendeutschen Museum lenken auch das NS-Dokumentationszentrum und das Jüdische Museum die Aufmerksamkeit auf die Geschichte. So werden im Dokumentationszentrum Rundgänge durch die Ausstellungen "München und der Nationalsozialismus" sowie "To Be Seen. Queer Lives 1900-1950" angeboten. Letztere dokumentiert das Leben und Wirken von queeren Menschen in Deutschland. Einen unerwarteten Einblick verschafft das Jüdische Museum mit seiner Ausstellung "Heidi in Israel. Eine Spurensuche". Sie wirft ein Schlaglicht darauf, wie Johanna Spyris berühmtes Kinderbuch seit 1944 in Israel rezipiert wird.

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Sammlung Schack, Lenbachhaus

Ikone des Blauen Reiter: Franz Marcs "Blaues Pferd I" von 1911 in der Städtischen Galerie im Lenbachhaus. (Foto: Lenbachhaus)

Eine Auswahl aus der Sammlung der wegen der Sanierung geschlossenen Neuen Pinakothek, beginnend mit Klassizistischem über Werke der Romantik bis zur klassischen Moderne, ist aktuell in der Sammlung Schack zu sehen. Außerdem natürlich Werke des Privatsammlers Adolf Friedrich von Schack, der Kopien italienischer Meister des 16. und 17. Jahrhunderts wie Giorgione, Tizian und Tintoretto liebte wie auch Historienbilder und Landschaftsgemälde. Böcklin, Feuerbach, Spitzweg und Schwind sind etwa zu sehen, und nicht zu vergessen Franz von Lenbachs "Hirtenknabe" - das It-Piece der Sammlung. Mehr von Lenbach gibt's natürlich im Münchner Lenbachhaus am Königsplatz, wo die historischen Räume immer einen Besuch wert sind. Das Schwergewicht in dem städtischen Museum sind aber natürlich die Werke des Blauen Reiter wie Marc, Macke, Klee, Münter, Jawlensky und Kandinsky, die umfangreiche Beuys-Sammlung und die bedeutsamen Ausstellungen zeitgenössischer Kunst.

Espace Louis Vuitton, Museum Fünf Kontinente

Im Espace Louis Vuitton sind derzeit auch die wunderbaren Schwarz-Weiß-Fotografien von Zanele Muholi zu sehen. (Foto: ©Zanele Muholi Courtesy of the Fondation Louis Vuitton)

Im Kunstraum Espace von Louis Vuitton ist die Ausstellung "From South Africa" zu sehen, die zwei südafrikanischen Fotopositionen zeigt: Zanele Muholi und David Goldblatt. Goldblatts farbige Landschaftsfotografien beschäftigen sich mit der Geschichte der Beziehung zwischen der südafrikanischen Bevölkerung und ihrem Land vor und nach der Apartheid. Muholi porträtiert die südafrikanische LGBT-Szene. Das ehemalige Völkerkundemuseum, heute das "Museum Fünf Kontinente", widmet sich Kunst- und Kultobjekten aus anderen Kulturkreisen, so aus Afrika, Myanmar, Nordamerika, Orient, Ozeanien und Südamerika. Aktuell sind außerdem die Plastiken und Schwarz-Weiß-Radierungen der zeitgenössischen syrischen Künstlerin Simone Fattal zu sehen. Gegen 21 Uhr spielt ein Duo Sezgin Inceel/Stas Mishchenko Akustik-Folk mit Elektro- und Jazz-Elementen.

Patentamt im "Pschorr 8"

Kann man in der Zukunft irgendwann in den Wolken leben, wenn es auf der Erde zu voll wird? Diese wolkige Frage stellte sich der argentinische Installationskünstler Tomás Saraceno, als er sein Werk "Flying Garden" schuf. Das fragile Gebilde schwebt, durch Seile und Drähte fixiert, in der riesigen Eingangshalle des Patentamt-Gebäudes an der Hackerbrücke. Während den Hauptstandort des europäischen Patentamts in München, den gläsernen Bau an der Isar, viele kennen, ist das "Pschorr 8" an der Hackerbrücke weniger bekannt: In der Langen Nacht sind dort erstmals öffentlich rund 50 Werke zu sehen, an denen sich sonst nur Mitarbeiter erfreuen dürfen. Eine gewisse Auseinandersetzung mit Fragen aus Naturwissenschaften und Technik war die Vorgabe an Kunstwerke, die Eingang in die Sammlung fanden. Wie bei einer Installation des österreichischen Künstler Paul Leitner, der seine Faszination für alltägliche Apparate in Werke umsetzt, die mit unerwarteten Effekten spielen: Für eine Installation im "Pschorr 8" brachte Leitner vier Glühbirnen hinter einer Reihe von 50 Thermometern an. Die Thermometer zeichnen die Temperatur der von den Glühlampen abgegebenen Wärme auf und erzeugen so eine Art Bild. Der Betrachtende vervollständigt dieses Bild zudem, denn eine der Lampen ist mit einem Bewegungsmelder verbunden und leuchtet nur, sobald sich jemand dem Kunstwerk nähert. Den Rundgang sollte man sich nicht entgehen lassen: Am 16. Oktober sind die Türen des "Pschorr 8" für die Öffentlichkeit schon wieder verschlossen.

Herz-Jesu-Kirche

In der Herz-Jesu-Kirche wird eine Komposition von Mathias Rehfeldt zu hören sein. (Foto: Hartung/Trenz)

Die Klagelieder Jeremias, Teil des Alten Testaments und Buch des Tanach, erzählen von der Zerstörung Jerusalems und des Tempels. Tränen, Seufzer und Erschütterung ziehen sich durch die fünf Kapitel, die in christlicher und jüdischer Tradition in der Karwoche und an der Klagemauer vorgetragen werden. Für den Komponisten Mathias Rehfeldt bieten sie Grundlage und Inspiration seines Werkes "Oratio", das um 19, 21 und 23 Uhr in der Herz-Jesu-Kirche erstmals vor Publikum aufgeführt wird. Das Stück mit Solisten und Solistinnen, Chor und dem Bayrischen Staatsorchester vertont nicht nur die Trauer um Jerusalem. Rehfeldt zeigt in dem ergreifenden Stück die tiefe Erschütterung über die Missbrauchsskandale innerhalb der katholischen Kirche. Gemeinsam mit 100 Kunstschaffenden aus verschiedenen Sparten und Betroffenen bezieht Rehfeldts musikalischer Beitrag Position als Teil des Projektes "Here we are - Missbraucht. Verraten! Hoffnung?" der Erzdiözese München und des Kulturmanagements Freising gegen Missbrauch.

Haus der Kunst

Eine Retrospektive der New Yorker Legende der Performance- und Videokunst, Joan Jonas, ist im Haus der Kunst zu sehen. (Foto: Joan Jonas / VG Bild-Kunst, Bonn)

Wer zeitgenössische Arbeiten sehen möchte, findet im Haus der Kunst aktuell die amerikanische Video-Künstlerin Joan Jonas. Ihre bisher größte Ausstellung in Deutschland zeigt im Eingangsbereich des Museums das Video "Wolf Lights": Eine Tänzerin mit Wolfsmaske in animalischen Posen vor den grellen Neonlichtern von Las Vegas. Die "Rivers to the Abyssal Plain" drinnen sind erst im vergangen Jahr entstanden, nachdem sich die 86-jährige Jonas mit den Ökosystemen des Meeres auseinandergesetzt hatte.

BMW-Museum, MVG-Museum

Mit der Geschichte des Münchner Nahverkehrs setzt sich das MVG Museum auseinander. (Foto: MVG Museum)

Hightech- und Oldtimerfreunde sind im BMW-Museum gut aufgehoben: Neben der regulären Dauerausstellung gibt es im Rundbau neben dem Hauptgebäude - der sogenannten "Schüssel" - die neu eröffnete Wechselausstellung "Reimagine" zu erkunden. Gezeigt werden ikonische Fahrzeuge von BMW und den Tochtermarken Mini und Rolls-Royce . Zum Ausklang des Abends wird aufgelegt, dazu singt der Münchner Tommy Reeve Pop-Melodien. Das MVG-Museum setzt sich mit der inzwischen 160-jährigen Geschichte des Nahverkehrs auseinander. In einem ehemaligen Ausbesserungswerk für Trambahnen zeigt das Museum historische Fahrzeuge. Die Sonderausstellung "Olympia" informiert über den Bau der U-Bahn in München, die viele Jahrzehnte nach dem Trambahn-Netz erst auf den Plan trat: Für die Olympischen Spiele wurde das U-Bahn-Netz in München richtig angepackt - und der Stadt damit ein wichtiger Entwicklungsschub in die Zukunft gegeben.

Alte Pinakothek, Glyptothek

Die Sonderausstellung "Jenseits von Hellas" gibt Einblicke in die Arbeiten von Santiago Calatrava in der Glyptothek. (Foto: Staatliche Antikensammlungen und Glyptothek München)

Vor mehr als 20 Jahren stand Santiago Calatrava in der Glyptothek vor einer Skulpturengruppe, die Szenen aus dem Troianischen Krieg zeigt. Die Skulpturen aus dem antiken Tempel der griechischen Göttin Aphaia inspirierten den spanisch-schweizerischen Architekten so sehr, dass er moderne Versionen der Krieger schuf. Calatravas schmiedeeiserne Figuren sind ungewöhnlich, zart und stark zugleich, und stehen dunkel inmitten der weißen Skulpturen der Glyptothek. Die Ausstellung ist die erste, die sich Calatravas bildhauerischem und malerischem Œuvre widmet. Mehr aus der Antike gibt es auf der anderen Seite des Königsplatzes: In den Staatlichen Antikensammlungen sind Kunst- und Gebrauchsgegenstände von Griechen, Römern und Etruskern zu sehen. Schmuck, Vasen und Bronzen, die teilweise vor 5000 Jahren gefertigt wurden, verbinden die Besuchenden von 2022 mit ihren Vorfahren. Deutlich jünger, aber nicht weniger beeindruckend präsentiert sich auch die Gemäldegalerie der Alten Pinakothek. Ihre Werke zählen zu den herausragendsten in Europa.

Bus-Touren

Durch fünf speziell für die Museumsnacht organisierte Buslinien sind die Münchner Stadtgebiete mit hoher Museumsdichte gut erschlossen: Alle Touren starten innenstadtnah und halten jeweils vor bis zu 30 Ausstellungsorten. Die zentralen Haltestellen bieten außerdem Umsteigemöglichkeiten von einer Tour zur anderen. Die "Innenstadt"-Tour führt - mit einem Schlenker bis nach Sendling - um die Altstadt. Die Tour "West" führt vom NS-Dokumentationszentrum bis zum Museum Mensch und Natur in Nymphenburg. Das Schloss Nymphenburg verbindet die Linie "Nord" mit dem in Nordschwabing gelegenen BMW-Museum. Weiter südlich führt die Tour "Schwabing" vom Amerikahaus über das Pinakotheken-Viertel zur LMU. Die Tour "Ost" bringt Besucher vom Museums-Knotenpunkt an der Prinzregentenstraße zu den wichtigen Adressen im Osten Münchens und anschließend zurück Richtung Zentrum bis zum Deutschen Museum.

Lange Nacht der Münchner Museen , Sa., 15. Okt., Infos unter muenchner.de/museumsnacht

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