Das könnte ein Text über die Verweichlichung der Jugend sein. Wenn Rina Sawayama ihren Fans von der Bühne in therapeutischer Feinfühligkeit zuruft, dieser gemeinsame Abend solle helfen, man selbst zu sein, happier stimmen, heilen - fiele es nicht schwer, das als Phänomen einer Gegenwart der Zartbesaiteten, der Verhätschelten zu interpretieren, die nur sich und ihre Feelings spüren wollen. Doch Sawayamas Ansprache ließe sich auch anders lesen. Zwischen den Zeilen schwingt mit, wie selten ihre jungen Fans wohl sie selbst sein dürfen, wie wenig happy sie oft in diesem Leben sein müssen, wie versehrt, wenn sie von ihr Heilung ersuchen. In ihrer Musik entlädt sich all das. Es ist die Performance eines kommenden Weltstars. Aber wer ist Rina Sawayama?
In den Neunzigerjahren ist sie die Tochter japanischer Einwanderer. Anfang der Nullerjahre ist sie, wie sie in Interviews verriet, eine Teenagerin mit Alkoholproblem. In ihren Zwanzigern ist sie Politikstudentin an der University of Cambridge. Und weil das nicht genug zu sein scheint, entscheidet sie sich zu modeln. Nicht für irgendwen, sondern für Versace. Und weil auch das noch nicht genug zu sein scheint, weil sie mit Talent für mehr als ein Leben gesegnet ist, schauspielert sie auch. Nicht mit irgendwem, 2023 wird sie neben Keanu Reeves in "John Wick 4" zu sehen sein.
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Warum sie für den Blockbuster besetzt wurde, lässt sich in der Muffathalle verstehen. Sawayama ist eine fantastische Entertainerin. Sie kann todernst. Dann erzählt sie auf der Bühne von ihrer Therapie. Sie kann aber auch komisch. Dann spielt sie mit Grimassen, die Influencer ziehen. Sie setzt sich einen glitzernden Cowboyhut auf. Und man fragt sich, was als Nächstes passiert. Weil singen kann sie ja auch. Ihre Stücke zitieren Nu Metal, Pop, etwas, das Country ähnelt, und Clubsounds. Auch das ist Zeitgeist, auch das könnte für die HBO-Serie "Euphoria" erdacht sein. Vielleicht aber auch nicht, weil so ein Text ist das ja nicht.