Kommunalwahl:"Eine Stellvertreterpolitik lehnen wir ab"

Lesezeit: 3 min

  • Die Wähergruppe ZuBa (Zusammen Bayern) hat zum Ziel, Menschen mit ausländischen Wurzeln mehr Mitsprache zu ermöglichen.
  • Die Vereinigung sieht sich als Plattform für ein sozial-ökologisches, feministisches und interkulturelles München.
  • Der Spitzenkandidat der Wählergruppe ist Cetin Oraner. Er sitzt bereits seit 2014 für Die Linke im Stadtrat.

Von Thomas Anlauf

Sie sammeln Unterschriften für etwas, das in München eigentlich völlig normal sein sollte. Seit einigen Tagen werben Cetin Oraner, Julia Mimbang, Thanasis Bagatzounis und ihre Mitstreiter für ein Zusammenleben der verschiedenen Nationalitäten und Kulturen auf Augenhöhe in der Stadt. Dafür steht die Abkürzung ZuBa, Zusammen Bayern. Noch drei Wochen hat die neue Wählergruppe Zeit, um tausend Unterschriften zu sammeln, die sie braucht, um bei der Kommunalwahl am 15. März antreten zu können. Der bisherige Linken-Stadtrat Oraner ist zuversichtlich, genügend Unterstützer zu finden. Am Freitagvormittag waren es bereits mehrere Hundert Münchner, die sich am Marienplatz in die Unterstützerlisten eingetragen haben. "Es ist Zeit, dass wir uns emanzipieren in der Gesellschaft", sagt Oraner.

Der Spitzenkandidat von ZuBa ist seit 2014 Stadtrat. Er trat damals für die Linke an, obwohl er zu dem Zeitpunkt noch Mitglied bei der DKP war; das gab Ärger bei der Linken und offenbar hat der Kreisvorstand Oraner bis heute nicht verziehen. Obwohl der Musiker mit kurdischen Wurzeln 2017 aus der DKP austrat, wollte man ihm keinen Spitzenplatz mehr auf der Liste geben. Es gebe keinen Automatismus, einen vorderen Platz zu bekommen, nur weil man einen Migrationshintergrund habe, soll jemand aus dem Linken-Kreisvorstand zu ihm, dem Stadtrat, gesagt haben. Die Folge: Oraner stieg auch bei der Linken aus und ist nun Chef von ZuBa.

Politik in München
:Wahlkampf vor dem Wahlkampf

Um in München auf den Wahlzettel zu kommen, müssen kleine Parteien 1000 Menschen finden, die für sie auf einer Liste unterschreiben. Das klappt nicht immer.

Von Heiner Effern

In der Präambel der neuen Wählergruppe heißt es, dass in den etablierten Parteien Bevormundung bis hin zu Diskriminierung von Migranten genau so verbreitet sei wie in anderen Teilen der Gesellschaft. Selbst bei Grünen, Linken und SPD seien bei den Aufstellungsversammlungen der Parteien Kandidaten mit Migrationshintergrund "auf die hinteren Listenplätze verbannt" worden. Das sei angesichts der Tatsache, dass fast jeder zweite Münchner ausländische Wurzeln hat, "eine fatale Entwicklung".

Trotzdem will sich ZuBa nicht als reine Migrantengruppierung sehen, es geht den Politikern darum, die Normalität von Menschen mit verschiedenen Kulturen auch im Stadtrat abzubilden, wo laut Oraner derzeit lediglich sieben Prozent der Mitglieder einen Migrationshintergrund haben. Nun sei es an der Zeit, dass auch Migranten stärker im Stadtrat vertreten sein müssten. Denn "eine Stellvertreterpolitik lehnen wir ab", sagte Cetin Oraner am Freitag.

Die Gruppierung sieht sich aber nicht nur als Stimme für Münchner mit ausländischen Wurzeln, sondern vor allem als eine Plattform für ein sozial-ökologisches, feministisches und interkulturelles München. So fordern die Politiker einen Mietenstopp und die Enteignung der Wohnungskonzerne, eine 50-prozentige Frauenquote in allen leitenden Positionen der Stadtverwaltung und eine Kommunalisierung des Gesundheitswesens. Dafür macht sich vor allem Thanasis Bagatzounis stark, der auf Platz fünf der ZuBa-Liste steht. Der Radiologe und Oberarzt setzt sich unter anderem für den Erhalt des Rinecker Protonen- Therapie-Zentrums (RPTC) in Thalkirchen ein und fordert eine "vernünftige Bedarfsplanung" für Fachärzte in München. Ihn ärgert vor allem die ungleiche Verteilung von medizinischen Angeboten innerhalb der Stadt mit Stadtvierteln, die regelrecht unterversorgt seien.

Julia Mimbang, Referentin beim Projekt "Frau-Kunst-Politik", will sich vor allem für die Belange von Frauen in München einsetzen. Die auf Platz drei gesetzte Kandidatin, die aus Kamerun stammt und in Frankreich und Italien aufwuchs, fordert beispielsweise deutlich mehr Frauenhäuser in der Stadt und die Einführung von Selbstverteidigungskursen an Schulen für Mädchen und junge Frauen. Auch im Schulbereich wollen die Kandidaten von ZuBa einiges verändern. Sie fordern mehr Lehrer für kleinere Klassen bei besserer Bezahlung, eine stärkere Förderung von sozial benachteiligten Kindern und Jugendlichen in Schulen und Ausbildungsstätten und die Schaffung von 100 Bio-Schulkantinen in München.

Bereits an diesem Wochenende wollen Oraner und seine Mitstreiter mit dem Haustürwahlkampf beginnen. Demnächst ist auch eine Kundgebung auf dem Marienplatz geplant, außerdem soll es Kulturveranstaltungen mit Musik aus verschiedenen Kulturen, aber auch mit Schuhplattlereinlagen geben. Schließlich "liegen uns die positiven Aspekte der bayerischen Kultur auch am Herzen", sagt Oraner. Er will mit dem Wahlprogramm möglichst viele Münchner erreichen, ob mit oder ohne ausländische Wurzeln. Auch wenn sich ZuBa eher im linken Spektrum einordnet, setzt Oraner auf eine Balance zwischen Kommunal- und Privatwirtschaft. Und der Stadtrat hofft, dass ein Umdenken in der Kommunalpolitik stattfindet. Damit künftig nicht mehr zwischen gebürtigen Münchnern und Zuagroasten unterschieden wird.

© SZ vom 11.01.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: