Amtsgericht München:Verfahren gegen sogenannte Hilfssheriffs "mit Bauchschmerzen" eingestellt

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Seit gut fünf Jahren gehen die Mitarbeiter vom Kommunalen Außendienst auf Streife. (Foto: Stephan Rumpf)

Drei Mitarbeiter des Kommunalen Außendienstes fühlen sich offenbar auf den Schlips getreten und bringen am Hauptbahnhof einen Passanten grundlos zu Boden. Nun müssen sie Geldstrafen und Schmerzensgeld zahlen.

Von Susi Wimmer

Drei Mitarbeiter des Kommunalen Außendienstes (KAD) der Stadt, die rund um den Hauptbahnhof Vorschriften überwachen sollen, haben einen Passanten grundlos gefesselt, zu Boden geworfen, fixiert und der Polizei übergeben. Wegen gefährlicher Körperverletzung und Freiheitsberaubung standen sie nun vor dem Amtsgericht. "Mit Bauchschmerzen" stellte die Richterin das Verfahren am Ende gegen Geldstrafen und Schmerzensgeld ein. Sie wolle den Männern nicht "die Zukunft verbauen". Das bedeutet, das rabiate Trio wird auch künftig in München im Sicherheitsbereich tätig sein.

Seit Juli 2018 sind die sogenannten Hilfssheriffs in München unterwegs. Die Mitarbeiter sind dem Kreisverwaltungsreferat angegliedert und sollen unbewaffnet und in blauer Kleidung, die einer Polizei-Uniform ähnelt, Präsenz zeigen, Ansprechpartner für die Bürger sein und beispielsweise auch städtische Verordnungen wie etwa das Alkoholverbot am Hauptbahnhof kontrollieren. Sie können Bußgelder verhängen oder Platzverweise aussprechen, mehr nicht.

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Diese Tatsache dürfte auch der Dreh- und Angelpunkt der Auseinandersetzung am 23. April des vergangenen Jahres am Bahnhofsausgang Arnulfstraße gewesen sein. Da nämlich entdeckten die drei Kontrolleure einen Mann, der sich gerade auf dem Heimweg befand, in der Hand eine Bierdose. Er wurde laut Anklage der Staatsanwaltschaft kontrolliert, belehrt und auf die Ordnungswidrigkeit aufmerksam gemacht. Der Mann händigte vorschriftsmäßig seinen Aufenthaltstitel aus, war laut der Richterin verbal aggressiv und meinte, er werde seinen Anwalt kontaktieren, ob das alles so seine Richtigkeit habe. Und er sagte: "Sie sind nicht die Polizei!"

Die Männer müssen jeweils 7000 Euro Geldstrafe sowie 200 Euro an das Opfer zahlen

Das Außendienst-Trio habe sich da wohl "auf den Schlips getreten gefühlt", meinte die Richterin. Was dann folgte, war koordinierte körperliche Gewalt: Christian G. packte den Mann am Nacken und zog ihn nach vorne, Dominik Z. hielt die am Rücken gefesselten Hände des Kontrollierten fest, während Michael G. ihm von hinten das linke Bein wegzog. Das Opfer fiel frontal auf den Boden. Dort wurde der Mann weiter fixiert und dann der Bundespolizei übergeben.

Die drei Angeklagten sind alle etwa Mitte 30, zwei von ihnen austrainiert, die Haare an den Seiten oder ganz abrasiert. Während sie im Gang warten, führen die Prozessbeteiligten ein Rechtsgespräch hinter verschlossenen Türen.

"Mit zwei zugekniffenen Augen" stellte die Richterin das Verfahren schließlich ein. Jeder der Männer müsse 7000 Euro Geldstrafe an gemeinnützige Einrichtungen sowie je 200 Euro an den Geschädigten zahlen. "Das ist kein Freispruch", sagte sie, "was sie getan haben, war nicht korrekt." Auch wenn sie nur Angestellte beim Kommunalen Außendienst seien, "hätte die Polizei so gehandelt, so säßen die auch heute hier". Man werde die drei Männer künftig "auf dem Schirm haben".

Ein ausschlaggebender Punkt in ihrem Urteil sei auch gewesen, dass das Opfer nicht zum Prozess erschienen sei und offenbar keinen Belastungseifer hege. Auch gegen ihn sei ein Verfahren anhängig. Bleibt nur abzuwarten, ob auch er so eine milde Richterin finden wird.

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