Klinikum rechts der Isar:Ermittlungen gegen Pfleger wegen dreifachen Mordversuchs

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Bei bislang drei Patienten im Klinikum rechts der Isar wurden in Blutproben Spuren von Medikamenten gefunden, die nicht ärztlich verordnet und überdosiert waren. (Foto: Robert Haas)

Laut Polizei ging es drei Patienten plötzlich schlecht. Ein Arzt ließ ihr Blut untersuchen, darin fanden sich Medikamente, die nicht verschrieben worden waren. Tatverdächtig ist ein 24 Jahre alter Mann.

Von Julian Hans

Ein 24 Jahre alter Pfleger soll im Klinikum rechts der Isar mindestens drei Personen absichtlich falsche Medikamente verabreicht haben, um sich hinterher mit der Reanimation der Patienten brüsten zu können. Ein Oberarzt der Klinik habe am vergangenen Samstag Verdacht geschöpft, nachdem sich der Zustand einer 54 Jahre alten Frau und eines 91-jährigen Mannes plötzlich verschlechterten, teilten die Münchner Polizei und Staatsanwaltschaft am Mittwoch mit.

Der Oberarzt habe sich erinnert, dass es zehn Tage zuvor schon einmal ein ähnliches Ereignis gegeben hatte, als sich der Zustand eines 90-Jährigen plötzlich verschlechtert hatte. Auch da hatte der Pfleger am Rechts der Isar Dienst. Der Mediziner ordnete deshalb eine Blutuntersuchung an, bei der erhöhte Werte von Medikamenten festgestellt wurden, die die Ärzte nicht verordnet hatten. Noch am Sonntag wurde die Mordkommission eingeschaltet. Am Montag wurde der 24-jährige Tatverdächtige festgenommen, am Dienstagmittag erging ein Haftbefehl. Die Staatsanwaltschaft München I wirft ihm versuchten Mord in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung in drei Fällen vor.

Der Beschuldigte bestreitet die Vorwürfe. Allerdings deuteten Nachrichten in Chats darauf hin, "dass er möglicherweise Patienten vorsätzlich in einen kritischen Zustand versetzt hat, um sie anschließend reanimieren zu können und dafür Anerkennung von Kollegen zu bekommen", erklärte Josef Wimmer, der Leiter der Münchner Mordkommission.

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Der 24-Jährige stammt aus Nordrhein-Westfalen, hat dort von 2013 bis 2016 eine Ausbildung zum Altenpfleger absolviert und war anschließend über Zeitarbeitsfirmen in unterschiedlichen Seniorenheimen beschäftigt. Nach München kam er Anfang Juli dieses Jahres. Am Klinikum rechts der Isar hatte er in einem sogenannten Wachraum die Aufsicht über vier Patienten, die von der Intensivstation auf die normale Station verlegt werden sollen, aber noch überwacht werden müssen und an entsprechende Geräte angeschlossen sind.

Eine Ermittlungsgruppe "Wachraum" aus zehn Beamtinnen und Beamten werde nun den gesamten Beschäftigungszeitraum des Beschuldigten in der Münchner Klinik vom 1.7.2020 bis zur Gegenwart untersuchen, um festzustellen, ob es weitere Geschädigte gab, sagte Wimmer. "Wir gehen von zwei Mordmerkmalen aus: niedere Beweggründe und Heimtücke", erklärte Oberstaatsanwältin Anne Leiding am Mittwoch. Dass jemand das Leben eines Menschen in Gefahr bringe, um sich selbst als Lebensretter aufzuspielen, sei ohne Frage ein niederer Beweggrund. Die Taten seien heimtückisch erfolgt, weil die Geschädigten nicht mit einem Angriff rechnen konnten.

Sowohl die Oberstaatsanwältin Leiding als auch der Chef der Mordkommission Wimmer lobten die Reaktion der Klinik und die Zusammenarbeit bei der Aufklärung. "Für uns ist sehr wichtig, dass jemand, der etwas beobachtet und ein ungutes Gefühl hat, seinen Zweifeln nachgeht und uns informiert, damit wir ermitteln können", sagte Leiding. Sofort nachdem der Verdacht aufkam, hatte die Klinikleitung den 24-Jährigen aus allen Dienstplänen herausgenommen. Wimmer hob das Verhalten des Oberarztes am Rechts der Isar hervor: Dass es bei Patienten, die von der Intensivstation kommen, Komplikationen gebe, sei nicht ungewöhnlich. "Der Oberarzt hatte das richtige Augenmerk und hat uns schnell informiert."

Der Zustand des 91-Jährigen Münchners ist nach Auskunft der Behörden nach wie vor ernst. Die 54-jährige Frau, der der Pfleger am selben Tag ebenfalls eine Überdosis an falschen Medikamenten verabreicht hatte, befinde sich wieder in einem stabilen Zustand, hieß es. Ebenso der 90 Jahre alte Mann, bei dem am 25. Oktober ähnliche Symptome festgestellt wurden. Auch bei ihm wurden Medikamente im Blut gefunden, die kein Arzt ihm verordnete hatte. Beide kommen aus dem Landkreis München.

Ersten Ermittlungen zufolge hatte der Beschuldigte in seiner Eigenschaft als Pfleger zwar Zugang zu Medikamenten. Um an die Substanzen zu gelangen, mit denen die Patienten vergiftet wurden, habe er aber Kontrollen umgangen. Die Ermittlungen konzentrieren sich zunächst auf die Zeit seit dem Sommer, in der der Beschuldigte in dem Münchner Klinikum beschäftigt war. Darüber, ob es an früheren Arbeitsstellen in Nordrhein-Westfalen bereits zu Verstößen gekommen sei, lägen derzeit keine Erkenntnisse vor, erklärte Kriminaloberrat Wimmer. Das Arbeitsleben des Beschuldigten werde nun aber "lückenlos nachermittelt".

Erst im Oktober hatte das Landgericht München I sein Urteil gegen den Hilfspfleger Grzegorz W. gesprochen. Der sogenannte Todespfleger von Ottobrunn wurde zu lebenslanger Haft mit anschließender Sicherheitsverwahrung verurteilt, weil er mindestens sechs Menschen in der häuslichen Pflege mit einer Überdosis Insulin ermordete. Bei drei weiteren blieb es beim Versuch. Als Grund gab W. im Prozess an, dass ihn die Patienten genervt hatten.

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