Konzert:Virtuosenwerk und Wirkung

Lesezeit: 2 min

Bei "Klassik am Odeonsplatz" treten in diesem Jahr die Pianistin Yuja Wang und die Cellistin Sol Gabetta auf. Zwei Weltklasse-Musikerinnen, die unterschiedlicher nicht sein könnten.

Von Paul Schäufele

Auf dem Dach der Feldherrnhalle sitzen Ritter, ihr Unterleib ist mit dem Gesims verschmolzen. Seit zwanzig Jahren sind sie steinerne Zeugen der Freiluft-Sause von " Klassik am Odeonsplatz". Auch langjährigen Zentrums-Flaneuren ist dieses Detail am Bau der Loggia vielleicht entgangen. Aber, man soll sich nicht ablenken lassen, unten wird fleißig Musik produziert, vier Konzerte für ein Publikum von jeweils zweitausend Leuten. Wer bespielt diese veritable Großveranstaltung? Schöne Menschen: Alle, die hier musizieren, sind schöne, telegene Menschen - was bei einem immens populären, in alle Welt gesendeten Event sicher kein Fehler ist. Die Highbrow-Kultur bekommt hier ihre glitzernde Oberfläche. Mit Yuja Wang und Sol Gabetta spielen zwei der erfolgreichsten Musikerinnen unserer Tage. Indes, die Unterschiede zwischen ihnen sind mit Händen greifbar.

Technisch souverän: die Pianistin Yuja Wang. (Foto: Marcus Schlaf)

Yuja Wang nimmt sich Sergei Rachmaninows zweites Klavierkonzert vor. Es ist ein in mehrfacher Hinsicht dankbares Stück. Nicht nur, weil die Pianistin in donnernden Akkorden und schäumendem Virtuosenwerk einmal mehr ihre technische Souveränität unter Beweis stellen kann. (Als hätte es da noch eines Beweises bedurft.) Vor allem kann sich die Solistin in diesem Konzert ruhig zurücklehnen, die Architektur des Stückes hängt vom Orchester ab. Die Münchner Philharmoniker unter dem jungen Schweizer Lorenzo Viotti konturieren zuverlässig das große Ganze, während Yuja Wang ihre auf Eruption und Entladung zielende Interpretation vorführt. Was vor allem im langsamen Satz nicht darüber hinwegtäuscht, dass die packende Phrasierung nicht ihre Stärke ist. Geschenkt, wenn sie Presto spielt, macht es ja Spaß, ihr zuzuhören. Dasselbe gilt für die effektvollen Spanien-Fantasien von Rimski-Korsakow, Emmanuel Chabrier und Ravel, die Viotti gekonnt inszeniert.

Präsentation versus Immersion: Sol Gabetta und Daniel Harding erproben einen anderen Zugang. Harding und das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks versenken sich in Debussys "La Mer", machen daraus ein Modellstück an Klangfarbenphantasie und nutzen hoch professionell die Akustik des Platzes aus. Wo es einfach wäre, impressionistische Aquarelle zu pinseln, strebt Harding nach differenzierender Kaltnadelradierung. Das hält ihn nicht davon ab, sich auch einen Spaß daraus zu machen, einmal einen quasi unbegrenzten Klangraum füllen zu können, mit schillernden Akkorden bei Debussy und knallender Trommel in Strawinskis zweiter Feuervogel-Suite.

Die Cellistin Sol Gabetta stellt sich ganz in den Dienst der Sache. (Foto: Marcus Schlaf)

Harding und Gabetta sind auch deshalb ein geradezu ideales musikalisches Paar, weil sie, obwohl beide als Interpreten große Persönlichkeiten, sich ganz in den Dienst der Sache stellen. Gabettas Part in Robert Schumanns Cello-Konzert hat nichts virtuos Auftrumpfendes, keine Rubato-Mätzchen, und doch ist ihr Spiel fesselnd in jedem Takt. Das macht die Wärme ihres Klangs auch in der hohen Lage und die lebhafte Kommunikation mit dem Orchester. Locker spielt man sich Motive zu, reagiert aufeinander und kommt gemeinsam zu einer Akkumulation von Klang und Spannung, die begeistert. Mit einer Bearbeitung von Lenskis Arie aus Tschaikowskis "Eugen Onegin" verabschiedet sich Sol Gabetta, leidenschaftlich, melancholisch, immer mit einem Lächeln auf den Lippen.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Klassik am Odeonsplatz
:Gemeinsam im Musikhimmel

Es ist ein Fest für Orchester, Solisten und fürs Publikum: Nach monatelanger Corona-Pause durfte Klassik am Odeonsplatz wieder stattfinden - als Pilotprojekt vor 2000 Menschen.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: