Immobilien in München:Stadt kauft 230 Wohnungen für 125 Millionen Euro

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Das Hohenzollernkarree in Schwabing soll nachverdichtet werden, auch wenn das Ensemble unter Denkmalschutz steht. (Foto: Stephan Rumpf)

40 Prozent Nachlass nach nur drei Verhandlungen: Die Stadt erhält das Hohenzollernkarree in Schwabing zum Schnäppchenpreis. Bei der Gelegenheit bekommen die Mieter schon mal Besuch vom Oberbürgermeister.

Von Anna Hoben

Am Ende muss natürlich noch ein Foto gemacht werden, schließlich hat Thomas Kubisch nicht jeden Tag den Oberbürgermeister zu Besuch in seinem Wohnzimmer. Dass Dieter Reiter (SPD) sich an diesem Mittwochvormittag nach Schwabing zum sogenannten Hohenzollernkarree aufgemacht hat und dort eine Wohnung besichtigt, liegt daran, dass Kubisch und seine Nachbarn bald eine neue Vermieterin bekommen: Die Stadt kauft die 23 Häuser mit 230 Wohnungen. 125 Millionen Euro wird sie dafür bezahlen, wenn der Stadtrat den Kauf beschließt, wovon auszugehen ist.

Reiter und die SPD/Volt-Fraktion im Stadtrat haben deshalb zu einer Pressekonferenz geladen, draußen vor dem Wohnblock. Das Hohenzollernkarree sei ein "Symbol für Schwabing", sagt der OB. Er sei froh gewesen, als er diesen Anruf bekam: Der Anwalt der Eigentümer fragte, ob die Stadt Interesse habe, die Wohnanlage zu kaufen. Bei der Preisvorstellung lag man zu Beginn allerdings noch weit auseinander, so schildert es Reiter. 200 Millionen Euro wollten die Eigentümer zunächst haben.

Dass ein Kaufpreis um fast 40 Prozent sinke, sei ungewöhnlich

Drei Telefonate und wenige Wochen später sei der Preis 75 Millionen Euro günstiger gewesen - man einigte sich auf 125 Millionen Euro. Dass ein Kaufpreis in drei Verhandlungsrunden um fast 40 Prozent gesenkt werde, das sei schon "ungewöhnlich", sagt Reiter. Dass die Stadt die Wohnanlage kaufen könne, sei eine gute Nachricht für die Mieterinnen und Mieter: Denen könne schließlich nichts Besseres passieren, als im Schoß der Stadt zu landen.

Etwa 60 Kaufangebote für Immobilien hat die Stadt gerade auf dem Tisch liegen. Mindestens 1000 Wohnungen, schätzt OB Reiter, vielleicht auch 2000 oder mehr, könnte sie also erwerben. So entstehe zwar kein neuer Wohnraum, räumt Reiter ein, es handle sich aber um "den einzig effektiven Weg, Mieter zu schützen". Ärgerlich sei indes, dass die Ankäufe zurzeit eher vom Zufall gesteuert seien. Es brauche klare Regeln und Kriterien, welche Häuser die Stadt kaufen soll. Mieter, die schon jetzt 20 Euro oder mehr pro Quadratmeter bezahlen, könnten sich das wohl leisten, da "müssen wir überlegen, ob wir kaufen".

Reiter packt dann noch seine Wunschliste aus, die er regelmäßig an Bund und Freistaat schickt. Unter anderem brauche es wieder ein Vorkaufsrecht für Kommunen, derzeit ist die Regelung durch ein Gerichtsurteil weitgehend ausgehebelt. Die Kappungsgrenze für Mieterhöhungen müsse runter, wenigstens von 15 auf elf Prozent, wie es im Ampel-Koalitionsvertrag stehe. "Darauf warten wir noch." Und der Freistaat solle seine Grundstücke nicht mehr am Markt "verhökern", sondern der Stadt zu vernünftigen Preisen anbieten.

Schließlich greift der OB noch scharf den Koalitionspartner im Rathaus an. Dass die Grünen, wie auch die CSU, das Bürgerbegehren gegen die Bebauung von Grünflächen übernommen haben, sei "offenkundig Opportunismus" und "peinlich" gewesen. "Es demonstriert, dass man nicht regieren kann." Wenn die drei größten Fraktionen beim Wohnen, der "wichtigsten sozialen Frage der nächsten 20 Jahre", nicht an einem Strang zögen, "dann verzweifle ich an diesem Gremium Stadtrat".

"Schicksalsfrage der Sozialdemokratie"

Die Frage, ob die Stadt das Problem mit der Wohnungsnot und den horrenden Mieten in den Griff bekommt, bezeichnet SPD-Fraktionschefin Anne Hübner als "Schicksalsfrage der Sozialdemokratie". Die Menschen wiesen zu Recht darauf hin, dass die SPD die Stadt schon so lange regiere - und die Situation trotzdem so sei, wie sie ist. Ihr Co-Fraktionschef Christian Müller verweist darauf, dass die Stadt in diesem Jahr die Schaffung von insgesamt 12 000 neuen Wohnungen vorantreibe.

Hübner berichtet von einer Bürgerversammlung in Haidhausen, bei der ein alteingesessener Bürger viel Applaus bekommen habe für den Satz, er wolle gar nicht, dass sein Stadtviertel schön ist, er wolle es sich nur leisten können. Das zeige, wie groß die Angst vor Vertreibung mittlerweile geworden sei.

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