Nachruf auf Helmut Schmid:"Er war für mich der wichtigste Wegbereiter"

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Ein Fass ordentlich anzapfen wie hier auf dem Frühlingsfest im Jahr 2010, das war für den bodenständigen Helmut Schmid kein Problem. (Foto: Robert Haas/lok)

Auch Oberbürgermeister Reiter trauert um Helmut Schmid: Der langjährige Wiesn-Stadtrat und Fraktionschef der SPD im Rathaus ist im Alter von 76 Jahren gestorben.

Von Heiner Effern, München

Als Helmut Schmid nach seinem Ausscheiden aus dem Stadtrat gefragt wurde, ob er Wehmut verspüre, sagte er damals etwas unsicher. "Ach, nein, na ja . . ." Das war im Mai 2020, als er noch einmal ins Rathaus gekommen war, um seine Amtskette zurückzugeben. 36 Jahre hatte er sie zu Hause aufbewahrt und bei Bedarf um den Hals gelegt, sechs Amtsperioden hatte er als Stadtrat den Sozialdemokraten und seiner Heimatstadt München gedient. Hätte man damals die Kollegen im Rathaus, nicht nur aus der SPD, gefragt, ob sie Wehmut wegen seines Abschieds verspürten, hätten sehr viele mit einem sehr sicheren "Ja" geantwortet. Nun ist aus Wehmut bei vielen Parteigenossen Schmerz geworden, sie werden Helmut Schmid nicht mehr wiedersehen. Er ist am Montag im Alter von 76 Jahren gestorben.

"Von ihm habe ich gelernt, wie politische Arbeit funktioniert", sagt OB Reiter

"Ich bin heute einfach traurig. Ich kannte Helmut Schmid seit über 50 Jahren, er war nicht nur ein guter Freund, er war für mich der wichtigste Wegbereiter für meine politische Laufbahn", sagte Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD). Er gehört zu den vielen Münchnern, und vor allem Sozialdemokraten, denen Helmut Schmid den Weg gewiesen hat. Als unter dem früheren OB Christian Ude ein neuer Chef für das Referat für Arbeit und Wirtschaft gesucht wurde, hatte Schmid einen Mitarbeiter aus der Kämmerei im Kopf, den er für fähig hielt. "Wenn du denkst, der ist gut, dann schaue ich ihn mir an", antwortete ihm Ude auf seinen Vorschlag. Heute ist der Kandidat von damals Udes Nachfolger als Rathauschef und das große Zugpferd der SPD in München. Voller Dank blickt der Oberbürgermeister auf die Gespräche mit Helmut Schmid zurück. "Von ihm habe ich über viele Jahre gelernt, wie politische Arbeit funktioniert."

Die Wirtschaft galt viele Jahrzehnte als Schmids Leidenschaft, und er konnte den Boden dafür in zwei Schlüsselpositionen bereiten. Der gebürtige Neuhauser trat nach einer kaufmännischen Ausbildung zuerst in den Dienst der Stadt, arbeitete unter anderem in der Lokalbaukommission. Im Jahr 1994 wurde er Chef des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB) in München, dem er 16 Jahre vorstand. Und im Jahr 1998 übernahm er für zehn Jahre den Vorsitz der SPD-Fraktion im Stadtrat. In dieser Doppelrolle bestimmte er die Geschicke Münchens entscheidend mit, nicht mit den großen, intellektuellen Reden wie sein OB Ude, sondern mit vielen Gesprächen, auf seine sehr menschliche und erdige Weise, wie Weggefährten stets berichteten.

Auf der 125-Jahr-Feier der SPD-Fraktion: den Gehstock, den er am Ende seiner Rathauszeit benötigte, in der Hand und bereit für den gemütlichen Teil. (Foto: Stephan Rumpf)

Er besorgte so dem nach außen glänzenden OB die nötigen Mehrheiten in der Stadt, kümmerte sich ohne viel Aufsehen darum, dass der Betrieb lief. Kritik, dass die SPD-Fraktion unter dem strahlenden OB Ude keine gewichtige Rolle spielte, wies er mit dem Hinweis zurück, dass Ude und er nur "manchmal in Detailfragen auseinander" lägen, und Differenzen kläre man hinter verschlossenen Türen. Seine politische Positionierung beschrieb er einmal auf die für ihn typische Art. "Ich behaupte, dass ich immer noch ein Linker bin, aber ein realistischer."

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Als solchen schätzte ihn seine Partei stets, wie auch der jetzige SPD-Fraktionschef Christian Müller nach seinem Tod betonte. "Mit Helmut Schmid verlieren wir einen überzeugten Sozialdemokraten, der die Stadtpolitik über Jahrzehnte hinweg stark geprägt hat." Schmid habe eine Stadt im Gleichgewicht als politisches Ziel im Sinn gehabt. Ohne eine vernünftige Wirtschafts- und Finanzpolitik gebe es keine gute Sozial- und Kulturpolitik sowie eine erfolgreiche Stadtentwicklung, habe er stets gesagt. "Dieses, sein Erbe, ist für uns Anspruch und Herausforderung für die Zukunft zugleich", sagte Müller.

"Er war eine Institution, ich konnte ihn immer fragen", sagt Anja Berger

Doch nicht nur als Politiker, auch als Persönlichkeit wird die SPD Schmid vermissen. Er sei für sie mehr gewesen "als mein langjähriger Fraktionsvorsitzender. Er war für mich ein väterlicher Freund und Ratgeber", sagte die Stadtvorsitzende Claudia Tausend. "Er hat seine Heimatstadt München geliebt und das Müchnerische und die Traditionen immer hochgehalten." Nicht umsonst versah Schmid mehr als zwölf Jahre das Amt des Wiesn-Stadtrats. Bei ihm kam nie das Gefühl auf, dass der Trachtenanzug ein Stück übergezogene Folklore sein könnte. Und er gab sein profundes Wissen über die Wiesn, über die Historie und die Hintergründe unkompliziert weiter, auch über Parteigrenzen hinweg. "Er war eine Institution, ich konnte ihn immer fragen", sagte Anja Berger von den Grünen, die nun als Wiesn-Stadträtin amtiert. "Ich bin wirklich sehr traurig, er war einer von den ganz Guten." Das Menschsein in der Politik war Schmid, dem Kulturfreund, immer wichtig. Als der jetzige Kämmerer Christoph Frey sich einst um die Nachfolge Schmids als DGB-Chef in München bewarb, fragte ihn dieser: "Kannst du mit de Leid red'n?" Schmid konnte das, humorvoll, sympathisch, bairisch. Er wird nicht nur der SPD fehlen.

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