Ermittlungen gegen Hanfläden:Einen im Tee

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Hanftee soll entspannend wirken, löst bei Drogenfahndern aber ganz andere Reaktionen aus. Obwohl der Rohstoff von EU-zertifizierten Pflanzen stammt. (Foto: Stephan Rumpf)

Weil er harmlose Hanfprodukte verkauft, droht Wenzel Cerveny nun ein Prozess - wegen bandenmäßigen Rauschgifthandels. Er ist nicht der einzige, den die Staatsanwaltschaft ins Visier genommen hat.

Von Julian Hans

Dass Hanf für Wenzel Cerveny so etwas ist wie eine Mission, das merkt man schnell, wenn man ihn in seinem Laden im Tal besucht. Um die 500 Produkte aus Cannabis stehen dort in den Regalen, sogar ein eigenes Cannabis-Institut hat er gegründet, um über den Segen der alten Nutzpflanze aufzuklären. Aber jetzt will er über Bier sprechen: Wenn man nämlich sehr großen Aufwand betreiben würde, dann könnte man aus ein paar Paletten alkoholfreien Bieres auch ein Glas Wodka destillieren, sagt der Unternehmer und Aktivist. Schließlich ist ja ein ganz kleines bisschen Alkohol trotzdem drin.

Nach dem gleichen Prinzip argumentiere die Staatsanwaltschaft, die ihm im Oktober eine 17 Seiten lange Anklage zugestellt hat, spottet Cerveny. Darin werden drei Dutzend Fälle aufgelistet, in denen der Hanf-Shop-Betreiber und seine Mitarbeiter gegen das Betäubungsmittelgesetz verstoßen haben sollen. In keinem dieser Fälle wurde in den verkauften Produkten eine Konzentration des berauschenden Wirkstoffs Tetrahydrocannabinol (THC) festgestellt, die über der Grenze von 0,2 Prozent liegt. Diese Marke hat der Gesetzgeber für Nutzhanf festgelegt. Die Pflanzen sehen zwar aus wie das berauschende Kraut, aber high machen sie nicht.

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Darauf gehen die Strafverfolger aber nicht ein, sie rechnen anders: Bei einer Durchsuchung im vergangenen Jahr hatten sie in einem Lieferwagen elf große Kartons mit Hanftee beschlagnahmt, insgesamt mehr als 120 Kilo. Im Labor wurde ein THC-Gehalt von 0,04 Prozent festgestellt. Hochgerechnet auf 120 Kilo ergebe das aber 25 Gramm reinstes Rauschgift, so die Logik der Staatsanwaltschaft, die den 59-Jährigen nun wegen bandenmäßigen Rauschgifthandels vor Gericht bringen will.

"Bandenmäßig, weil hier mehrere Personen zusammengearbeitet haben", erklärt Cerveny. Zwei Filialen hat "Hanf - der etwas andere Bioladen" in München, acht weitere in anderen bayerischen Städten. "Ich beschäftige 20 Mitarbeiter, ich zahle Steuern und Sozialabgaben. Früher nannte man so etwas Unternehmertum", empört sich der Besitzer.

Ähnliche Vorwürfe gibt es auch gegen andere Betreiber von Münchner Geschäften, die sich auf Cannabis-Produkte spezialisiert haben, bestätigt die Staatsanwaltschaft München I: Sie haben klingende Namen wie "Hanf im Glück", "Ralfs Hanfcorner", "Hanfgöttin", "Breathe Organics" und "Nordic Oil". Bei zwei Razzien im Frühjahr und Herbst vergangenen Jahres hatten insgesamt 180 Polizisten acht Läden und Depots von Online-Shops sowie acht Wohnungen in und um München durchsucht. Dabei wurden 370 Kilo Hanftee, 530 Gramm CBD-Haschisch und 60 Kilo CBD-Blüten beschlagnahmt sowie 44 000 Euro Bargeld und zwei geladene Schusswaffen sichergestellt.

Die Waffen hätten einem Mitarbeiter von der Konkurrenz gehört, sagt Cerveny. Der soll aber einen Berechtigungsschein haben und die Waffen seien nicht in einem Geschäft gefunden, sondern bei ihm zu Hause. "Die Staatsanwaltschaft vermischt das absichtlich, um unser Gewerbe möglichst kriminell aussehen zu lassen", sagt Cerveny. Aus dem gleichen Grund sei in der Anklage durchgehend von "Marihuana" die Rede. Marihuana ist aber die übliche Bezeichnung für die Droge; bei den weitgehend THC-freien Produkten wie Tees, Kosmetika oder Textilien müsste korrekterweise von Hanf oder Cannabis gesprochen werden.

Die Staatsanwaltschaft beruft sich auf Paragraf 24a des Betäubungsmittelgesetzes. Darin werden Cannabis-Produkte von der Strafverfolgung ausgenommen, "wenn sie aus dem Anbau in Ländern der Europäischen Union mit zertifiziertem Saatgut ... stammen ... oder ihr Gehalt an Tetrahydrocannabinol 0,2 Prozent nicht übersteigt und der Verkehr mit ihnen (ausgenommen der Anbau) ausschließlich gewerblichen oder wissenschaftlichen Zwecken dient, die einen Missbrauch zu Rauschzwecken ausschließen".

Da die angeschuldigten Betreiber und Mitarbeiter von Hanfläden ihre Produkte nicht nur an Gewerbetreibende und an die Wissenschaft, sondern auch an Endverbraucher abgegeben hätten, fielen sie nicht unter diese Ausnahme. "Danach kommt es nach unserer Auffassung für die Frage der Strafbarkeit nicht darauf an, ob ein Wert von über oder unter 0,2 Prozent festgestellt wurde", erklärt Florian Weinzierl, der Sprecher der Staatsanwaltschaft.

Cremes, Tee und Kleidung aus Hanf verkauft Wenzel Cerveny. Er nennt das Unternehmertum. Die Staatsanwaltschaft bandenmäßigen Drogenhandel. (Foto: Stephan Rumpf)

Nach dieser Logik seien Hanffasern zur Dichtung von Wasserleitungen legal, solange ein Klempner sie in seinem Gewerbe einsetze, hält Cerveny dagegen. Sobald ein Baumarkt solche Fasern an Heimwerker verkaufe, sei das illegal. Eine absurde Situation, die er jetzt mit einem Volksbegehren "Ja zum Hanf als Rohstoff" beenden will. Mit Unterstützung der FDP soll in Kürze ein entsprechender Antrag in den Landtag eingebracht werden.

Die rechtliche Unsicherheit betrifft indes keineswegs nur das Hanf-Gewerbe in Bayern. Nachrichten von Durchsuchungen in Hanfläden im ganzen Bundesgebiet erreichten ihn "fast jede Woche", sagt Jürgen Neumeyer, der Geschäftsführer des Branchenverbands Cannabiswirtschaft. Produzenten, verarbeitende Betriebe und Händler hatten den Lobbyverband Anfang des Jahres gegründet. Anders als der Deutsche Hanfverband kämpft er nicht für die Legalisierung des Rauschmittels, sondern vertritt die Interessen von Unternehmen, die mit legalen Cannabis-Produkten ihr Geld verdienen.

Auf 1,8 Milliarden Euro schätzt der Verband den Markt für CBD-Produkte, also Kosmetika, Öle und Tees, die den nicht psychoaktiven Wirkstoff Cannabidiol enthalten. Die Mitglieder fordern eine klare Regelung für den Umgang mit solchen Erzeugnissen, um Sicherheit für ihr Geschäft zu erreichen, aber auch für die Verbraucher. Es sei "leider auch Mist auf dem Markt", sagt Neumeyer. Einige Hersteller hätten "offenbar festgestellt, dass das Hanfblatt verkaufsfördernd wirkt".

Der schwäbische Müsli-Mogul Seitenbacher hat Hanföl im Programm und der Hendl-Mäster Wiesenhof bewirbt Bratwürste mit Hanföl augenzwinkernd mit Reggae. Hanftee gibt es auch vom Hersteller Meßmer und CBD-Öl verkaufen inzwischen alle großen Drogerieketten. Die Frage, warum es bei Rewe, Edeka und dm bisher keine Durchsuchungen gab, lässt die Staatsanwaltschaft unbeantwortet.

Mittlerweile beschäftigt Cerveny fünf Anwälte. Einer hat dem Landgericht nun vorgerechnet: Für den Fall, dass es tatsächlich jemand drauf anlegen würde, aus dem Hanftee das enthaltene THC zu extrahieren, würde der Preis pro Wirkstoffmenge bis zu 750 Mal über dem Schwarzmarktwert liegen. Sein Mandant ist entschlossen, durch alle Instanzen zu gehen: "Lieber sitze ich erhobenen Hauptes, als jetzt einzuknicken", sagt Cerveny.

© SZ vom 09.11.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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