Haidhausen:Warum die Leere im Motorama gewollt ist

Lesezeit: 3 min

Das Erdgeschoss des Motorama ist weitgehend ausgeräumt, die Geschäfte sind aus - oder umgezogen. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Die meisten Geschäfte sind verschwunden: In das frühere Einkaufszentrum soll ein Teil der Stadtbibliothek einziehen, wenn der Gasteig saniert wird. Bis dahin könnte es Zwischennutzungen geben.

Von Thomas Anlauf

Der Hongkong-Market ist verschwunden. Münchens wohl exotischster Laden, der bis vor kurzem prominent im Erdgeschoss des Motoramas zuhause war, hat sich nun im hintersten Winkel im Untergeschoss eingerichtet mit seinen Buddhas, Reissäcken und orientalischen Gewürzen. Wo einst ein Sportgeschäft war, ist gähnende Leere.

Fast die gesamte Ladenpassage im Erdgeschoss des Einkaufszentrums am Gasteig ist leer geräumt, nur der Drogeriemarkt dm und das kleine Bistro "Da Michele" trotzen noch dem Leerstand. Doch der ist gewollt: In die leeren Geschäftsräume des riesigen Geschäftsklotzes, der sich immer noch stolz "Einkaufsstadt" nennt, zieht ein Teil der Münchner Stadtbibliothek vom Kulturzentrum Gasteig gegenüber ein. Allerdings erst in zwei Jahren, wenn der Gasteig generalsaniert wird.

Doch schon jetzt hat sich der Gasteig die Räume gesichert. Insgesamt etwa 3650 Quadratmeter hat die Stadt vom Eigentümer des Motorama, der Gazit Germany Beteiligungs GmbH & Co. KG, gemietet, auch wenn der Umzug erst voraussichtlich im Sommer 2021 stattfinden wird. Das ist ein Bruchteil der Fläche, die derzeit der Stadtbibliothek im Gasteig zur Verfügung steht.

Das gesamte Magazin der Bibliothek wird während des Exodus' ins Lager nach Oberschleißheim verfrachtet, ein weiterer großer Teil der Bücher muss in die Halle E, der Trafohalle auf dem Stadtwerke-Gelände nahe der Brudermühlbrücke, geschafft werden. "Wir werden uns flächenmäßig stark reduzieren", sagt Gasteig-Sprecher Michael Amtmann. Doch auch das folgt einer gewissen Logik. Einerseits will der Gasteig während der Schließung des riesigen Backsteingebäudes von 2021 bis voraussichtlich Winter 2025 in Haidhausen eine gewisse Präsenz zeigen. Das soll mit dem Verbleib eines Teils der Stadtbibliothek auf der anderen Seite der Rosenheimer Straße umgesetzt werden.

Dort, im Motorama, wird voraussichtlich auch die Münchner Volkshochschule einen Raum für Kursanmeldungen und als Infotheke beziehen. Andererseits will die Stadtbibliothek deutlich machen, dass die künftigen Interimsquartiere im Motorama und in Sendling tatsächlich nur Provisorien sind, bis die Sanierung des Kulturzentrums Gasteig in voraussichtlich fünfeinhalb Jahren abgeschlossen sein wird.

"Es werden wohl keine Teppiche reinkommen und wahrscheinlich nur die Wände gestrichen", sagt Gasteig-Sprecher Amtmann über das künftige Interimsquartier im Motorama. Womöglich wird es schlichte Paletten als Sitzmöglichkeiten geben, die Besucher sollen merken, dass die Räume nicht für die Ewigkeit gemietet sind. "Im Motorama werden wir unsere Angebote für Kinder, Jugendliche und Familien profilieren und weiter ausbauen", teilt Stadtbibliotheksdirektor Arne Ackermann mit.

Noch liegen die Planungen in den Grundzügen, schließlich steht der Umzug erst in zwei Jahren an. Doch schon jetzt wird beim Gasteig, der für die Immobilienverwaltung und Infrastruktur der Nutzer wie Volkshochschule und Stadtbibliothek zuständig ist, darüber nachgedacht, ob es bis zum Einzug 2021 womöglich sogar eine Zwischennutzung geben könnte, die Miete muss ja ohnehin an den Motorama-Eigentümer gezahlt werden.

Dem war es offenbar wichtig, möglichst frühzeitig darüber zu informieren, dass Teile des Gasteigs dort einziehen werden, um auf den Grund für den massiven Leerstand in der Ladenpassage hinzuweisen. "Eine kulturelle Einrichtung vom Stellenwert der Münchner Stadtbibliothek ergänzt auf perfekte Weise den Mix aus Handel und Gastronomie, den das Motorama gegenwärtig aufweist", betont Andreas Haufert, Geschäftsführer von Gazit Germany. Dort gab es in den vergangenen Jahren immer wieder mal leer stehende Geschäfte, Gazit wollte sein Konzept umstrukturieren.

Die drohende Raumnot des Gasteig kommt dem Unternehmen offenbar ganz gelegen. Der Kulturbetrieb griff deshalb auch nach dem jüngsten Stadtratsbeschluss zur Gasteigsanierung schnell zu, um die Flächen im Motorama zu sichern. "Wenn sich so eine Gelegenheit auftut, muss man das auch jetzt mieten", sagt Gasteig-Sprecher Amtmann.

Wie der aufwendige Umzug der Stadtbibliothek und all der anderen Kultureinrichtungen in dem Backsteinkomplex zu meistern ist, steht indes noch gar nicht fest. Allein im Magazin der Bücherei lagern 1,3 Millionen Bücher, die durch eine kleine Tür geschafft und nach Oberschleißheim ins Lager transportiert werden müssen. Zehntausende Medien vom Gasteig hinüber ins Motorama zu bringen, dürfte das kleinere Problem sein. Schließlich geht es dort einfach nur auf die andere Straßenseite. An den Interimsstandort in Sendling sollen vor allem Musikbücher, Noten und CDs gebracht werden, schließlich zieht dort auch die Philharmonie ein. Eines steht jetzt schon fest: Motorama und Sendling werden wohl ein riesiges Experimentierfeld für die Münchner Kultur.

© SZ vom 09.08.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Sanierung
:Gasteig: Große Mehrheit für ursprünglichen Sieger

Das Architekturbüro Henn soll die Sanierung des Kulturzentrums übernehmen. Das wurde nun zum zweiten Mal im Stadtrat entschieden. Doch noch immer sind nicht alle Hürden überwunden.

Von Heiner Effern

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: