Von ihrer Schule fühlte sich Vanessa Baron nur wenig unterstützt, als es darum ging, Bewerbungen zu schreiben. Während der Corona-Pandemie blieb gleich gar keine Zeit dafür. Fünf Bewerbungen schickte sie ab, einmal bekam sie eine Absage, vier wurden gar nicht erst beantwortet. So stand die 16-Jährige im vergangenen Herbst zwar mit Abschluss, aber ohne Ausbildungsplatz da. Statt zur Fachkraft von morgen wurde sie zur Arbeitslosen von heute.
Als "eine der größten Herausforderungen unserer Zeit" bezeichnet Clara Nitsche den Fachkräftemangel. Zusammen mit ihrer Parteifreundin Julia Post stellte die stellvertretende Vorsitzende der Stadtratsfraktion Grüne/Rosa Liste nun am Dienstag ein Antragspaket vor, das die Zukunftschancen junger Menschen verbessern soll. So sollen an städtischen Schulen vermehrt Mentoring-Programme zum Einsatz kommen: Ehrenamtliche sollen darin Jugendliche bei der Ausbildungsplatzsuche unterstützen. Das sei ein besonders wirksamer Ansatz und durch den Einsatz von Ehrenamtlichen noch dazu kostengünstig, betonte Post.
Eines dieser Mentoring-Programme ist die gemeinnützige Initiative "Joblinge". Seit 2009 ist sie auch in München vertreten. In einem sechsmonatigen Programm werden junge Menschen zwischen 15 und 27 Jahren, die schwierige Startbedingungen am Arbeitsmarkt vorfinden, dabei unterstützt, einen Ausbildungsplatz zu finden. Insgesamt 1600 Jugendliche wurden bereits in das Programm aufgenommen, die Vermittlungsquote liegt bei 72 Prozent. Weil nun allerdings das Fördergeld des Europäischen Sozialfonds Bayern weggefallen ist, steht die Zukunft des Programms in Frage. Grüne/Rosa Liste wollen zumindest bis zum Jahresende mit einer staatlichen Überbrückungshilfe von 200 000 Euro einspringen - in der Hoffnung, dass der Europäische Sozialfonds Bayern bis dahin wieder ein neues Programm auflegt.
Vanessa Baron ist seit Januar im Joblinge-Programm. Bei einer Unternehmenspräsentation wurde sie auf den Beruf der Hörakustikerin aufmerksam. Nach einem Praktikum steht für sie nun fest, dass genau das für sie ein Traumjob ist. "Ich wusste davor gar nicht, dass es den Beruf gibt", sagt sie.
Viele Ausbildungsstellen bleiben unbesetzt - weil die jungen Leute die Orientierung verlieren
Genau darin liegt laut Katrin Schwinghammer, Managing Director von Joblinge, das Problem: Der Ausbildungsmarkt sei so groß geworden, dass die Jugendlichen oftmals einfach orientierungslos seien. So bleiben viele Ausbildungsstellen unbesetzt - im September vergangenen Jahres waren es nach Zahlen der Bundesagentur für Arbeit allein in München rund 2500. "Wir haben ein Nachfrageproblem, kein Angebotsproblem", betont auch Nitsche.
Hier setzt der dritte Antrag der Grünen/Rosa Liste-Fraktion an: Ausbildungsberufe sollen mithilfe einer Kampagne attraktiver werden, etwa durch dezentrale Ausbildungsmessen, bei denen auch kleinere Unternehmen vertreten sind. Damit die Absolventen im nächsten Herbst nicht genauso dastehen wie Vanessa Baron im vergangenen Jahr.