Kirchen an Ostern:Wie im Gottesdienst, so im Stream

Lesezeit: 4 min

Ostern unter Corona-Bedingungen stellt die Gemeinden vor Herausforderungen. Während die einen an Präsenz-Gottesdiensten festhalten, verlagern andere die Feiern ausschließlich ins Internet.

Von Janek Kronsteiner

Im Frühjahr, immer um Ostern herum, fällt das Sonnenlicht in der evangelischen Immanuel-Kirche in Bogenhausen durch ein Dachfenster genau auf den gekreuzigten Jesus über dem Altar. Dieses Jahr werden nur Pfarrerin Christine Heilmeier und einige Ehrenamtliche diesen Moment erleben. Kein Osterjubel der Gemeinde, kein Gesang wie in anderen Jahren. Die Gemeinde hat sich in diesem Jahr entschieden, dass die Kirche an Ostern leer bleibt und der Gottesdienst nur per Livestream zu sehen ist. "Wir haben am vergangenen Mittwoch alle Plakate eingestampft und beschlossen, wir machen das nur online", erzählt Heilmeier. Zwar wurde die zunächst ausgerufene Osterruhe wieder zurückgenommen und Gottesdienste dürfen doch stattfinden, aber die evangelische Gemeinde will kein Risiko eingehen. "Ich habe Respekt und Verständnis für alle Gemeinden, die Präsenz-Gottesdienste veranstalten. Aber das ist unser Weg", sagt Heilmeier.

Die Stille im Gottesdienst schmerzt die Pfarrerinnen und Pfarrer in München. Schon im vergangenen Jahr konnte Ostern nur klein gefeiert werden, und nun wieder. Die Geistlichen gehen in der Corona-Krise, die jeden Gläubigen in irgendeiner Weise bedrückt, unterschiedliche Wege, um die Trauer um Jesus' Tod am Karfreitag und die Freude über seine Auferstehung am Ostersonntag in ihre Gemeinde zu tragen. Sie sei froh, den Gottesdienst dieses Jahr wenigstens mit einigen Menschen feiern zu können, sagt etwa die evangelische Pfarrerin Heike Immel von der Simeonskirche in Kleinhadern: "Ich plane den Gottesdienst ganz normal - also coronanormal." Auch im katholischen Pfarrverband Laim finden die Messen statt. Als er die Bitte des Bundes gehört habe, dass Ostergottesdienste nur im Livestream stattfinden sollen, sei das für ihn "ein Morgenschock" gewesen, erzählt der katholische Pfarrer Georg Rieger vom Pfarrverband Laim. Bei den Messen würden die Abstandsregel eingehalten, "aber es wird eine sterile Feier", fürchtet Rieger. "Bei diesen Gottesdiensten fehlt einfach der überspringende Funke."

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Auch Pfarrer Johannes Kurzydem vom katholischen Pfarrverband München-Nord/Feldmoching war "bestürzt", als er von der Bitte des Bundes hörte. "Wir hatten schon alles vorbereitet - und dann sollte alles ausfallen." Er verstehe, dass sich in der Pandemie alle Lebensbereiche einschränken müssen, "aber die Menschen ein zweites Jahr in Folge das Osterfest nicht feiern zu lassen, ist hart für uns", sagt Kurzydem. Die Messe in Feldmoching findet statt, hierfür ist aber eine Anmeldung nötig. Der Gottesdienst zur Osternacht beginnt außerdem etwas früher - eine Vorsichtsmaßnahme, falls die Inzidenz dann über 100 liegt und eine Ausgangssperre gilt. Am Osternacht-Gottesdienst hält das Erzbistum München-Freising noch fest. Kardinal Reinhard Marx wird im Münchner Liebfrauendom von Mittwoch bis Ostermontag täglich eine Messe feiern. Die Veranstaltungen stellt die Diözese auch als Livestream bereit.

In der Immanuel-Nazareth-Gemeinde in Bogenhausen werden vor der Aufnahme des Livestreams alle Helfer getestet, um sicherzugehen, dass sich hier niemand mit Corona infiziert. Die Landeskirche habe versprochen, die Kosten für die Testungen ums Osterwochenende zu übernehmen, so Heilmeier. Eine Predigt vor der Kamera ist für sie inzwischen Routine. Erst sei es schwer gewesen, vor leeren Bänken zu sprechen, doch inzwischen spüre sie, dass durch die Kameralinse viele Menschen zusehen. Manchmal sind mehr als hundert Menschen im Livestream, darunter auch Menschen, die aus Bogenhausen weggezogen sind oder nur ihre Zweitwohnung im Viertel haben. Das sind die Vorzüge vom Onlinegottesdienst. Selbst Menschen aus anderen Ländern und Landkreisen melden sich im Chat.

Doch der Gesang der Menschen wird im Stream fehlen, und auch bei den Präsenz-Gottesdiensten sind die Kirchgänger zum Schweigen gezwungen. Zu groß ist die Gefahr der Ansteckung durch Aerosole. Während des gesamten Gottesdienst gilt daher auch eine Maskenpflicht. "Den Osterjubel vermisse ich am meisten" sagt Pfarrerin Christine Heilmeier. So sehen es auch Heike Immel und Georg Rieger. Für den katholischen Pfarrer ist ein Gottesdienst ohne Stimmen "wie gelähmt": "Ob froh oder traurig, der Gesang ist wichtig. Nicht zu singen ist gegen das Sein." Auf Musik aber wollen die Gemeinden nicht verzichten. Im Livestream aus Bogenhausen soll eine Gospelsängerin solo auftreten, Pfarrer Rieger versucht, viele Orchestermessen zu halten. Doch da die Musiker sechs Meter Luft zueinander haben müssen, geht der Platz in den Kirchen schnell aus. Rieger verteilt deswegen Hausgottesdienste in kleinen Heftbögen, mit Noten und Texten zum Beten. Im Wohnzimmer darf schließlich jeder singen. Mit kleinen Geschenken wie diesen versucht Rieger, den Kontakt zur Gemeinde zu halten. Zum Osterfest gibt es Kerzen, ein Lichtlein in der schweren Zeit. Pastor Kurzydem aus Feldmoching hat an seine Gemeinde zu Weihnachten und Ostern persönliche Karten geschickt.

Und Pfarrerin Heilmeier packt kleine Tütchen mit Präsenten - "Ostern to go". Sie ist seit knapp einem Jahr in der Immanuel-Nazareth-Gemeinde. Ihre Gemeinde kennenlernen konnte sie noch nicht. "Ich gehe in keine Wohnung, ich weiß nicht, wer wo wohnt. Das erschwert meine Arbeit."

Kann ein Pfarrer aus dem Homeoffice arbeiten? "Es geht", sagt Georg Rieger aus Laim. "Aber auch uns Gottesmännern geht es nicht gut." Geschützt vor der Krankheit sind Pfarrer nicht. Vor einigen Wochen wurde Rieger nach einem Gottesdienst positiv auf Corona getestet, trotz jeder Vorsicht und zur Überraschung einiger Gemeindemitglieder. Er blieb symptomfrei, einen Ausbruch in der Kirchengemeinde gab es nicht.

Aus Angst vor Ansteckung kommen viele ältere Menschen nicht mehr in die Pfarrhäuser. Seelsorge findet per Telefon statt. Mit Einsamen geht Pfarrerin Heike Immel auch spazieren. "Wenn Menschen wenig mit Menschen zu tun haben, werden sie merkwürdiger." Gerne zitiert sie in der Gemeinde eine Passage aus dem Römerbrief: "Seid fröhlich in der Hoffnung, geduldig in der Bedrängnis, beharrlich im Gebet."

Das Gebet ist für Georg Rieger aus Laim "eine tragfähige Brücke" in der Krise. Doch in der Gemeinde nimmt er mehr und mehr Beklemmung wahr. Bei der Seelsorge im Kindergarten werde viel geweint, viel getröstet. "Der Kirche wurde vorgeworfen, sie habe nicht adäquat auf die Krise reagiert. Das stimmt vielleicht auch. Aber wir wollen Menschen in ihrer Not ernst nehmen." Die Osterbotschaft sollte dieses Jahr ganz besonders Mut machen, sagt Pfarrerin Christine Heilmeier: "Aus dem Dunkeln ans Licht."

© SZ vom 29.03.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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