Attacke im Strafjustizzentrum:Verfeindete Familien prügeln sich vor Gerichtssaal

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Im Gerichtsgebäude an der Nymphenburger Straße kam es zu einer Schlägerei nach zwischen Angehörigen zweier Familien. (Foto: Lukas Barth/dpa)

Dutzende Justizbeamte sind im Einsatz, um die Kontrahenten zu trennen. Weil das Gericht eine weitere Eskalation mit Angehörigen fürchtet, rückt auch die Polizei mit einem Großaufgebot an.

Von Susi Wimmer

Plötzlich Schreie, Rumpeln, Krachen: Vor Gerichtssaal A 126 im Münchner Strafjustizzentrum spielen sich tumultartige Szenen ab. Mehrere Personen drängen einen Mann in die Ecke des Gangs und schlagen auf ihn ein. Ein Justizwachtmeister rät Passanten, jetzt besser zu verschwinden.

Nach einer Gerichtsverhandlung sind am Dienstagnachmittag zwei verfeindete Familien im Gang aneinandergeraten. Gut zwei Dutzend Wachtmeister versuchten minutenlang, die Schlägerei zu unterbinden. Im Anschluss wurde der Gang gesperrt, Polizeiautos standen vor den Eingängen zum Gericht, eine Einsatzhundertschaft patrouillierte durch das Gebäude, denn eine der Großfamilien hatte angekündigt, "Verstärkung" zu rufen.

Ausgangspunkt für die Eskalation war offenbar eine Gerichtsverhandlung gegen drei Männer, die wegen gefährlicher Körperverletzung vor dem Amtsgericht angeklagt waren. Einer von ihnen ist der 65-jährige Longino A. Er soll im August 2021 zusammen mit drei weiteren Männern dem Ex-Lebensgefährten seiner Tochter aufgelauert haben. Als dieser mit seinem Auto vorfuhr, um wie verabredet die gemeinsamen Kinder abzuholen, sollen die Männer ihn aus dem Auto gezogen und auf ihn eingeprügelt haben.

Longino A. soll einen klingenähnlichen Gegenstand in der Hand gehalten und damit Hals und Gesicht des Opfers attackiert haben. Zudem sollen auf Romanes die Worte "Ich bring' dich um. Jetzt mach' ich dich tot. Jetzt stirbst du" gefallen sein. Laut Gerichts-Pressesprecher Martin Swoboda endete die Verhandlung damit, dass zwei der Angeklagten einen Täter-Opfer-Ausgleich in Höhe von insgesamt 3000 Euro zahlen sollten, Longino A. wurde zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt.

Doch nach dem Urteil trafen die verfeindeten Familien im Gang aufeinander. Nun sollen die Angehörigen des Geschädigten auf den Hauptangeklagten Longino A. eingeschlagen haben. Minutenlang sind nur spitze Frauenschreie und Gepolter zu hören. Die Sitzung im Nachbarsaal wird unterbrochen, weil keine Justizbeamten mehr vorhanden sind, um inhaftierte Zeugen vorzuführen: Etwa 30 Justizwachtmeister haben die Gänge gesichert und weglaufende Familienmitglieder eingekesselt. Ein Arzt versorgt den Verletzten, der mit einem blutigen Kopfverband auf einem Stuhl sitzt. Der Klappsessel gegenüber von ihm wurde herausgerissen.

Es dauert Stunden, bis erste Zeugen noch vor Ort von der Polizei vernommen werden. Auch der Leitende Oberstaatsanwalt Hans Kornprobst, Chef der Münchner Staatsanwaltschaft, wird Zeuge der Schlägerei. Über Funk kann man hören, dass die Polizei Verstärkungen schicken wird, um den Eingang des Strafjustizzentrums sowie der Staatsanwaltschaft in der benachbarten Linprunstraße zu sichern. Einer der Familienclans hat offenbar telefonisch weitere Familienmitglieder in Gang gesetzt.

Die treffen dann tatsächlich vor dem Strafjustizzentrum ein, erneut kommt es am Eingang zu Auseinandersetzungen. Laut Polizeisprecher Michael Marienwald sind zwölf Polizeistreifen im Einsatz, um vor und im Gebäude für Sicherheit zu sorgen.

Noch in den frühen Abendstunden war der Gerichtsgang vor Saal A 126 gesperrt, "um Spuren zu sichern". Longino A. kam in eine Klinik, "wie schwer er verletzt ist, kann man momentan noch nicht sagen", so Marienwald. Vier Männer wurden in Gewahrsam genommen. Bei Gericht jedenfalls kann man sich darauf gefasst machen, dass die beiden Familien in naher Zukunft erneut aufeinandertreffen werden.

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