Prozess in München:270 Mal die eigene Tochter vergewaltigt - zehn Jahre Haft für Vater

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Das Urteil des Landgerichts gegen den 75-jährigen Antonino D. ist die höchste Strafe, die die Kammer je ausgesprochen hat. Der Angeklagte hatte ein Kind mit seiner Tochter gezeugt - und ein Klima der Angst in der Familie geschaffen.

Von Susi Wimmer

Im Prozess um den jahrzehntelangen Missbrauch seiner eigenen Tochter hat das Landgericht München I den 75 Jahre alten Antonino D. zu einer Freiheitsstrafe von zehn Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die zehnte Kammer sah es als erwiesen an, dass der Mann allein in den Jahren 2017 bis 2020 die heute 55 Jahre alte Frau mindestens 270 Mal vergewaltigt hatte. Außerdem zeugte er mit ihr einen Sohn.

"Es war ein enger, kalter und hässlicher Käfig, in dem sie ihre Tochter gehalten haben", sagte der Vorsitzende Richter Nikolaus Lantz in der Urteilsbegründung. Die unsichtbaren Gitterstäbe habe Antonino D. mit seiner Kontroll- und Herrschsucht, seiner Unzugänglichkeit und seinen geballten Sexualaffekten gezogen. "Sie haben das Leben ihrer Tochter ruiniert", erklärte Lantz.

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Dass lediglich Taten aus der jüngeren Vergangenheit zur Anklage kamen, lag daran, dass die Familie zwar zunächst in Deutschland, später dann aber lange Jahre in ihrer Heimat in Sizilien gelebt hatte. Staatsanwalt Maximilian Weihrauch ging jedoch davon aus, dass die Anklage lediglich "die Spitze des Eisbergs" beinhalte.

Nach den Aussagen von Vittoria D. ( Name geändert) soll ihr Vater sie bereits im Alter von sieben Jahren missbraucht haben. Die Taten aus ihrer Kindheit sind verjährt. Was in Sizilien geschah, darauf hat der Arm des deutschen Gesetzes keinen Zugriff.

Die zehnte Strafkammer am Landgericht München I jedenfalls ging davon aus, dass Antonino D. seit dem Jahr 1973 eine "Drohkulisse" geschaffen hatte, aus der die kleine Vittoria alleine nicht mehr herausfand.

Es habe sich ein Muster entwickelt, der Vater habe Vittoria - im Vergleich zu den anderen beiden Geschwistern - sozial isoliert. Die Schwester von Vittoria habe ausgesagt, dass diese "anders" aufgezogen worden sei. "Sie wurde anders gehalten, enger", so formulierte es der Vorsitzende Richter.

Als Vittoria D. 2017 nach München übersiedelt, folgt ihr der Peiniger

Als Vittoria 2017 von Sizilien nach München übersiedelte, sei ihr der Vater gefolgt. D. sorgte auch hier dafür, dass die erwachsene Frau keinerlei soziale Kontakte aufbauen konnte. Er fuhr sie zur Arbeit, zwang sie, ihre Mittagspausen mit ihm zu verbringen, und lauerte vor dem Schaufenster des Kaufhauses, in dem sie arbeitete, um sie zu beobachten. "Das hat schon etwas von Besessenheit", sagte der Richter. Erst durch das Zureden eines Arbeitskollegen und eines Verwandten schaffte es Vittoria D. schließlich, zur Polizei zu gehen und ihren Vater anzuzeigen.

Die Kammer konnte die Zahl der Vergewaltigungen und auch der Schläge und Bedrohungen im genannten Zeitraum von drei Jahren nur schätzen. Es sei völlig nachvollziehbar, dass Vittoria nicht jede einzelne Tat zeitlich benennen könne. An den Aussagen der Zeugin hatte die Strafkammer keinerlei Zweifel. Sie sei sachlich, geordnet und konstant gewesen. Sie selbst soll bei ihrer Vernehmung gesagt haben, dass sie es jetzt selbst nicht verstehe, warum sie sich aus der Einschnürung nicht habe lösen können.

Die Kammer indes erklärte, Antonino D. habe innerhalb der Familie ein System aus unsichtbaren Gitterstäben etabliert. Dieses System sei geprägt gewesen von den beschränkten intellektuellen Fähigkeiten des Vaters, seiner Unzugänglichkeit, seinem Interesse für Pornografie, seiner Herrschsucht.

Der Angeklagte bestritt die Taten - und beschuldigte andere

Ebenso habe er sich in der Verhandlung verhalten: uneinsichtig, allen ins Wort fallend. Mit Verteidiger Gerhard Bink habe er einen ausgezeichneten Rechtsanwalt an seiner Seite gehabt, aber auch auf ihn habe er nicht gehört. "Sie haben alles besser gewusst."

Antonino D. hatte in der Verhandlung die Taten bestritten, sogar einen entfernten Verwandten der Vergewaltigungen bezichtigt. Gleichzeitig behauptete er, die Tochter sei gar nicht sein leibliches Kind, und sie habe ihn bereits als Kind sexuell angegangen. Die Freiheitsstrafe von mehr als zehn Jahren sei die höchste, die die Kammer je ausgesprochen habe, sagte Lantz. "Aber es ging in diesem Fall nicht anders."

Staatsanwalt Weihrauch hatte eine Freiheitsstrafe von zwölf Jahren gefordert. Aber man habe D. noch eine Türe offen gehalten, damit er nicht im Gefängnis sterbe. Wenn der heute 75-Jährige zwei Drittel seiner Strafe abgesessen habe, "dann werden sie abgeschoben", sagte Nikolaus Lantz. "Deutschland ist für Sie beendet."

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