Funkkaserne:"Da kommt kein Mann rein"

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Abwechslung im Flüchtlingsalltag: Die Kinder in der Funkkaserne können nun in einer Art internen Kita spielen und basteln. Dabei lernen sie spielerisch Deutsch. (Foto: Oliver Bodmer)
  • Die Regierungspräsidentin Maria Els reagiert mit Maßnahmen bei der Unterbringung Geflüchteter auf die Kritik an den Zuständen insbesondere in der Funkkaserne.
  • Mütter und Kinder erhalten besseren Schutz und weitere Erleichterungen, wie beispielsweise Wasserkocher in ihren Zimmern.
  • Häuser für Homosexuelle, um die Menschen vor homophoben Attacken zu schützen, soll es jedoch noch nicht geben.

Von Thomas Anlauf, München

Regierungspräsidentin Maria Els will die Unterbringung der Geflüchteten in den oberbayerischen Anker-Dependancen sukzessive weiter verbessern. So sollen nun alle alleinerziehenden Frauen mit Kindern und andere Schutzbedürftige entweder ihre Zimmer abschließen können - oder sie werden in separaten Gebäudetrakten untergebracht. Das sagte Els am Donnerstag in einem Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung in der Münchner Funkkaserne. "Wir haben Gebäude für Frauen, da kommt kein Mann rein", sagte Els. Das ist nun auch in der Funkkaserne am Frankfurter Ring so. Am Eingang des Hauses sitzt nach Angaben der Regierung Tag und Nacht ein Sicherheitsdienst, am Donnerstag wachte eine Frau darüber, dass kein Unbefugter das Gebäude betritt.

Auch weitere Erleichterungen gibt es nun: So erhalten alle Mütter in den staatlichen Unterkünften auf Anfrage Wasserkocher, um ihren Kindern bei Bedarf wenigstens heiße Nahrung zubereiten zu können. Bislang mussten Mütter nachts den Sicherheitsdienst um Erlaubnis fragen. Die Regierungspräsidentin reagiert mit den Maßnahmen auf die Kritik an den Zuständen insbesondere in der Funkkaserne im Frühjahr. "Daran muss man nichts beschönigen", sagte sie.

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Els war durch SZ-Berichte darauf aufmerksam geworden, dass in der Funkkaserne Familien mit kleinen Kindern mit fremden Menschen in einem Zimmer leben mussten, obwohl die ehemalige Kaserne gar nicht voll belegt war. "Da habe ich gefragt: Was ist da los?" Am 15. März besichtigte sie erstmals als Regierungspräsidentin die Unterkunft und ordnete an, dass der Schimmel in den Bädern umgehend beseitigt werden müsse und die Doppelbelegungen aufgelöst werden. Mittlerweile leben noch 130 Geflüchtete dort, maximal ist die Unterkunft für 370 Menschen ausgelegt. Auffällig ist auch der hohe Anteil an Frauen und Kindern: Nur noch 18 Männer wohnen derzeit in der alten Kaserne, aber 60 Frauen und 52 Kinder - davon sind 21 Säuglinge unter einem Jahr und 15 Kinder zwischen einem und fünf Jahren.

Das hat verschiedene Gründe: Einerseits begeben sich seit geraumer Zeit viel mehr junge Frauen auf die Flucht nach Deutschland als noch vor einigen Jahren, als vor allem alleinreisende Männer in München ankamen. Das verändere auch die Anforderungen an die Unterbringung, so die Regierungspräsidentin. Frauen mit kleinen Kindern hätten "ganz andere Ruhebedürfnisse", so Els. Zum anderen hat die Regierung seit Eröffnung der neuen Unterkunft Mitte Mai am Moosfeld in Trudering die Möglichkeit, Geflüchtete besser zu verteilen.

Auf Anregung der Inneren Mission, die für die Sozialbetreuung in den beiden staatlichen Anker-Dependancen zuständig ist, wurde in der Funkkaserne auch ein sogenanntes Mini-Family-House eröffnet, in dem Kinder von zweieinhalb Jahren an werktags von Fachkräften betreut werden. Derzeit wird zudem ein ehemaliges Spielzimmer in einen kleinen Aufenthaltsraum für Jugendliche umgebaut. Das sind alles noch Provisorien, denn noch ist nicht endgültig klar, wie lange die Funkkaserne als Anker-Dependance gehalten werden kann. Innenminister Joachim Herrmann (CSU) hatte jedoch nach einem Besuch der Kaserne angekündigt, dass die maroden Gebäude generalsaniert werden sollten. Das könnte nach Ansicht von Maria Els im kommenden Jahr beginnen.

Einrichtungen können kaum von Außenstehenden besucht werden

Trotz einiger Verbesserungen gibt es jedoch nach wie vor Themen, die die Regierung nicht angehen will: Eigene Häuser für Homosexuelle etwa, wie unter anderem die Münchner Schwulenberatungsstelle Sub fordert, damit LGBTI-Geflüchtete vor homophoben Attacken geschützt sind, sieht Els noch nicht. Das sei ein "schwieriges Thema". Man wolle diese Menschen ja auch nicht ausgrenzen und stigmatisieren. Auch das Problem, dass Asylsuchende oft viele Monate in den Einrichtungen bleiben müssen, bis sie in eine Anschlussunterkunft ziehen können, ist noch nicht gelöst. Bei Frauen mit Kindern versuche man, sie möglichst nach sechs bis sieben Monaten aus den Sammelunterkünften zu bringen.

Derzeit liege die Wartezeit bei Müttern und ihren Kindern bei 6,7 Monaten. Das Problem: Bei einem Ablehnungsbescheid des Asylantrags dauert eine Verhandlung sehr lange, bis dahin müssen die Menschen weiter in den Anker-Dependancen bleiben. Die Anschlussunterkünfte seien zudem sehr voll, weil auch viele anerkannte Flüchtlinge dort weiterhin leben. Diese sogenannten Fehlbeleger finden oftmals keine Wohnung und bleiben dort.

Kritik von Seiten des Bayerischen Flüchtlingsrates gibt es auch daran, dass Einrichtungen wie die Funkkaserne kaum von Außenstehenden besucht werden können. Selbst Kinder aus der Nachbarschaft, die mit Gleichaltrigen in der Kaserne spielen wollen, brauchen eine Genehmigung. Wer das alte Kasernengelände betritt, muss sich registrieren lassen und den Grund seines Besuchs nennen.

© SZ vom 02.08.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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