Promi-Tipps für München und Region:Die Woche von Frido Mann

Lesezeit: 4 min

Frido Mann, Jahrgang 1940, lebt als Weltbürger in München. (Foto: Robert Haas)

Der Schriftsteller und Psychologe freut sich in der Woche von 31. Januar bis 6. Februar auf eine Reise zum Weltkloster am Bodensee. Auch ein Besuch im Literaturhaus und eine urbayerische Brotzeit stehen an. Ein Gastbeitrag.

"Democracy will win!" Dieses berühmte Thomas-Mann-Zitat aus dem Jahr 1938 ist auch für seinen Enkel, Frido Mann, von großer Bedeutung: "Democracy will win - Bekenntnisse eines Weltbürgers" heißt das aktuelle Buch des Münchner Schriftstellers. Sein Engagement für Dialog, Miteinander, Pluralität und Freiheit ist beachtlich - und prägt auch diese Woche in seinem Leben.

Montag: Demokratie stärken

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Das musische Pestalozzi-Gymnasium "ohne Rassismus und mit Courage" in München hat mich eingeladen, mit den Schülern der Klasse 9c über das Thema "Was ist Demokratie?" zu sprechen. Im Politikunterricht war dort zuletzt die Weimarer Republik und die Zeit des Nationalsozialismus behandelt worden. Ich werde meinen jungen Hörern plausibel machen, dass Demokratie nur dann funktioniert, wenn die Menschen sich voll mit ihr identifizieren und sich konsequent für sie einsetzen. In diesem Sinn wird am Ende der Unterrichtsstunde als Antwort auf die Anfangsfrage die Formel stehen: Wir sind Demokratie. Die konsequenten Gedankengänge dorthin haben mich auf die Idee gebracht, für möglichst viele höhere Schulen im deutschen Sprachraum eine kurze und prägnante Broschüre zu diesem Thema Nummer eins zu verfassen.

Dienstag: Allgäu erkunden

Schönes Allgäu: Blick von Oberstaufen in Richtung Süden. (Foto: Doris Burger/dpa)

Auf meiner Bahnfahrt durch das Allgäu von München an den Bodensee ergeht es mir heute wie immer. Angesichts der ab Kempten unverändert idyllischen, vom globalen Natur- und Artensterben verschont gebliebenen Landschaft zieht es mir vor Glück, aber gleichzeitig auch vor Schmerz das Herz zusammen. Die Unschuld der schneebedeckten Alpen, die Klarheit der wie selbstbewusst glitzernden Seen, das vor allem im Sommer kraftvolle Grün der Wälder und Felder um Immenstadt, Oberstaufen und Sonthofen. Hier sind noch keine Spuren der Verkarstung des Bodens und keine Zerstörungen durch Sturzregenmassen zu sehen. Wie lange noch?

Mittwoch: Tagen im Kloster

Heute treffen wir uns im Trägerverein Weltkloster am Bodensee. Jahrelang haben wir dort Erkenntnisse über authentisch und empathisch geführte Erfahrungsdialoge zwischen Geistlichen und Ordinierten unterschiedlichster Religionen gesammelt. Dieses Wissen möchten wir unbedingt noch tiefer in unsere Gesellschaft hineintragen. Mich irritieren täglich die rein strategischen Appelle und leeren Worthülsen vieler Politiker. Nur bei einer Minderheit wirken deren Reden auf Anhieb echt und engagiert. Mit Sicherheit würde unser zunehmend gefährdetes Miteinander durch authentischer und empathischer geführte Dialoge friedvoller und enger werden. Und es würde vor allem unsere Wachsamkeit und unseren Widerstand gegen den immer hemmungsloser agierenden Rassismus, Hass und extremistische Gewalt stärken helfen. Wir überlegen heute, wie wir noch umfassender dazu beitragen können.

Donnerstag: Lesend lernen

André Eisermann und Ben Becker in Joseph Vilsmaiers Verfilmung von "Schlafes Bruder" aus dem Jahr 1995. (Foto: picture-alliance/dpa)

Auf meiner Rückfahrt nach München lese ich weiter im preisgekrönten und vielfach übersetzten Roman "Schlafes Bruder" von Robert Schneider. Eine verstörende, aber faszinierende Erzählung. Das von Inzucht und Doppelmoral geprägte Milieu eines österreichischen Bergdorfes im frühen 19. Jahrhundert. Mich fesselt zum einen die zentrale Rolle der Musik als Motor eines durch innere Verstrickungen und Zwänge gescheiterten Lebens sowie der Bezug zum Verhältnis zwischen Schlaf und Tod in der griechischen Mythologie. Die maroden Schilderungen sind ein erschütterndes Zeugnis einer unglaublichen Rückständigkeit abgelegener Landstriche mitten im Zeitalter von Aufklärung, Revolution und gesellschaftlichem Fortschritt. Ein eindringlicher und vielfältiger Aufriss, der uns die Zerbrechlichkeit und die Abgründe des Menschen vor Augen führt und zu Geduld, Bescheidung und Demut aufruft.

Freitag: Optimistisch bleiben

Ich habe mich den ganzen Tag gefreut auf die heute Abend stattfindende transatlantische Videokonferenz, organisiert von der Section of German Studies in der California State University in Long Beach bei Los Angeles. Dazugeschaltet werden mehrere andere Universitäten quer durch die USA bis an die Ostküste. Das Hauptthema ist, wie schon während meiner Vortragsreise durch die USA vor über zwei Jahren, die Bedeutung des Dialogs im Dienste unserer weltweit und besonders in den USA in eine Krise geratenen Demokratie. Und wieder begeistern mich die klugen, engagierten und kreativen Beiträge der von überallher auf meinen Bildschirm gezauberten Student:innen. Sie geben mir wieder einmal die Zuversicht zurück, dass nicht alles verloren ist, wie dies uns die Medien manchmal sensationshaschend vorgaukeln. Pessimismus ist eben populärer als Optimismus.

Samstag: Staunen im Literaturhaus

Hannah Arendt mit obligatorischer Zigarette zwischen den Fingern. (Foto: UPI/picture alliance/dpa)

Heute besuche ich die sehenswerte Ausstellung im Münchner Literaturhaus : "Das Wagnis der Öffentlichkeit. Hannah Arendt und das 20. Jahrhundert", übernommen aus dem Deutschen Historischen Museum in Berlin. Die Ausstellung zeigt, wie Arendt uns Ideal und Wirklichkeit der in der US-amerikanischen Verfassung verankerten, "herrschaftsfreien Demokratie" nahegebracht hat. Mir begegnet eine faszinierende Collage aus erhellenden Dokumenten, provokativ geistreichen Zitaten aus Arendts politischem Schrifttum und aus den privaten Fotos und persönlichen Gegenständen dieser radikalen Vordenkerin und Kämpferin für Freiheit, Pluralität und dialogischem Zusammenhalt.

Sonntag: Schlemmen in München

Man sagt: Die Liebe geht durch den Magen. Das trifft auch auf mich in München zu, welches als die verlorene Heimat meiner Vorfahren seit langem zu meinem festen Zuhause geworden ist. Dazu gehört auch die Vorliebe für bestimmte urbayerische Spezialitäten. Auf meinem Speiseplan heute Mittag steht so die am Faschingssonntag 1857 im Wirtshaus "Zum ewigen Licht" am Marienplatz erfundene Weißwurst aus fein gekuttertem Kalbfleisch, Schweinerückenspeck und Gewürzen. Nicht fehlen darf dabei natürlich die stark salzige Bretzel, die ohnehin zu meinem täglichen Münchner Brot gehört.

Seine Interessen sind vielfältig, und sie spiegeln sich in einem Lebensweg mit vielen Abzweigungen. Frido Mann, 1940 als Enkel Thomas Manns in eine berühmte Künstlerfamilie hineingeboren, hat sowohl Musik als auch Theologie und Psychologie studiert und unter anderem ein Institut für Medizinische Psychologie geleitet. Er hat sieben Romane geschrieben und zahlreiche Sachbücher. Auch da ist das Spektrum des Schriftstellers breit, der seit zehn Jahren in München lebt - die Familiengeschichte interessiert Frido Mann ebenso wie zum Beispiel die Quantenphysik oder das Thema Demokratie.

(Anmerkung der Redaktion: Der Gastautor hat sich für die Schreibweise mit Gender-Doppelpunkt entschieden. Da es sich um einen persönlichen Artikel handelt, wurde dies entgegen der sonstigen SZ-Regelung übernommen.)

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