Michael Kerkloh:Kein konventioneller Manager

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Münchens Flughafen-Chef Michael Kerkloh hört nach 17 Jahren auf. Über einen speziellen Typen, der den Airport zum globalen Player entwickelt hat, Musik liebt und mit einem Eishockey-Trikot durch die Stadt läuft.

Von Dominik Hutter

Zum letzten Treffen mit der Münchner Presse kommt Michael Kerkloh im Eishockey-Trikot. Er hat es zum Abschied beim EHC Red Bull München geschenkt bekommen und sich darüber so gefreut, dass er es gleich anbehalten hat. Auch beim Marsch durch die Fußgängerzone trägt er es. Ob den Passanten, die ein wenig verdutzt auf das ulkige Oberteil schauen, bewusst ist, dass hier ein Münchner Spitzenmanager vorbeigeht? Der CEO des zweitgrößten deutschen Flughafens?

Kerkloh ficht so etwas nicht an. Der 66-Jährige ist einfach alles andere als ein konventioneller Typ. Der sprichwörtlich langweilige und austauschbare Manager-Charakter ist ihm fremd. Klar, der Mann, der seit 17 Jahren Geschäftsführer des Münchner Flughafens ist und nun in den Ruhestand wechselt, kann auch äußerst seriös auftreten und mit großer Leidenschaft und Kompetenz über die Luftfahrt und "seinen" Airport referieren. Stundenlang sogar. Er kann mit Nachdruck sein Ziel vertreten, "MUC" müsse ausgebaut werden. In Freising und Umgebung, wo seit Jahren gegen die dritte Startbahn gekämpft wird, ist er so zum Feindbild geworden.

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Gemeinsam mit der Lufthansa will Flughafen-Chef Kerkloh einen Neubau vorantreiben. Dieser soll zehn Millionen Passagiere mehr im Jahr ermöglichen - sowie höchste Klima- und Umweltziele erfüllen.

Von Dominik Hutter

Aber man kann ihn eben auch mittags im Airport Center bei "Smokey Joe's" treffen, wo aus einem als Flugzeug-Oldie getarnten Wohnwagen heraus Currywurst verkauft wird. Gegessen wird ganz proletarisch am Stehtisch. Kerkloh ist begeisterter Rockfan und auch Rockmusiker. Er spielt E-Gitarre und Klavier, immer wieder singt er auch. Zum Beispiel bei Flughafen-festen, wo der gebürtige Ahlener gerne ans Mikrofon tritt und vor versammelter Belegschaft Musik macht. Er stand aber auch schon mit der Band Next Generation auf der Bühne, in der unter anderem Oberbürgermeister Dieter Reiter, der frühere Bürgermeister Hep Monatzeder und Ex-Staatskanzlei-Chef Siegfried Schneider mitmachen. Sogar im Kammerorchester hat Kerkloh schon gespielt, diesmal Geige. Musik zählt für den Vater eines erwachsenen Sohnes zu den ganz wichtigen Dingen.

Neben der Fliegerei natürlich. Seit der Diplom-Volkswirt 2002 den Chefposten am zweitgrößten Flughafen Deutschlands übernommen hat, hat sich einiges verändert im Erdinger Moos. Damals war "MUC" einer von vielen Airports, die alle im Schatten des Giganten Frankfurt standen. Inzwischen, das freut Kerkloh, werden Frankfurt und München im selben Atemzug genannt, wenn es um die Großen im deutschen Luftverkehr geht. Das kleine Europadrehkreuz von einst hat sich zu einem ernstzunehmenden Player im Interkontinentalverkehr gemausert. Und "Langstrecke ist die Königsdisziplin", schwärmt Kerkloh, dem sehr bewusst ist, dass "MUC" diese Rolle nicht zuletzt den Berlinern zu verdanken hat, die es nicht geschafft haben, ihre Chance zu nutzen. Im Berlin-Hype der Neunziger, da ist sich Kerkloh sicher, hätte die Hauptstadt eigentlich allerbeste Voraussetzungen für ein internationales Drehkreuz gehabt.

Dieses prestigeträchtige System läuft nun in München, wo anders als an der Spree zum richtigen Zeitpunkt ein neuer und großzügig geplanter Flughafen zur Verfügung stand. Und wo der Wille zum Aufbruch in höhere Luftfahrtsphären vorhanden war. 2003 hat Kerkloh das pompöse Terminal 2 eröffnet - mit einer Kapazität, die noch heute ausreichen würde, um sämtliche Passagiere der Flughäfen Köln und Stuttgart abzufertigen. Terminal 2 war noch von Vorgänger Willi Hermsen auf den Weg gebracht worden, Kerkloh ergänzte den zusammen mit der Lufthansa betriebenen Bau durch ein 2016 fertiggestelltes Satelliten-Terminal auf dem östlichen Vorfeld. Zu seinen letzten Amtshandlungen gehörte es in diesem Dezember, die Planungen für die Erweiterung der Erweiterung zu starten. Einen Anbau. Dann kann München mehr als 60 Millionen Passagiere pro Jahr abfertigen.

Auf die Frage, ob die dritte Startbahn noch gebaut werde, sagt er: "Na logo."

Zu den großen Themen in Kerklohs Amtszeit zählen aber auch die von den Gewerkschaften heftig bekämpfte Billig-Tochter der einst so defizitären Bodenverkehrsdienste und die immer noch verbesserungsbedürftige Flughafenanbindung auf der Schiene. Kerkloh war großer Fan der Transrapid-Planung, die ja dafür gedacht war, die Verbindung zum Münchner Hauptbahnhof so zügig zu gewährleisten, dass der schmerzlich vermisste Fernzug-Halt im Erdinger Moos gar nicht mehr nachgerüstet werden muss. Teuer wäre das geworden, das weiß auch der Flughafen-Chef. Aber heute würde der Transrapid schweben, wenn man ihn nicht politisch begraben hätte - und die einst versprochene Express-S-Bahn rollt immer noch nicht. So etwas ärgert Kerkloh, den man getrost als Jünger des technischen und wirtschaftlichen Fortschritts bezeichnen kann.

Der Fan von Borussia Dortmund, der schon in vielen Städten gelebt hat, hält dem gelegentlich etwas selbstbezogenen München gerne aus der Außenperspektive den Spiegel vor. Seht, so läuft es woanders, erzählt er dann. Um hinzuzufügen, wie neidisch viele wären, wenn sie die Münchner Situation bei sich vorfinden würden.

Mit der Promi-Band „Next Generation“, der auch Oberbürgermeister Dieter Reiter angehört, spielte Kerkloh unter anderem beim Winter-Tollwood in München. (Foto: Catherina Hess)

Kerklohs wichtigster Kampf in den vergangenen 17 Jahren war zweifellos der für die dritte Startbahn, die aktuell auf Eis liegt. Ob sie noch gebaut wird? "Na logo", sagt der Manager, der einst operativer Leiter der Bodenabfertigung in Frankfurt und dann Geschäftsführer des Hamburger Flughafens gewesen ist. Nur die dritte Bahn sei geeignet, den Luftverkehr effektiver und damit klimaschonender zu gestalten, lautet das Credo Kerklohs, der es partout nicht akzeptieren will, wenn München seine Chance auf die vermutlich letzte neue Startbahn in Deutschland (nach der Eröffnung des Berliner Flughafens) verspielen sollte. "Nichts tun ist keine Lösung." Gerade München mit seinem ikonischen Flughafen-Dach, dem einzigen Flughafen-Biergarten mit Brauerei weltweit, seinem Ruf als sympathisches wie modernes Touristenziel. Kerkloh kann lange von den Vorzügen der Stadt, ihres Flughafens und ihrer Umgebung schwärmen. Er will auch nach seinem Ausscheiden bleiben.

Wehmütig über seinen Abschied, der zum Jahreswechsel vollzogen wird, ist Kerkloh nicht. "Ich konnte mich ja lange darauf vorbereiten." Und irgendwann sei bei jedem Job auch der Spannungsbogen vorüber, müssten Neue ans Ruder. Der Neue heißt Jost Lammers und war bislang Chef des Budapester Flughafens. Kerkloh will ihn allen vorstellen, ihm Geschäfte wie Büroschlüssel übergeben. Und sich dann nicht mehr einmischen. "Ich steige vollständig aus. Mit einem smoothen Übergang. Mein Ziel ist: Man merkt gar nicht, dass ich nicht mehr da bin."

© SZ vom 31.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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