Resettlement:Integration vom ersten Tag an

Resettlement: 2009 in München gelandet: Hassan Matti arbeitet inzwischen bei einem Ingenieurdienstleister, seine Frau Zina studiert Zahnmedizin.

2009 in München gelandet: Hassan Matti arbeitet inzwischen bei einem Ingenieurdienstleister, seine Frau Zina studiert Zahnmedizin.

(Foto: Stephan Rumpf)
  • Viele Flüchtlinge, die nach Deutschland kommen wollen, müssen große Risiken und Gefahren auf sich nehmen.
  • Doch seit 2009 gibt es für besonders Schutzbedürftige auch einen sicheren und legalen Weg nach München: das Resettlement-Programm des UN-Flüchtlingskommissariats UNHCR.
  • Ungefähr 350 Flüchtlinge sind in zehn Jahren insgesamt auf diesem Weg nach München gekommen.

Von Anna Hoben

Leicht ist es nicht gewesen. "Man muss kämpfen", sagt Hassan Matti. Für das, was man Integration nennt. Die Sprache zu lernen. Kontakte und Freundschaften zu knüpfen. Eine Wohnung zu finden und eine Arbeit. Matti, 36, hat es geschafft. Er hat einen guten Job als Ingenieur, er hat sich einen Freundeskreis aufgebaut und eine Familie gegründet, mit der er in einer Zweizimmerwohnung in Sendling wohnt. Seine Frau Zina studiert Zahnmedizin an der LMU, vor 16 Monaten ist ihr Sohn Daniel geboren, der jetzt durchs Wohnzimmer flitzt und sich ein Stück vom Kuchen schnappt, das eindeutig zu groß ist für seinen Mund. Seitdem jonglieren sie ihr Leben zwischen Arbeit, Universität und Kindergarten.

Vor ziemlich genau zehn Jahren kam Hassan Matti nach München, mit der ersten Aufnahme von Resettlement-Flüchtlingen in Deutschland. Matti ist Iraker und er ist Christ, 2004 hatte er seine Heimat in Richtung Jordanien verlassen. Er hatte gerade seinen Bachelorabschluss als Maschinenbauer in der Tasche. In Jordanien fand er Arbeit als Logistikmanager und ließ sich als Flüchtling beim UNHCR registrieren.

Er habe dann zwei Möglichkeiten gehabt, sagt er: in die USA zu gehen oder nach Deutschland. Er entschied sich für Deutschland, das Land der Ingenieure. Im Juli 2009 ging ein Charterflug nach Hannover, über das Grenzdurchgangslager Friedland gelangte er schließlich nach München. Ein halbes Jahr lebte er dort in einer Gemeinschaftsunterkunft, bevor er eine Einzimmerwohnung fand. "Damals war der Wohnungsmarkt noch nicht so schlimm, und ich hatte Glück."

Wenn es um Flüchtlinge geht, ist heute viel von "unkontrollierter Zuwanderung" die Rede. Dass es auch Programme gibt, mit denen Flüchtlinge geregelt und auf sicherem Weg nach Deutschland kommen, ist wenig bekannt. Im Jahr 2008 begann eine Kampagne mit dem Namen Save Me - "Rette mich" - von München aus dafür zu werben, dass Deutschland sich am Resettlement-Programm der Vereinten Nationen beteiligt - initiiert von einem breiten Bündnis verschiedener Organisationen und Initiativen, darunter der Münchner Flüchtlingsrat, aber auch die Kammerspiele. Save Me forderte damals, dass der Stadtrat - anlässlich der 850-Jahr-Feier der Stadt München - sich offiziell für die Aufnahme von 850 Flüchtlingen aussprechen solle.

Sicherer Fluchtweg

Resettlement heißt Umsiedlung, es geht bei dem Programm der Vereinten Nationen darum, sichere und legale Fluchtwege für besonders schutzbedürftige Flüchtlinge zu schaffen. Sie werden aus einem Land, in dem sie bereits als Geflüchtete leben, in einen Drittstaat aufgenommen. 2008 war die Kampagne Save Me, die für ihre Arbeit auf Spenden angewiesen ist, von München aus mit ausschlaggebend dafür, dass Deutschland sich an dem Programm beteiligt. 10 200 Menschen sollen in den Jahren 2018 und 2019 aufgenommen werden, die meisten davon Syrer, die im Zuge des EU-Türkei-Deals kommen. Bisher sind es etwa 4000 Flüchtlinge - ob das Kontingent bis Ende des Jahres ausgeschöpft wird, ist fraglich. Eigentlich seien die Voraussetzungen zur Integration bei den Resettlement-Flüchtlingen bestens, sagt Nina Klofac von Save Me. Sie müssen kein Asylverfahren durchlaufen, haben einen sicheren Aufenthaltstitel für drei Jahre, dürfen theoretisch sofort arbeiten und eine Wohnung beziehen. Auch der Familiennachzug ist erleichtert. Diese Rechte seien bei Behörden in Bayern jedoch oft kaum bekannt. Save Me kritisiert auch, dass Resettlement in der Flüchtlingsdebatte oft als Feigenblatt benutzt werde. Es dürfe nicht dazu führen, dass der Zugang über das individuelle Asylverfahren eingeschränkt wird. München solle zudem aktiver Flüchtlinge aufnehmen. Im Juli hatte der Stadtrat beschlossen, dass München zum "sicheren Hafen" werden und in Seenot geratene Menschen aufnehmen soll - der Beschluss klappte erst im zweiten Anlauf. hob

Mit Erfolg: Die Lokalpolitiker fällten einstimmig einen entsprechenden Beschluss. Zugleich machte sich Save Me auf die Suche nach 850 potenziellen Flüchtlingspaten; es meldeten sich mehr als 1000. Bundesweit bildeten sich daraufhin in verschiedenen Städten mehr als 50 solcher Kampagnen, sie bewegten die Bundesregierung zur Teilnahme am Resettlement-Programm. "Das hat gezeigt, wie eine zivilgesellschaftliche Initiative etwas bewegen kann", sagt Nina Klofac, Projektleiterin von Save Me in München. Zehn Jahre Resettlement in München: Im Juli haben sie das in den Kammerspielen gefeiert. 96 Menschen waren mit der ersten Einreise 2009 in München gelandet.

Aus der ehemaligen Kampagne ist mittlerweile eine Anlauf- und Beratungsstelle für Menschen geworden, die über Resettlement oder andere Aufnahmeprogramme nach München kommen. Ungefähr 350 sind es in den zehn Jahren insgesamt gewesen. Save Me kooperiert eng mit der Stadt und dem interkulturellen Verein Initiativgruppe (IG), bietet den Menschen Orientierung und Hilfe bei bürokratischen Dingen während ihres ersten Jahres im neuen Land. Alle zwei Wochen gibt es eine offene Sprechstunde mit Dolmetscher. Über ein Patenschaftsprogramm stellt Save Me den Flüchtlingen ehrenamtliche Unterstützer zur Seite. Im städtischen Sozialreferat ist Stefan Kreiner für Resettlement zuständig. Das Netzwerk aus Stadt, Save Me und IG sei "einzigartig", sagt er. Wenn die Flüchtlinge von Friedland aus auf die Bundesländer verteilt werden, frage die Regierung von Oberbayern die Kommunen an. Die Stadt prüfe dann, wen sie aufnehmen könne, und orientiere sich etwa an eventuell schon vorhandenen familiären Bindungen und medizinischem Bedarf. Das Ziel sei immer, die Menschen möglichst schnell in Wohnungen zu bringen.

Das Gute am Resettlement-Programm sei, das sagt auch Hassan Matti: dass man nicht warten müsse. Zwei Tage nach der Ankunft in München hatte er seinen Aufenthaltstitel und konnte ein Konto eröffnen. Er begann rasch mit dem Sprachkurs und bekam von der Initiative Save Me einen Paten zur Seite gestellt. Mit Erik saß er oft stundenlang zusammen, erinnert er sich. Hausaufgaben machen, Alltagsdinge besprechen, Formulare ausfüllen, für Behörden, für potenzielle Vermieter. Dass er Englisch konnte, half ihm dabei, die deutsche Sprache zu lernen. "Ich wusste, dass die Sprache der Schlüssel ist, dass ich ohne sie nicht weiterkomme." Er machte einen Kurs nach dem anderen, erreichte das Niveau B1, dann B2, schließlich C1.

Einen Job zu finden war dann allerdings alles andere als einfach, trotz seiner Qualifikation. Er absolvierte ein paar Praktika, doch auch danach kassierte er eine Absage nach der anderen. Erst mit seiner Teilnahme an dem Integrationsprogramm "Work here" im Jahr 2015 öffneten sich beruflich Türen für ihn. Während eines Praktikums beim Autobauer BMW konnte er sich zum ersten Mal richtig beweisen, es folgte ein weiteres Praktikum bei einer anderen Firma, die ihn anschließend fest übernahm. Im Jahr 2015 heiratete er Zina, die ebenfalls über Resettlement mit ihrer Familie aus dem Irak nach Deutschland gekommen war, über Libyen und Rumänien nach Nürnberg. Über dem Sofa hängt ihr Hochzeitsfoto, an der anderen Wand ein Kreuz. Mittlerweile haben beide die deutsche Staatsbürgerschaft. Mit ihrem Sohn Daniel sprechen sie Aramäisch und Arabisch, Deutsch lernt er im Kindergarten.

Wenn er heute sieht, welche Gefahren Flüchtlinge auf sich nehmen, um nach Europa zu gelangen, denkt Hassan Matti sich: Gott sei Dank, dass er auf sicherem Weg kommen konnte. Er hat sich später selbst als Dolmetscher bei Save Me engagiert. Als im Sommer 2015 Zehntausende Flüchtlinge am Hauptbahnhof ankamen, meldete er sich ebenfalls. Doch seine Hilfe wurde nicht gebraucht - es gab in München einfach zu viele, die helfen wollten.

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