Pilotprojekt in der Maxvorstadt:Modellversuch "Flexi Parken": Schilder stiften Verwirrung

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Mit diesem Schild versucht die Stadt, das neue Modell zusätzlich zu erklären. Doch Autofahrer sehen es oft erst, wenn sie schon geparkt haben. (Foto: Tom Soyer/oh)
  • Seit dem Frühjahr experimentiert die Landeshauptstadt mit einem Parkraum-Teilungsprojekt, das in Deutschland bislang einmalig ist.
  • Bislang wird das Angebot von Radlern kaum angenommen und häufig parken Pkw auch außerhalb der ihnen zustehenden Zeiten in der "Flexi Parken"-Zone.
  • Ein Problem: Offenbar verwirrt die Beschilderung.

Von Tom Soyer, München

Die Idee für das deutschlandweit einmalige Projekt "Flex-Parken" in der Luisenstraße hat sich München in Kopenhagen abgeschaut: Weil Verkehrsraum in der Großstadt umkämpft ist, versucht es das Planungsreferat seit Frühjahr mit einer Doppelnutzung - von 9 bis 23 Uhr dürfen auf einem Streifen an der Ecke zur Gabelsbergerstraße Fahrräder vor der TU parken, in der Zeit von 23 bis 9 Uhr wiederum Autos im Parklizenzbereich. Der Modellversuch ist auf bis zu zwei Jahre angelegt, und offenbar braucht es diese Eingewöhnungszeit, denn der Erfolg hält sich bisher in überschaubaren Grenzen.

Natürlich ist eine Momentaufnahme während der Semesterferien nicht repräsentativ, aber am Donnerstagmittag standen innerhalb der wie andere Parkbereiche auch weiß umrandeten, etwa 30 Meter langen Flex-Zone spärliche sechs Fahrräder. Entlang der Hausmauer im selben Bereich, am Thierschblock der Technischen Universität München: acht Fahrräder, und das, obwohl dort überall Schilder bitten, die Notausstiegsfenster des Souterrains nicht zu behindern. Diese acht Räder und noch viele weitere hätten locker auf der Flex-Zone Platz gefunden.

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Die Beschilderung ist auf den ersten Blick kaum zu verstehen und hatte dem Pilotversuch einen so schleppenden Start beschert, dass das städtische Planungsreferat am Gehsteig noch eine Informationsstele aufgebaut hat. Manko: Die informiert nun vor allem Fußgänger darüber, was sich nebenan abspielen soll. Autofahrer können das erst lesen, wenn sie ausgestiegen sind - und ihr Wagen womöglich schon illegal Fahrradparkplätze blockiert. Das geschehe häufig, berichtet eine Angestellte in einem nahen Café. "Ich sehe immer wieder schon am frühen Abend Autos dort stehen, und genauso auch die Nacht über Fahrräder". Wobei sich Räder leichter wegheben ließen als Autos... Der Parkdruck in der Maxvorstadt sei derart hoch, das Interesse an einer Kompromisslösung offenbar gering: "Die parken und sind weg, fertig. Da fänd' ich's besser, gleich Fahrrad-Parkplätze draus zu machen."

Ähnlich lautet das Resümee von Lukas, Lucie und Nina, deren TU-Institut direkt an den Modellversuch angrenzt. Sie machen sich quasi schon von Berufs wegen Gedanken über so einen urbanen Vermittlungsversuch zwischen Auto- und Fahrradverkehr, denn sie sind alle drei als Städteplaner dabei, ihre Masterarbeit zu schreiben am Institut für Urbanistik. "Eigentlich eine gute Idee, aber sie funktioniert nicht", zu oft stünden tagsüber Autos dort, und wenn es sich, was vorkomme, um falsch abgestellte Autos von Mietflotten handle, "dann fühlt sich halt niemand verantwortlich". Und wer sein Rad liebe, stelle es nicht gerne dort ab aus Angst vor dem Dominoeffekt: kippt eines, kippen alle - weil Abstellbügel fehlen.

Auch reguläre Park-Verkehrsschilder weisen vor dem Thierschblock auf die besondere Regelung hin. (Foto: Tom Soyer)

Christian Krimpmann (CSU), Vorsitzender des örtlichen Bezirksausschusses, teilt die Argumente der Studenten, will dem Projekt aber erst einmal Zeit geben. Und das, obwohl er von Anfang an "skeptisch" gewesen sei. "Das fordert den Beteiligten viel Disziplin ab und ist unkomfortabel", könne sich aber trotzdem noch besser einspielen. "Das muss man erst noch laufen lassen, Erfahrungen sammeln und das länger beobachten", sagt Krimpmann, denn wenn es den Leuten nütze, solle man dem "eine Chance geben".

Freilich habe es ein Modellversuch auch schwer, für den es "halt noch kein passendes Verkehrsschild gibt", assistiert Stadtteilpolitiker Hans-Stefan Selikovsky (SPD). Nach seinem Eindruck habe sich die Parkmoral inzwischen auch gebessert, auch dank der Polizei, die Falschparkern tagsüber - also Autofahrern - immer mal wieder Strafzettel hinter die Scheibenwischer klemme. "Die meisten Münchner haben's kapiert", sagt Selikovsky, "es sind meist Auswärtige, die da stehen." Aber auch das könne sich noch bessern, weshalb er insgesamt doch an dieses Modell glaubt. Vielleicht sei über die Wechselzeit noch zu reden. Weil abends der Radl-Betrieb in der TU nicht mehr so groß sei, wäre vielleicht 21 Uhr als Grenze auch denkbar.

Unmittelbar nebenan, daran erinnert Polizeirat Hans-Peter Kaspar, gilt aber auch eine 23-Uhr-Grenze. Als stellvertretender Leiter der Polizeiinspektion, die fürs TU-Gebiet zuständig ist, erinnert er daran, dass auf dem angrenzenden Auto-Parkstreifen in der Luisenstraße nachts ab 23 Uhr Parklizenzbereich gilt. Da dürfen dann nur noch Anwohner parken - mit Parkticket dürfen andere Parker nur zwischen 9 und 23 Uhr dort stehen. Im übrigen seien die Flex-Parkverstöße keineswegs auffällig für die Maxvorstadt: Anfangs habe es eine Weile nur Hinweiszettel gegeben, seit 23. Mai dann "gute 50 Verwarnungen". Wer falsch parkt, muss mit bis zu 30 Euro Strafe rechnen - und könne unter Umständen auch abgeschleppt werden.

In Zagreb, so ist aus dem Münchner Polizeipräsidium noch zu hören, seien Flex-Zonen mit zeitlich wechselnder Nutzung schon viel weiter verbreitet und erfassten noch ganz andere Möglichkeiten, wenn etwa Freischankflächen nachts zu Parkzonen würden. Und ehe zuviel Bohei um diesen deutschlandweit ersten Modellversuch ausgerechnet in der Münchner Luisenstraße gemacht wird, kann sich München ja sowieso auf die Urheberschaft dieser städteplanerischen Grundidee berufen. Denn hat nicht schon Karl Valentin im Jahr 1937 - lange vor Kopenhagen! - seinen "Stadtkämmerer Wstlpnfp" verschiedene Modelle einer "Neuen Verkehrsordnung" vorschlagen lassen, bei denen beispielsweise von 7 bis 8 Uhr Personenautos, von 11 bis 12 Uhr die Feuerwehr, und von 12 bis 1 Uhr die Radfahrer die Großstadtstraßen nutzen dürfen?

© SZ vom 02.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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