Queer Film Festival:Stolz ohne Vorurteile

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Schule der Queerness : der Film "The Schoolmaster's Games". (Foto: Queer Film Festival)

Die Filme des "Queer Film Festivals" im City Kino diskutieren Liebe, Freundschaft, Eifersucht, Erwachsenwerden - und kommen immer wieder auf den Konflikt zwischen den Generationen zurück.

Von Greta Hüllmann, München

Es gibt eine Szene, die sich, obgleich in unterschiedlichen Facetten, in vielen Filmen wiederfindet, die im Rahmen des "Queer Film Festivals" im Münchner City Kino gezeigt werden. In Eva Belings Dokumentarfilm "Vorurteil und Stolz" rechtfertigt sich ein Schauspieler und Regisseur für die Darstellung einer Transfrau in einem seiner früheren Filme. Er schaut leicht gequält, als er erklärt, dass er heute einiges anders machen würde. Als sich die Transfrau im Film wiederholt als "Transe" bezeichnet, geht ein spürbares Unwohlsein durch den kleinen Kinosaal. Dem jungen Publikum vor und dem Schauspieler auf der Leinwand ist bewusst, dass das pejorative Wort beleidigt. Es ist ein Affront, der im Sprachgebrauch von 2022 nur noch Platz in intoleranten und reaktionären Mündern hat.

Zwei Tage später, der selbe Platz, eine andere Szene. Der Schulleiter einer Männerschule in "The Schoolmaster's Games" ist auf dem Weg in sein Büro. Er kommt an Händchen haltenden jungen Männern vorbei, sich küssenden Paaren, träge flirtenden Blicken. Die Kamera folgt ihm durch das von sexueller Hitze nahezu flimmernde Gebäude. Er und sein Kollege Frank sind mindestens doppelt so alt wie ihre Schüler. Sie haben den Ort aufgebaut, um eine Zuflucht zu schaffen, in der Männer Männer lieben und Queerness Normalität sein darf. Doch Frank ist wütend und der Schulleiter neidisch. Beide Männer haben Gewalt aufgrund ihrer Sexualität erlebt. Für beide ist es hart zu sehen, wie selbstverständlich ihre Schüler sie selbst sind. Wie offen sie das tun, wofür der Schulleiter mit einer Narbe auf der Brust zahlen musste.

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Regisseurin Eva Beling wünscht sich, dass queere Charaktere nicht mehr erklärt werden

Der vorletzte Tag des Festivals, ein anderer Saal, ein weiterer Film. In Uli Deckers "Anima - Die Kleider meines Vaters" wagt sich der Dialog zwischen den Generationen nicht in einigen Szenen, sondern in der gesamten Dokumentation in den Mittelpunkt. Vater und Tochter empfinden ein ähnliches Unwohlsein im Bezug auf die Zwänge ihrer Genderidentität. Einen Austausch ermöglichen erst die Tagebücher des Vaters nach seinem Tod. "Verdammt", resümiert die Tochter, "da haben wir uns ein Leben lang verpasst." Der Unterschied zwischen den beiden: Der Vater teilte sein Geheimnis mit seiner Frau, nach Jahrzehnten des Schweigens. Die Tochter teilt seine und ihre queere Geschichte mit der Welt.

Die queere (Film-) Geschichte ist so jung, dass zwischen zwei Generationen Welten an Möglichkeiten liegen. Es gibt Begriffe, Identitäten, Sexualitäten, Rechte und Freiheiten - auch wenn Letztere immer wieder angegriffen werden -, die gleichzeitig das Ergebnis andauernder Kämpfe sowie Alltag sind. Das Ausloten dieses Spannungsfeldes wird die Filmemachenden auch in Zukunft begleiten. Was das nächste Motiv des queeren Films ist, wird Ylva Forner, Regisseurin von "The Schoolmaster's Games" gefragt. Sie antwortet, dass die Charaktere so menschlich, was sie bewegt so universell ist, dass es vielleicht kein nächstes Motiv des queeren Films gibt. "Ihre Sexualität ist das Uninteressanteste an ihnen", sagt Forner. Auch Regisseurin Eva Beling wünscht sich, dass queere Charaktere nicht mehr erklärt werden. Queerness kann, aber muss nicht thematisiert werden, weil die Geschichten weit über die Fragen hinausgehen, wer wen wie liebt. Sie zeigen Liebe und Eifersucht, Freundschaft, Erwachsenwerden und -sein.

Kurz vor Ende des Publikumsgesprächs erzählt Ylva Forner, wie sich der schwule Schauspieler des Schulleiters und der eines Schülers in einer Drehpause unterhielten. Der Jüngere sagte: "Wir sind tatsächlich in der Überzahl hier." Der Ältere erwiderte: "Stimmt, keiner spielt den ,gay guy'". Zwei Generationen, ein gemeinsamer Grund zur Freude, manchmal sind die Welten vielleicht doch nicht so weit voneinander entfernt.

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