München:Eine Frage der Form

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Der historische Ortskern von Forstenried steht unter Ensembleschutz. Die alten Häuser erinnern an den ehemals dörflichen Charakter des Viertels. (Foto: Robert Haas)

Vertragen sich die Flachdächer von neuen Häusern "am Eingangstor zu Forstenried" mit den Giebeldächern des geschützten Ortskern-Ensembles? Während vor allem die SPD einen Präzedenzfall befürchtet, sehen andere Lokalpolitiker wegen der großen Entfernung kein Problem

Von Jürgen Wolfram, Forstenried

Ein vermeintlich nachrangiges Gestaltungsdetail hat im Bezirksausschuss (BA) Thalkirchen-Obersendling-Forstenried-Fürstenried-Solln heftige Kontroversen ausgelöst. Es geht darum, mit welcher Art von Dächern die geplanten Neubauten eines Wohn- und Geschäftshauses sowie zweier Doppelhäuser zwischen der Liesl-Karlstadt-Straße und der Kloster-Seeon-Straße in Forstenried gedeckt werden sollen. Flachdächer oder Giebeldächer, das ist die Streitfrage.

Die betreffenden Gebäude, für die bereits ein Bauvorbescheid vorliegt, sollen in unterschiedlichen Höhen mit zwei bis vier Vollgeschossen errichtet werden. Was dieses Projekt heikel macht: Sein Standort markiert gewissermaßen die südwestliche Haupteinfahrt zum Stadtviertel. Und an dieser Stelle böten Flachdächer zusammen mit jenen an der Neurieder Straße sowie denen in der Parkstadt Solln eine "grauenvolle Aussicht", befand SPD-Fraktionssprecherin Dorle Baumann. Die Dachform passe partout nicht zum Forstenrieder Ortskern mit seinen vielen Giebeldächern. Auch Hannelore Prechtel und Michael Kollatz (beide SPD) wandten sich energisch gegen Flachdächer "am Eingangstor zu Forstenried". Gemeinsam mit Claudia Küng (CSU) warnten sie zudem davor, "eine Präzedenz für Flachdächer" zu schaffen. Notfalls müsse dies durch die Aufstellung eines Bebauungsplans verhindert werden.

Völlig konträrer Auffassung waren andere BA-Mitglieder. Richard Panzer (parteilos) negierte vor allem den von der SPD stark akzentuierten Zusammenhang der Bauvorhaben mit dem Forstenrieder Ortskern-Ensemble. "Zu dem gibt's in diesem Fall nicht mal eine Sichtbeziehung", konstatierte Panzer. Ähnlich äußerte sich Alexander Aichwalder (Grüne). Der Ortskern liege 250 Meter vom Baugrundstück entfernt, rechnete der Vorsitzende des BA-Unterausschusses Bau und Planung vor. Davon abgesehen sähen Giebeldächer auf dem fraglichen Grundstück "hässlich" aus und würden "den Straßenraum erdrücken". Planungsrechtlich sei in diesem Fall ohnehin nichts mehr zu machen. Deshalb sollte man niemandem suggerieren, dass die Flachdächer noch zu verhindern wären. Jede weitere Gegenwehr des BA laufe nur auf "Mehrarbeit für die Verwaltung" hinaus. Grünen-Fraktionssprecherin Henriette Holtz sagte unter Hinweis auf die Dimensionen des Bauvorhabens: "Ein vierstöckiges Haus wird auch durch Giebel nicht schöner."

Einen möglichen Ausweg aus dem Dachform-Dilemma wies der BA-Vorsitzende Ludwig Weidinger (CSU). Man könnte, regte Weidinger an, der Lokalbaukommission und dem Investor wenigstens den "Wunsch und politischen Willen" der Stadtteilvertretung zur Planänderung bekunden. Doch das wollte die BA-Mehrheit am Ende der Debatte gar nicht mehr. Sie plädierte dafür, auf eine Stellungnahme zu dem Bauvorhaben an der Liesl-Karlstadt-Straße gänzlich zu verzichten.

© SZ vom 11.08.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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