Prozess in München:Durch Cannabis "komplett verblödet"

Lesezeit: 2 min

Kiffen wird legal - allerdings nur für Erwachsene und nicht überall. (Foto: Christoph Soeder/DPA)

Ein 21-Jähriger steht vor Gericht, weil er mit kiloweise Haschisch und Marihuana gedealt haben soll, um seine eigene Sucht zu finanzieren. Er sagt: "Das, was mir der Konsum gibt, ist nicht real, es ist zerstörerisch."

Von Susi Wimmer

Irgendwann sei er durch den regelmäßigen Cannabiskonsum "komplett verblödet im Kopf" gewesen, sagt Kristian L., habe "starke kognitive Probleme" bekommen und ständige Kopfschmerzen. Ob es der "kompletten Verblödung" zuzuschreiben ist, dass der 21-Jährige dann auch noch kiloweise mit Haschisch und Marihuana gedealt haben soll, das muss die 29. Strafkammer am Landgericht München I entscheiden.

Die Tür geht auf, ein junger Mann wird in den Gerichtssaal geführt, der an einen Pennäler aus der Oberprima erinnert: weißes Hemd, Brille - und eine schwarze Fliege am Kragen. Kristian L. wirkt nervös, dabei dürfte ihm das Procedere bei Gericht hinreichend bekannt sein.

Die Staatsanwaltschaft wirft dem arbeitslosen Münchner vor, dass er im großen Stil mit Drogen gehandelt hat. Bei der Durchsuchung seiner Wohnung in der Maxvorstadt im November 2022 stellte die Polizei gut fünf Kilo Haschisch und Marihuana sicher. Ein halbes Kilo hatte er kurz zuvor für 4700 Euro an einen anderen Dealer verkauft. Die Drogen hatte L. in Einkaufstüten deponiert, zwei Kilo lagen auf dem Wohnzimmertisch. In unmittelbarer Nähe fand die Polizei ein Einhandmesser, eine Softairpistole sowie ein Luftdruckgewehr - was dem Münchner eine Anklage unter anderem wegen bewaffneten Handeltreibens einbrachte.

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Als die Polizei an seine Tür klopfte, stemmte sich Kristian L. mit aller Wucht dagegen. Er sei panisch geworden, sagt er. Oder, meint der Richter, vielleicht habe er auch Zeit schinden wollen, damit sein Mitbewohner Drogen verschwinden lassen könne? "Ja", räumt der 21-Jährige ein. Überhaupt, "die ganze Anklage stimmt voll und ganz".

Demnach stimmt es auch, dass die Polizei erst die Türscharniere herausschlagen und die Tür aus den Angeln heben musste, um in die Wohnung zu gelangen. Und, dass Kristian L. versucht hat, den Polizisten in erster Reihe die Treppe hinab zu stoßen. Im Stolpern konnte sich der Beamte noch an Kristian L. festhalten, um nicht zu fallen. Auch gegen die Fesselung wehrte sich L. mit Händen und Füßen. Die Staatsanwaltschaft wertet das als tätlichen Angriff auf Vollstreckungsbeamte, Widerstand und versuchte Körperverletzung.

Wenn Kristian L. redet, kommt er leicht ins Plaudern über sein Leben. Er begehe seit seiner Jugend "immer wieder Fehler", aber seine Eltern würden noch zu ihm stehen, sagt er mit Blick in den Zuschauerraum. Schulverweise hat er en masse gesammelt, und auch nach dem Quali blieb sein Leben voller Brüche: Er jobbte als Müllmann, Essensauslieferer, die FOS warf er hin, die Lehre als Koch wurde ihm gekündigt.

Kann sein, dass sein täglicher Cannabiskonsum damit zu tun hatte. Ab dem 14. Lebensjahr, so erzählt er, habe er Drogen konsumiert, am Ende bis zu fünf Gramm am Tag. Seine Karriere als Dealer startete er mit 17 Jahren, um seine Sucht zu finanzieren. Ob er Hobbys habe, fragt der Richter. "Nein, dafür hatte ich keine Energie mehr." Und: "Das, was mir der Konsum gibt, ist nicht real, es ist zerstörerisch."

Die Einsicht kommt spät, zumal Kristian L. einschlägig vorbestraft ist, mit Jugendarrest, Teilnahme am Abstinenzprogramm und Beratungsgesprächen, aber auch das hat er vergeigt. Seit November 2022 sitzt er nun im Erwachsenenknast, ein Urteil wird Mitte Juni erwartet.

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